Auszüge
aus dem Gespräch mit den AnwältInnen und Abdullah Öcalan
vom 10.11.2004
Über
die Presseberichte
Einige Generäle
veröffentlichten scharfe Erklärungen gegen Öcalan wie
die, er leite seine Organisation bequemer als früher in Damaskus.
Diese Militärs sorgten auch für verschärfte Angriffe
gegen seine Anwälte. Öcalan stellte richtig:
“Ich habe
meine Meinung gesagt, um dem Frieden zu dienen. Ich bin hier absolut
nicht in der Lage, eine kämpfende, revolutionäre Organisation
zu führen. Das ist unter den gegebenen Bedingungen völlig
ausgeschlossen. Dies wäre auch nicht der Ort dafür.”
“Die letzten Erklärungen, die in der Presse über mich
standen, sind chauvinistische Ergüsse. Als ich noch in Syrien
war, bekam ich Briefe vom Staat. Ich nehme an, sie kamen vom Generalstab.
Darin hieß es: ‘Sehr geehrter Herr Öcalan, wenn dieser
Staat zusammenbricht, werden auch sie unter den Trümmern begraben.’
Das fand ich eine korrekte Herangehensweise. In diesem Sinne finde
ich auch meine Friedensbemühungen wichtig und habe sie immer
fortgesetzt, auch heute tue ich das.”
Kemalismus
Öcalan
wiederholte seinen Anspruch, eine demokratische Linie zu vertreten,
die eine zeitgemäße Antwort für die Probleme der Türkei
darstellt, ebenso wie Mustafa Kemal in den 1920ern für die damalige
Zeit fortschrittliche Impulse brachte:
“Ich habe
meine Meinung zu Kemalismus und Staat gesagt, und ich vertrete sie
auch weiterhin ganz offen. Mit palliativen Maßnahmen und kleinen
Retuschen lässt sich der Staat nicht reformieren, so kann man
nicht zu einer Lösung kommen. In den 1920ern war die Gründung
einer Republik eine radikale Lösung. So wie in den 1840ern die
konstitutionelle Monarchie (Tanzimat) eine radikale Lösung war,
so war es in den 1920ern die Republik. Heute dagegen muss diese Republik
in eine Demokratie transformiert werden, das ist meine Linie. Die
Republik ist nach 80 Jahren ganz offensichtlich in der Klemme. Die
Republik ist heruntergekommen, korrumpiert. Der Grund für die
Klemme ist eine kranke Geisteshaltung.
Man manipuliert die Demokratie. Diejenigen, die heute behaupten, dass
sie den Etatismus [Vorrang des Staates, eines der Prinzipien Atatürks]
vertreten, stellen tatsächlich das größte Hindernis
überhaupt für den Staat dar. Statt dessen muss man sich
auf einer konsequent demokratischen Linie bewegen. Sonst drohen große
Gefahren, sowohl im Innern als auch von außen. Wenn man heute
[Todestag Atatürks] voller Respekt an Mustafa Kemal zurückdenkt,
dann deswegen, weil er in den 20ern eine radikale Lösung gebracht
hat. In den 30ern und 40ern hat sich nicht die Demokratie entwickelt,
sondern eine Oligarchie. Der Staat darf nicht auf Etatismus und Nationalismus
beharren, sondern muss eine demokratische Linie verfolgen. Wenn die
Republik auf eine religiöse und nationalistische Basis gestellt
wird, werdend die positiven Werte, auf denen sie beruht, verschlissen.
Sie wird zur bloßen leeren Hülle. Dann besteht die Gefahr,
dass sie zusammenbricht. Durch eine demokratische Transformation kann
die Republik verhindern, dass sie auf eine leere Hülle reduziert
wird. Der Osmanische Staat war in den 1920ern so eine staatliche leere
Hülle geworden, deswegen konnte Mustafa Kemal ihn mit einem Schlag
beseitigen.”
Drei
Identitäten
Für
höchste Aufregung in der politischen Landschaft der Türkei
hat der Bericht einer beratenden Kommission des Ministerpräsidenten
gesorgt, der sich hauptsächlich mit dem Status von so definierten
“Minderheiten” und deren Definition befasste. Dieser Bericht
löste eine breite Debatte über den Minderheitenbegriff aus.
