Pressemitteilung (13.06.99)
An die Redaktionen
Berlin / Inland / Ausland (Kurdistan/Türkei)
Am 16. Juni um 9.00 Uhr beginnt der erste Prozeß wegen schwerem Landfriedensbruch u.a. vor dem Landgericht Berlin (Saal 220 in der Turmstraße 91, 10559 Berlin). Dies ist der Auftakt einer Prozeßlawine, mit der die an den Protestaktionen im Februar beteiligten Kurden und Kurdinnen abgeurteilt werden sollen. Mit Haftstrafen von mindestens 4 Jahren sei zu rechnen, so die Staatsanwaltschaft in einer Presseerklärung vom 27. April diesen Jahres.
Die hohe Strafandrohung wird perfiderweise mit der Schwere der Auseinandersetzung vor dem und im israelischen Generalkonsulat begründet. Die Angeklagten sollen für die schwere Auseinandersetzung büßen, bei der vier ihrer Freundinnen und Freunde erschossen wurden, während gleichzeitig die Ermittlungsverfahren gegen die Todesschützen, die israelischen Sicherheitsbeamten, eingestellt werden.
Das Lügengebäude von der "Notwehr" ist durch Zeugenaussagen,
die Realität der von hinten Erschossenen und ein Polizeivideo, das
eindeutig unbewaffnete Kurden zeigt, eingestürzt. Doch unbeirrt hiervon
werden die laufenden Straf- und Ausweisungsverfahren weitergeführt:
? Insgesamt 229 Kurdinnen und Kurden waren am 17. Februar, dem Tag
der Protestaktion am israelischen Generalkonsulat, in Berlin festgenommen
worden. Gegen mindestens 140 Personen läuft ein Ermittlungsverfahren.
Zwölf Kurden befinden sich immer noch in Untersuchungshaft.
? Parallel zu den Ermittlungs- und Strafverfahren wurden die Daten aller erfaßten Kurdinnen und Kurden vom Landeskriminalamt an die Ausländerbehörde gegeben. Die Behörde versendet seitdem Briefe, in denen eine Anhörung zur Ausweisung angekündigt wird. Unabhängig vom bisherigen Aufenthaltsstatus und von der zu erwartenden Strafe. Begründet werden die Ausweisungsankündigungen neben der Beeinträchtigung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland auch folgendermaßen: "Zudem ist davon auszugehen, daß bestimmte Personenkreise ihr Gesamtverhalten (das der Kurdinnen und Kurden, Anm.d.A.) zum Anlaß nehmen, in zunehmendem Maße Ausländerfeindlichkeit zu propagieren".
Die Ausländerinnen und Ausländer sind also an der Ausländerfeindlichkeit selbst schuld! Die Ausländerbehörde hat öffentlich bestätigt, daß sie einige der Angeklagten noch vor dem Abschluß ihrer Strafverfahren in die Türkei abschieben will. Es ist oft genug dokumentiert worden, welche Gefahren politisch aktiven Kurden und Kurdinnen nach einer Abschiebung in die Türkei drohen.
In der öffentlichen Diskussion um die kurdischen Proteste und die
tödlichen Schüsse der israelischen Sicherheitsbeamten werden
die Kurden von allen Seiten als Problem der "Inneren Sicherheit" betrachtet.
Ausgeblendet wird der politische Charakter und Hintergrund ihres
Protestes: die Entführung Abdullah Öcalans. Daß die Sorge
um das Leben des Vorsitzenden der Kurdischen Arbeiterpartei PKK berechtigt
war, zeigt der Schauprozeß gegen Abdullah Öcalan vor einem Militärgericht,
in dem die Anklage schon die Todesstrafe beantragt hat.
Die kurdische Initiative für einen Friedensdialog, die Abdullah
Öcalan während seines Aufenthaltes in Europa zu verbreiten versuchte,
wurde durch die europäischen Staaten, maßgeblich auch der BRD,
abgewiesen. So wurde dessen Verschleppung aus Kenia politisch erst ermöglicht.
Die anhaltenden Waffenlieferungen und Ausbildungshilfen Deutschlands für
den Krieg gegen das kurdische Volk gehen ungebrochen weiter, auf Proteste
von kurdischer Seite dagegen wurde und wird weiterhin mit schärfster
Kriminalisierung, die einem politischen Betätigungsverbot gleichkommt,
reagiert.
Der Kurdistankonflikt ist ein internationaler politischer Konflikt.
Genau das hat sich in den kurdischen Protestaktionen in Deutschland und
Berlin ausgedrückt. Deren politische und juristische Aufarbeitung
- Straffreiheit für die israelischen Sicherheitsbeamten und massive
Anklagen und Ausweisungsdrohungen gegen Kurden und Kurdinnen - dokumentiert
erneut den Konfrontationskurs Deutschlands gegen die kurdische Bewegung.
Diese Politik, die nur Verfolgung, Verbote und Verhaftungen kennt, muß
aufhören. Insbesondere sind die Abschiebungen von Kurdinnen und Kurden
in die Türkei zu stoppen, ihnen drohen Folter und Tod!
Um die Kurdinnen und Kurden in ihren Prozessen zu unterstützen, eine Öffentlichkeit über die tatsächlichen Hintergründe der Verfahren zu schaffen und die drohenden Ausweisungen zu verhindern, hat sich das Solidaritätskomitee für die kurdischen politischen Gefangenen gegründet.
Spendenkonto: Azadi, Ökobank, BLZ 500 901 00, Ktonr.: 5 400 279,
Stichwort: "Berlin"