Der falsche Schmidt Berlin: Prozeß gegen Kurden wegen Teilnahme an Öcalan-Demo eröffnet.
Ein Gerichtsreport von Peter Murakami
Wenn man schon die Todesschützen nicht verurteilen kann, die am
17. Februar dieses Jahres auf dem Gelände des israelischen Generalkonsulates
in Berlin vier kurdische Demonstranten aus »Notwehr« hinterrücks
erschossen haben, muß man sich eben an den Überlebenden schadlos
halten. Unter diesem Motto scheint der Prozeß gegen den 34jährigen
Mehmet K. zu stehen, der sich seit Mittwoch vor dem Berliner Landgericht
wegen schwerem Landfriedensbruch verantworten muß. Die Anklage wirft
Mehmet K. vor, am 17.Februar unweit des israelischen Konsulats aus einer
Menge von rund 100 Demonstranten heraus einen Polizisten mit einer eisernen
Gerüststange geschlagen und ihm damit eine fünf mal fünf
Zentimeter große Prellung zugefügt zu haben. Im dritten Prozeß
um die Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und aufgebrachten Kurden,
die wegen der Verhaftung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan das israelische
Generalkonsulat in der Schinkelstraße besetzen wollten, ließ
die Staatsanwaltschaft keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie hart
gegen den Angeklagten vorgehen wollte. Die ersten beiden Verfahren, die
bereits Anfang Mai vor dem Jugendschöffengericht stattfanden, endeten
jeweils mit einem Urteil von vier Wochen Dauerarrest für die jugendlichen
Angeklagten. Schon die Entscheidung, dieses Verfahren vor einer Großen
Strafkammer statt vor dem Amtsgericht durchzuführen, gab zu der Befürchtung
Anlaß, daß die Anklagebehörde die einschlägigen Vorschriften
bis an die Grenze ihrer Dehnbarkeit ausweiten würde, um den Kurden
möglichst hart zu verurteilen. Gegen die ihrer Auffassung nach unrechtmäßige
Entscheidung, den Prozeß vor einer Großen Strafkammer zu verhandeln,
legten die Verteidiger des Kurden Widerspruch ein. Rechtsanwalt Proell
argumentierte, daß selbst die weitaus schwerwiegenderen Mai-Krawalle
lediglich vor einem erweiterten Schöffengericht verhandelt wurden.
Dies nähre den Verdacht, daß es sich bei dem Prozeß um
ein »politisches Verfahren« handele, erklärte der Verteidiger.
Nach kurzer Beratung lehnte die Kammer den Widerspruch ab und signalisierte
damit, daß sie geneigt ist, im Sinne der Staatsanwaltschaft zu urteilen,
die bereits im Vorfeld bekanntgab, daß sie für im Zusammenhang
mit den Protesten verhaftete Kurden von Strafen von »mindestens vier
Jahren« ausgeht. Eine Strafhöhe, die mit einer sogenannten Ausweisungsverfügung
verknüpft ist und für Mehmet K. eine Abschiebung in die Türkei
bedeuten würde.
Die versuchte Erstürmung der israelischen Botschaft spielt in diesem Prozeß noch keine Rolle und soll erst zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden. Immer wieder geriet der Prozeß ins Stocken, weil die Vorsitzende mehr oder weniger begeistert über die Anträge der Verteidigung entscheiden mußte. Die schwerwiegendste Unterbrechung kam jedoch dadurch zustande, daß der als Hauptbelastungszeuge geladene Polizeiobermeister Schmidt nicht zur Verhandlung erschienen war. Das fiel der Kammer allerdings erst auf, nachdem der ebenfalls als Zeuge geladene Namensvetter des besagten Polizeiobermeisters bereits eine geschlagene halbe Stunde ausgesagt hatte. Erst auf Nachfragen stellte sich heraus, daß man den falschen Schmidt geladen hatte. Weil der echte auf die Schnelle nicht mehr aufzutreiben war, wird der ursprünglich auf einen Verhandlungstag terminierte Prozeß voraussichtlich in der kommenden Woche mit Zeuge Schmidt zwei fortgesetzt.