Riza Baran kritisierte in seinem offfenen Brief die Rede Landowskys
zu dem Blutbad vor dem israelischen Generalkonsulat, in der Landowsky die
tote achtzehnjährige Sema Alp in einem Atemzug mit seiner Tochter
genannt hatte.
„Sehr geehrter Herr Baran,
gerade weil mich der sinnlose Tod dieses jungen kurdischen Mädchens
sehr betroffen macht, bin ich überrascht, daß Sie die Form eines
offenen Briefes gewählt haben, der auch eine öffentliche Antwort
verlangt.
Ich denke nicht, daß der tragische Tod der Sema Alp für
propagandistische Zwecke eingesetzt werden sollte. Nach meinen christlichen
Grundüberzeugungen sind alle Menschen in ihrer Würde gleichermaßen
unantastbar.
Sie beschreiben die junge Kurdin als ein „eher zurückhaltendes
Mädchen, das lieber bei seiner Mutter blieb, als aus dem Haus zu gehen“.
Unbeschadet anderer Äußerungen ihrer Schwester war es um so
unverantwortlicher, sie in die Gewaltaktion gegen das israelische Generalkonsulat
hineinzuziehen!
Jedem erwachsenen Menschen ist klar, daß israelische Einrichtungen
in besonderem Maße geschützt und verteidigt werden. Betrachtet
man die Geschichte der Attentate gegen Israelis - von den Olympischen Spielen
1972 in München bis zum Überfall auf die ,Achille Lauro’ 1985
-, ist das auch verständlich. Der Tod dieses jungen kurdischen Mädchens
hätte verhindert werden können, wenn die an der Aktion beteiligten
Kurden ihren moralischen und rechtstaatlichen Pflichten nachgekommen wären.
Dies macht mich ebenso betroffen wie die Übergriffe gegen Kurden in
der Türkei. Es ist unerläßlich, daß die in Deutschland
lebenden Kurden ihren Söhnen und Töchtern vermitteln, was Rechtsstaat
bedeutet. Deshalb bitte ich Sie als Abgeordneten, Herr Baran, Ihren Einfluß
auf die in Berlin lebenden ehemaligen Landsleute mäßigend und
im Sinne der Gewaltfreiheit einzusetzen.“
Kommentar
Krieg in der Hauptstadt
Vier Wochen nach den Ereignissen am israelischen Konsulat steckt die
Staatsanwaltschaft noch in den Ermittlungen, die sich schwierig gestalten,
unter anderem weil die Diplomatie gewahrt werden muß. Besondere
Betroffenheit hat der Tod der 18jährigen Sema Alp ausgelöst;
am Mittwoch berichtete die Berliner Presse von einem offenen Brief Riza
Barans, dem migrationspolitischen Sprecher der Grünen, an den CDU-Fraktionsvorsitzenden
Landowsky, in dem er den Lebenslauf der jungen Frau schilderte und auf
die Unterdrückung der Kurden in der Türkei hinwies.
Gestern hat Klaus Landowsky „offen“ geantwortet. Er weist darauf hin,
daß „jedem erwachsenen Menschen klar ist“, daß israelische
Einrichtungen „in besonderem Maße geschützt und verteidigt werden“,
besonders wenn man an die Olympischen Spiele von München erinnert.
Das, legt Landowsky nahe, hätten auch „erwachsene“ KurdInnen wissen
und bedenken müssen.
Vermutlich ist den zuständigen Behörden nicht detailliert
bekannt, wie Israel seine Einrichtungen im Ausland schützt. Aber daß
es auf deutschem Boden nie wieder eine Geiselnahme israelischer Staatsbürger
geben wird, jedenfalls, wenn israelische Sicherheitsleute dies verhindern
können, müßte auch deutschen Politikern glasklar sein.
Spätestens seit 1972, als die „fröhlichen Spiele von München“
im Blutbad von Fürstenfeldbruck endeten und zwölf israelische
Sportler beim gescheiterten Befreiungsversuch starben. In Berlin sahen
die israelischen Wachmänner die Chance gekommen, ihren Verteidigungsauftrag
auszuführen. Und die Berliner Verantwortlichen haben ihnen die Möglichkeit
gelassen. Diesen politischen Skandal muß ein parlamentarischer
Untersuchungsausschuß klären.
Petra Groll