Die in der Debatte verwendeten Begriffe und Konzepte sind schwer ins
Deutsche zu übertragen, da die Verwendung von Begriffen wie “Volk”
und “Nation” im Türkischen und in der Türkei
zum Teil erheblich vom Deutschen abweicht, die unterschiedlichen Nuancen
sind teilweise kaum übersetzbar. Daher sind sie jeweils in Klammern
im Original nachgestellt. Öcalan vertritt keinen ethnisch definierten
Nationenbegriff, sondern einen eher territorial definierten. Er schlägt
vor, von einer “Nation Türkei” zu sprechen, ähnlich
der “American Nation”, die verschiedene Ethnien umfassen
kann.
Öcalan bewertete den Kommissionsbericht überwiegend positiv:
“In Hinblick
auf die kommende Transformation der Republik handelt es sich um einen
wissenschaftlichen, zeitgemäßen Bericht, soweit ich das
aus der Presse entnehmen kann. Ich denke, er kommt demokratischen
Maßstäben nahe. Er ist ein Dokument, das konsequent die
Tür für eine demokratische Weiterentwicklung und Transformation
der Republik aufstößt. Ein Stück weit zeigt er auch
einen Ausweg.”
Seine eigenen
Vorschläge weichen jedoch in einigen Punkten von denen des Berichts
ab:
“Der Begriff
der Zugehörigkeit zur Türkei [Türkiyelilik] unterscheidet
sich von meinem Begriff. Die Diskussion über das Türkischsein,
die Frage, wie viel türkisch und wie viel kurdisch man ist, führt
in einen Sackgasse. Das möchte ich nicht diskutieren. Mein Lösungsvorschlag
war ein anderer. Ich möchte in diesem Sinne einen Beitrag leisten.
Man muss sich ansehen, wie Mustafa Kemal seinerzeit an die Sache heranging.
Als die Republik gegründet wurde, wollten sie sie ‘Türkische
Republik’ [Türkî Cumhuriyet] nennen, aber Mustafa
Kemal lehnte das ab. Er setzte den Namen ‘Republik Türkei’
[Türkiye Cumhuriyeti] durch. Diesen Namen wollte er ganz bewusst,
denn er betont den Aspekt der Staatsbürgerschaft [Vatandaslik,
Mitbürgerschaft im geographischen Sinne]. Er wollte keine rassische
[irk] Definition der Republik. Bei ihm gab es keinen rassischen Nationalismus.
Er vertrat einen kulturellen Nationalismus. Für ihn hing die
Staatsbürgerschaft nicht von der Zugehörigkeit zu einer
Rasse [irk] oder Ethnie ab. Ohnehin sind Ethnie und Nation [millet,
eigl. Nation im religiösen Sinne] Zugehörigkeitsformen.
Für die Staatsbürgerschaft musste man nicht unbedingt türkisch
sein.
Jetzt kann man natürlich fragen wie man den Ausdruck ‘Wie
glücklich der, der sich Türke nennt’ [“Ne mutlu
Türküm diyene”] interpretieren soll. Das rührt
von der osmanischen Auffassung von ‘begriffsstutzigen Türken’
[idraksiz Türkler] her. Man hielt die in Anatolien lebenden Turkmenen
für ‘begriffsstutzige Türken’ und zählte
sie nicht zu den Staatsbürgern. Mustafa Kemal verwendete diesen
Ausdruck also, um diese falsche Auffassung zu zerstreuen und das Selbstbewusstsein
der Mitbürger zu fördern. Das tat er in einem Prozess der
natürlichen Assimilation. Unter den damaligen Bedingungen überhöhte
er also diese Mitbürger, damit sie sich nicht selbst verachten.
Er benutzte diesen Ausdruck gegen eine feudale Auffassung. Dabei konnte
keine Rede davon sein, dass man zu Leuten sagte: ‘Verleugne
deine eigenen Identität, werde zwangsweise Türke’,
wie es später geschah. In jenem Prozess einer natürlichen
Assimilation gab es Kurden, die ‘türkisiert’ wurden
[Türklesen Kürtler] genauso, wie es Türken gab, die
‘kurdisiert’ wurden [Kürtlesen Türkler].
