Süddeutsche Zeitung 8.7.99 Berlin-Seite Versagen vor Fort Knox Nach dem Kurden-Sturm auf das israelische Konsulat: Warum wird der Ausschuß behindert? Von Philip Grassmann Nach dem Kurden-Sturm auf die israelische Botschaft in Berlin wird vermutet, der Untersuchungsausschuß werde in seiner Arbeit behindert. Die Schweigsamkeit des Bundes ist nicht die einzige Schwierigkeit, mit der die Ausschuß-Abgeordneten seit ihrer ersten Sitzung am 21. Mai zu kämpfen haben. Die Berliner CDU versucht, die Arbeit des Gremiums zu behindern, sei es durch Klagen gegen die Verfahrensweise oder durch den Ausschluß der Öffentlichkeit. Landesbehörden stellten dem Ausschuß Akten erst kurz vor der Sitzung zu. Verfassungsschutzbeamte des Landes haben nur eine beschränkte Aussagegenehmigung erhalten. "Wir haben hier ein Szenario von Schwierigkeiten, wie es sie in dieser massiven Form wohl noch nie gegeben hat", sagt Wieland. Am Freitag werden vermutlich zum letzten Mal vor der Sommerpause Zeugen gehört. Die israelische Generalkonsulin Miryam Shomrath soll dann zu den Vorgängen befragt werden. Die Ergebnisse der bisher acht Sitzungen können sich sehen lassen. Was ans Tageslicht gefördert wurde, ist für Politiker und Sicherheitsbehörden äußerst unangenehm. Denn es geht längst nicht mehr nur um Fehler und Versäumnisse. Es geht vor allem darum, ob die Hauptstadt ihre Botschaften und die Einrichtungen des Bundes verläßlich schützen kann. Deutlich wurde vor allem eines: Die Erstürmung des Israelischen Konsulats, hätte möglicherweise verhindert werden können, wenn es bei den Sicherheitsorganen professionellere Arbeitsweise und bessere Kommunikation gegeben hätte. Das Konzept ist gut Die Zeugen beriefen sich vor dem Ausschuß immer wieder darauf, daß es keinen "konkreten Hinweis" auf die Gefährdung des Israelischen Generalkonsulats gegeben habe. So wurde das Gebäude lediglich von drei Beamten gesichert. Anderswo wurde dagegen aufgerüstet: Vor der US-Botschaft und dem Türkischen Konsulat waren je eine Hundertschaft sowie ein gepanzertes Fahrzeug postiert worden. Auch für die Synagoge im Stadtteil Mitte und andere jüdische Einrichtungen wurde der Schutz verstärkt. Das Berliner Sicherheitskonzept trug zu dem Versagen bei. Mit viel Technik soll danach der sogenannte Eigenschutz der Gebäude so erhöht werden, daß nur eine geringe Polizeipräsenz notwendig ist. Das Haus soll Angreifern so lange widerstehen, bis Verstärkung eintrifft. Diese Prinzip soll für alle Botschaften in Berlin gelten. Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) sagte vor dem Ausschuß, in der Innenverwaltung sei man davon ausgegangen, das Konsulat sei "sicher wie Fort Knox". Überprüft wurde das offenbar nicht. Die Israelis, so Böse, hätten seit 1991 eine Sicherheitsberatung durch das Landeskriminalamt abgelehnt. Ihm habe beispielsweise der Schutz des US-Konsulats mehr Kopfzerbrechen gemacht, wegen dessen Lage in der Innenstadt. Zwar besprachen Innensenator Ekkart Werthebach (CDU) und Böse telephonisch am 16. April die Sicherheitsmaßnahmen. Aber am Ende der Unterhaltung waren sich beide einig: Das Konzept ist gut, die Schutzmaßnahmen genügen. Einen Tag später drangen die Kurden in das Konsulat durch eine Tür ein. Auch Gernot Piestert, Chef der Landesschutzpolizei, sagte aus, es habe keine "konkreten Hinweise auf eine Gefährdung" gegeben - weder auf einer Prioritätenliste des Landesamtes für Verfassungsschutz, die er über das Landeskriminalamt am Vormittag des 16. Februar erhalten hatte, noch in einem Warnhinweis des Bundeskriminalamtes vom gleichen Tag. Beide Listen enthielten Verweise auf Einrichtungen der Türkei, der USA, Griechenlands, Kenias, Israels und der SPD. Nur abstrakte Hinweise, sagte Piestert, man habe daraus nicht schließen können, "daß das Israelische Generalkonsulat gefährdet sein könnte." Sehr ernst kann Piestert die Hinweise in der Tat nicht genommen haben. Denn anstatt an der Besprechung seiner Direktionsleiter teilzunehmen, in der über die Sicherheitsmaßnahmen in der Stadt entschieden werden sollte, fuhr er zum Griechischen Konsulat, das in der Nacht von Kurden besetzt worden war. Dort wollte er sich "einen Eindruck vor Ort" verschaffen. Erst am frühen Nachmittag stieß Piestert zu der Runde und segnete die Beschlüsse ab. Die US-Botschaft und das Türkische Konsulat wurden mit je einer Hundertschaft geschützt. Alles weitere sollten die örtlichen Direktionsleiter regeln. Siebzig Kurden einfach übersehen Der Beamte in dessen Gebiet das Israelische Konsulat lag, ließ lediglich eine Streife mehrmals am Tag das Konsulat passieren. Niemand kam offenbar auf die Idee, die Lage in der Stadt nicht nur als Verwaltungsvorgang zu betrachten, sondern politisch zu analysieren. Man wartete auf einen konkreten Gefährdungshinweis. Bereits am 16. Februar war es zu einer Panne gekommen. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky schrieb den Zusatz "Israel" auf ein Fax, das an alle Direktionsleiter gehen sollte. Das Schreiben wurde jedoch als Telex weitergeleitet. Die Folge: Weil es nicht noch einmal abgefaßt wurde, ging der handschriftliche Zusatz verloren. Die Serie setzte sich am nächsten Tag fort. Der Abteilungsleiter der 2. Bereitschaftspolizei der mit seinen Leuten vor dem Türkischen Konsulat ausharrte und für die gesamte Umgebung verantwortlich war, wurde über die Schutzmaßnahmen nicht richtig informiert. Da die israelische Vertretung nur einige hundert Meter von seinem Einsatzort entfernt lag, war er auch dort für den "Raumschutz" zuständig. Er habe seine Informationen im wesentlichen aus der Zeitung und dem Radio gehabt, sagte er vor dem Ausschuß. Über die Details des Objektschutzes vor dem Konsulat weiß er ebensowenig wie über die Sicherheitsmaßnahmen im Gebäude selbst. Und schließlich machten die Beamten auch ganz schlichte Fehler: Siebzig Kurden, die sich südlich des Israelischen Konsulats aufhielten, wurden einfach nicht bemerkt. Sie demonstrierten im Innenhof des Umweltbundesamtes und marschierten dann zum Konsulat. Der Ausschuß befaßte sich bislang nur mit den Vorgängen vor der eigentlichen Erstürmung. Und da, sagt der Vorsitzende Wolfgang Wieland, liege das Problem eigentlich weniger darin, herauszufinden, wer etwas falsch gemacht hat. Schwieriger sei es, "zu erkennen, wer richtig gehandelt hat". Die Fortsetzung folgt nach der Sommerpause. Da erst geht es dann um die Umstände der tödlichen Schüsse, die von den israelischen Wachleuten abgegeben wurden. |