Kurdenprozeß in nächster Runde
Erster Prozeß vor dem Landgericht um die Kurdenkrawalle begann
mit Unterbrechungen und Pannen.
Auch der parlamentarische Untersuchungsausschuß steht vor
neuen Problemen
Unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und großem Medienaufgebot hat gestern vor dem Landgericht der erste Prozeß um die Kurdenkrawalle am israelischen Generalkonsulat stattgefunden. Angeklagt ist der 34jährige Mehmet K., dem vorgeworfen wird, am 17. Februar aus einer Menge von rund 120 Demonstranten heraus in der Nähe des Konsulats einen Polizisten mit einer Eisenstange angegriffen zu haben. Der Angeklagte, dem schwerer Landfriedensbruch und Körperverletzung vorgeworfen wird, äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Bei der versuchten Konsulatsstürmung waren vier Kurden von israelischen Sicherheitsksräften erschossen worden.
Für den Prozeß war nur ein Verhandlungstag angesetzt. Doch bereits kurz nach Beginn geriet die Verhandlung ins Stocken, weil das Gericht peinlicherweise einen Polizisten als Zeugen vernahm, der mit dem verletzten Beamten, dem Hauptbelastungszeugen gleichen Nachnamens, verwechselt worden war. Auch der Rest des Tages war von Unterbrechungen gekennzeichnet. Das Gericht mußte über mehrere Anträge der Verteidigung beraten. Doch die meisten Anträge wie Verlegung in einen größeren Saal und Zuweisung des Verfahrens an das Amtsgericht Tiergarten wurden abgelehnt. Die Verteidigung sprach ebenso wie das "Solidaritätskomitee für die kurdischen politischen Gefangenen in Berlin", das gestern eine Pressekonferenz abhielt, von einem "politischen Verfahren", obwohl es sich um einen "durchschnittlichen Demonstrationsfall" handele.
Ein Großteil der Verhandlung widmete sich der Vernehmung eines Polizisten, der an der Festnahme des Angeklagten beteiligt war, kurz nachdem die Schüsse gefallen waren. Dieser sagte aus, daß er gesehen habe, wie Mehmet K. den Hauptbelastungszeugen mit einer Eisenstange angegriffen habe. Später wurde ein Video gezeigt, auf dem jedoch nicht zu sehen ist, daß der Angeklagte einen Polizisten schlägt. Dem Antrag der Verteidigung, den Polizisten, der die Szenen aufgenommen hat, als Zeugen zu hören, wurde stattgegeben. Die Anwälte hatten kritisiert, daß es sich um eine gekürzte Kopie handele, bei der die entscheidenden Sekunden vor Mehmet K.s Festnahme fehlten. Der Prozeß wird heute fortgesetzt.
Unterdessen kommt die Arbeit des Untersuchungsausschusses zur Klärung der Vorgänge um das israelische Generalkonsulat auch nicht weiter. Bei seiner morgigen Sitzung kann er nicht den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Frisch, als Zeugen vernehmen, weil ihm die Bundesregierung aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Aussagegenehmigung erteilt. Der Ausschußvorsitzende Wolfgang Wieland (Grüne) kündigte an, noch einmal an Bonner Stellen heranzutreten, um zu begründen, warum der Ausschuß Akten und Zeugenaussagen des Bundes benötigt.
B. Bollwahn de Paez Casanova