Kommen wir also zum Nationsbegriff: Ich habe einen zeitgenössischen
Nationenbegriff. Ich rede konkret über die Türkei. Ich glaube,
dass der Begriff der ‘Nation Türkei’ [Türkiye
ulusu, hier nichtethnischer Nationenbegriff, der sich nicht mit dem
im Deutschen verwendeten deckt] eher zu einer Lösung führt
als der Begriff einer ‘Zugehörigkeit zur Türkei [Türkiyelilik].
Die Türkei redet vom französischen Modell, das ist richtig.
‘Amerika’ wird als geografischer Begriff verwendet, viele
Nationen [ulus] leben dort. Der Ausdruck ‘American nation’
[Amerikan ulusu] umfasst sie alle. Wer in den USA lebt, gehört
zur ‘American nation’. In Großbritannien gibt es
Schotten, Waliser, Iren. Sie alle bezeichnen sich als ‘Britische
Nation’. In der Schweiz leben vier Völker, es gibt verschiedene
Kantone, aber letztlich gibt es eine Nation ‘Schweiz’.
Auch in der Türkei kann es verschiedene Nationen [ulus] geben,
aber es sollte den Begriff der ‘Nation Türkei’ geben.
Professor Baskin Oran sagt dazu: ‘Wenn man sie mit Gewalt zusammenpresst,
zerspringt sie, das vertieft die Spaltung.’ Die Amtssprache
der Türkei ist Türkisch. Man sollte Türkisch lernen,
aber man sollte auch die anderen Sprachen lernen. Man sollte diese
anderen Sprachen auch im Bildungssystem und in der Presse benutzen.
Es ist gefährlich zu sagen: ‘Jedem Volk [millet] seinen
eigenen Staat’. Für jede Ethnie, jede Nationalität
einen Staat, eine Föderation, das vertieft die Spaltung. Das
führt zu Ergebnissen wie in Tschetschenien und in Palästina.
Wir fördern die demokratische Ganzheit. Wir sagen: In der übergreifenden
Identität des Staates können sich alle Kulturen ausdrücken.
In der demokratischen Ganzheit haben alle Kulturen die Freiheit, sich
auszudrücken. Die übergreifende Identität des Staates
drückt eine Zugehörigkeit, die Staatsangehörigkeit
aus. Auch die ‘Nation Europa’ ist so eine übergreifende
Identität. 25 Staaten haben die europäische Verfassung unterzeichnet.
Der Begriff ‘Nation Europa’ wurde ausgerufen. Europa ist
eine übergreifende Identität. In der Türkei kann es
so sein wie in Europa. Die verschiedenen Völker [millet] sind
Bestandteil der ‘Nation Türkei’ [Türkiye ulusu].
Jedes Volk [millet] ist frei im Gebrauch seiner Sprache in Medien
und Bildung, fördert seine Kultur.
Ich schlage eine Formel vor: Man geht von drei Identitäten aus.
Die erste ist die Nation Europa [Avrupa ulusu], die zweite die Nation
Türkei [Türkiye ulusu], die dritte die nationale [kavimsel]
Eigenheit jeder ethnischen Identität. Dann kann man sagen: Ich
gehöre zur Nation Europa, ich gehöre zur Nation Türkei,
aber gleichzeitig bin ich Kurde, Türke oder Tscherkesse und so
weiter. In Spanien ist das so. Einer ist Katalane, gehört zur
Nation Spanien und ist Europäer. Das gibt es in ganz Europa.
So kann es auch in der Türkei sein. Es gibt diese Parole: ‘Ja
zu Unterschieden, nein zur Abspaltung’. Das gefällt mir.
Dieser Begriff kann die Türkei einen. Ich sage ebenfalls: ‘Ja
zu Unterschieden, nein zur Abspaltung’. Jede Subidentität
kann ihre eigenen Symbole verwenden, ihre Sprache verwenden, Bildung
betreiben. Es kann auch symbolische Identitäten geben.”
Öcalan
bezieht sich regelmäßig auf die Definition der Kurden als
“Gründungselement” der Republik. Dieser Begriff ist
in Zusammenhang mit dem “Minderheitenbegriff” häufig
in der Debatte aufgetaucht. Der bekannte Kolumnist Fikret Bila beispielsweise
unterstellt, der Begriff “Gründungselement” bezwecke
eine zukünftige Abspaltung. Dagegen wendet sich Öcalan entschieden:
“Dazu gibt
es eine Reihe von Äußerungen von mir. Die Vorläufer
der Kurden – Proto-Kurden sozusagen – sind an der Entstehung
von Sumer beteiligt. Das gleiche gilt für Anatolien, dort sind
es die Hurriten, ebenfalls Vorläufer der Kurden. Sie teilen sich
eine kulturelle Struktur mit den Urartäern, den Mitanni, den
Hethitern. Diese Wechselwirkung gibt es seit jeher. Alle diese Kulturen
heben ihren Ursprung im Zagros-Gebirge. Sie haben die mesopotamische
Kultur nach Anatolien getragen. Das habe ich in meinen Büchern
ausführlich dargestellt. Dieser Abschnitt umfasst 2000 Jahre.
Danach gibt es das Bündnis der Kurden mit den Persern, den persischen
Staat. Dann kommt der Islam. Es gibt ein Zusammengehen mit den Arabern
unter den Omayyaden und den Abassiden. Das hält 500 Jahre an.
Als die Türken nach Anatolien kommen, schließen die Kurden
mit ihnen ein schicksalhaftes Bündnis. Die Stämme kämpfen
Seite an Seite. Tausend Jahre lang hält diese Gemeinsamkeit.
Es gibt auch Konflikte, aber sie schließen wieder Frieden. Danach
kommen die Osmanen, auch mit ihnen setzt sich dieses Verhältnis
fort.
Die Kurden haben für sich selber keinen Staat angestrebt. Sie
haben sich gemeinsam mit den Türken an den jeweiligen politischen
Gebilden beteiligt. Das setzt sich auch in der Republik fort. Das
ist meine Geschichtsauffassung. So steht es auch in meinen Büchern.
Fikret Bila sieht das viel zu einseitig.”
Den Staat
nicht erobern, den Staat demokratisieren
Die Diskussion
in der Türkei über die Bildung einer neuen, demokratischen
Partei, dauern an. Öcalan betont die Wichtigkeit dieser Partei
und wendet sich gegen eine rein kurdische Organisierung:
“Die Bewegung
für eine demokratische Gesellschaft ist enorm wichtig. Die Kurden
sollten sich an dieser Bewegung intensiv beteiligen. Ich sehe diese
Bewegung als ebenso bedeutsam an wie die Parteigründung in der
konstitutionellen Phase und der republikanischen Phase, die ‘Ittihat
ve Terakki’ und die Republikanische Volkspartei (CHP). Es ist
nicht einfach nur irgend eine Partei. Dies ist die dritte Stufe. Sie
nimmt die aufklärerische Seite der Republik auf und sorgt für
ihre Weiterentwicklung nach zeitgenössischen Kriterien.”
“Ich finde die Bildung einer Partei auf der Basis einer Nation
falsch. Nationalistische Parteien und nationalistische Politik finde
ich falsch. Wir wollen den Staat nicht erobern, wir wollen ihn demokratisieren.
Es geht mir um die Gesellschaft, nicht um eine Nation. Diese Diskussionen
sind überholt. Ich bin schon weiter. Ich habe den Nationalismus
hinter mir gelassen und mache mir Gedanken über die Gesellschaft,
die wir errichten wollen. Wir wollen doch eine demokratische Gesellschaft,
nicht wahr? Das ist für uns das entscheidende. Das ist auch der
Punkt in meinen Büchern, den ich am deutlichsten hervorhebe.
Was für eine Partei ist für eine demokratische Gesellschaft
vonnöten? In meinem Brief habe ich als Negativbeispiel den Begriff
der Profitpartei verwendet, eine Partei, die vom Staat profitiert.
Sie ist Zuträger für den Staat, macht Propaganda für
den Staat, benimmt sich wie ein Beamter des Staates. Dadurch stagniert
der Staat. Mein Parteibegriff ist das genaue Gegenteil. Er hat nichts
mit Propaganda für den Staat, mit Profitieren vom Staat zu tun.
Der Staat braucht niemanden, der für ihn Propaganda macht, er
macht seine Propaganda schon ganz alleine. Aber die heutigen Parteien
existieren alle auf dieser Grundlage. Ihr ganzer Sinn und Zweck ist,
ein paar Posten vom Staat zu ergattern. In Europa gibt es auch ein
anderes Parteiverständnis.
Ob HADEP oder DEHAP, bisher hat sich keine von dieser Haltung gelöst.
Sie haben sich auch in den Wettbewerb um staatliche Posten begeben.
Deswegen wurde so viel über die Stadtverwaltungen diskutiert.
Ich lehne diese Haltung ab. Ich bin auch gegen eine Parteigründung
auf nationalistischer Basis. Ja zu einer Reform des Staates, nein
zur Frontstellung gegen den Staat. Für mich darf es keine Staatsprofitpartei,
keine Staatspropagandapartei geben. Das Ziel ist die Gesellschaft,
die Demokratisierung der Gesellschaft. Es geht darum, die demokratischen
Forderungen der Gesellschaft dem Staat aufzudrängen.
Wie kann das funktionieren? Ich schlage dafür freie Bürgerräte
vor. Ich denke an vier Einheiten: Dorfräte, Kleinstadträte,
Stadtteil- und Stadträte. Dazu Koordinationen. Ich nenne das
Basisdemokratie, Basisorganisierung. Das ist das Wesen demokratischer
Gesetze. Das Volk wird diese bilden und durch seine Vertreter dem
Staat antragen. Das stellt eine Garantie dar. Keine religiös
gefärbte Partei, auch keine national gefärbte Partei. Sie
sollte offen sein für Menschen aller Nationen. Das ist der Esprit
einer Lösung. Jede und jeder kann sich einer Bewegung anschließen,
die für eine demokratische Gesellschaft kämpft. Wer am besten
die Demokratie vertritt, soll beitreten. Es soll einen demokratischen
Wettbewerb geben, ohne Nationalismus. Alle sind freie Bürger.
Auch Atatürk hat Wert auf freie Bürger gelegt, daher nahm
er die Bildung so wichtig. Ich habe viel über die Kultur gelesen,
die er sich angeeignet hat. Er wollte eine Republik von freien Bürgern
schaffen. Allerdings ging er “von oben” an die Sache heran.
Die Republik ist ein politisches Gebilde. Insofern kann eine Diskussion
über eine Parteigründung die Krise der Politik überwinden
helfen. Das entspricht dem Wesen der Republik. Mustafa Kemal versucht,
nach den modernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen seiner Zeit zu
handeln. Er war in diesem Sinne ziemlich modern. Er kannte die gefährlichen
Seiten seiner Zeit, er geriet weder in den Sog von Hitler noch der
Sowjets. Er war weitblickend. Beide Systeme gibt es heute nicht mehr.
Ich habe dieses Thema bereits in meinen Büchern ausgeführt.
Alles was ich sage entspricht der Republik und ihrem Wesen. Die Linie
von Mustafa Kemal in den 1920ern war eine moderne Linie. Aber die
Linie Mustafa Kemals aus den 1930ern heute 1:1 umzusetzen ist reaktionär.
Das ist reaktionäre Politik. Das wird heute sowohl in der Armee
diskutiert, als auch im Staat. Ich hoffe, dass diese Diskussionen
erfolgreich sein werden. Wenn sie das stört, können wir
auch über etwas anderes reden.
Ich bemühe mich um einen sinnvollen Frieden. Ich sage es noch
einmal: Wenn ich grünes Licht sehe, werde ich mich weiter um
den Frieden bemühen. Das habe ich auch an Leyla Zana gerichtet
gesagt. Wenn ich grünes Licht bekomme, werde ich meine Rolle
spielen. Wir wollen alle, dass die, die in den Bergen sind, herunterkommen.
Wenn es grünes Licht gibt, geht das. Aber Frieden kann natürlich
nicht einseitig sein. Wenn es so nicht geht, dann übernehme ich
keine Verantwortung.
Zum Tode
von Jassir Arafat
“Ich gedenke
Jassir Arafats. Ich spreche dem palästinensischen Volk mein Beileid
aus. Ich hatte ihn gelegentlich kritisiert. Das ändert nichts
an meiner Liebe zu ihm. Das beste, was man im Gedenken an ihn tun
kann ist, statt auf Nationalismus auf Demokratie und Frieden zu setzen.
Wenn es bei uns nicht aussieht, wie in Palästina-Israel und Tschetschenien,
so liegt das an unseren Bemühungen für den Frieden und gegen
den Nationalismus.