Presseerklärung 

23. Februar 1999 

PRO ASYL fordert Abschiebemoratorium und Neubewertung der deutschen Türkeipolitik
Sogenannte „Sicherheitsgarantien“ vom türkischen Staat sind “menschenrechtliche Augenwischerei“

Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL hat Forderungen aus CSU- und FDP-Kreisen und Überlegungen des Innenministeriums scharf zurückgewiesen, mit der Türkei „Sicherheitsgarantien“ für abgeschobene Kurdinnen und Kurden auszuhandeln, damit diese dort nicht der Gefahr der Folter und Todesstrafe ausgesetzt würden. 
Angesichts des Ausmaßes an Menschenrechtsverletzungen, Folter, extralegalen Hinrichtungen und willkürlichen Inhaftierungen in der Türkei seien diese Überlegungen „menschenrechtliche Augenwischerei“ und „unverantwortliche Stammtischparolen“, erklärte PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann. 
„Die Bundesregierung und die Parteien wissen genau, daß es auch nach Anwendung des sogenannten Konsultationsverfahrens vom 10. März 1995, dem ein Briefwechsel der damaligen Innenminister Kanther und Mentese zugrunde liegt, zu Verhaftungen und Folter von abgeschobenen Asylsuchenden aus Deutschland gekommen ist.“ Der Niedersächsische Flüchtlingsrat und PRO ASYL haben soeben eine Dokumentation mit 11 Fällen allein aus dem Jahr 1998 vorgelegt, in denen nach der Abschiebung Inhaftnahme, Folter, Anklage beziehungsweise Verurteilungen nachgewiesen sind. Dafür stehen die in der Anlage beigefügten Berichte über die Fälle Abdulmenaf Düzenli, Hüzni Almaz, Mehmet Özcelik und Ibrahim Toprak. 
„Dabei besteht zu der Befürchtung Anlaß, daß die Zusammenarbeit zwischen türkischen und deutschen Behörden erst recht zur Gefährdung der betroffenen Personen beiträgt beziehungsweise beigetragen hat“, erklärte Kauffmann. 
PRO ASYL hat diese aktuelle Dokumentation dem Bundesinnenministerium und dem Außenministerium übermittelt und fordert die in dieser Woche tagenden Innenminister und Bundesaußenminister Joschka Fischer zu einer Überprüfung und Neubewertung der bundesdeutschen Türkeipolitik auf. 
Von den Innenministern fordert PRO ASYL ein Abschiebemoratorium, da Deutschland auch gegenüber den Asylsuchenden, denen kein Asyl gewährt werde, völkerrechtliche Schutzpflichten habe. Von Bundesaußenminister Joschka Fischer fordert PRO ASYL einen neuen Lagebericht unter Berücksichtigung und nach Untersuchung der vorgelegten Fälle zu erstellen und die EU-Ratspräsidentschaft zur Einberufung einer internationalen EU-Friedenskonferenz zur Lösung der Kurdenfrage in der Türkei zu nutzen. 
„Wenn Außenpolitik vor allem auch Friedens- und Menschenrechtspolitik ist, muß das im Verhältnis zu den Menschen und auch gegenüber Staaten deutlich werden, aus denen Tausende Monat für Monat wegen Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung zur Flucht gezwungen werden“, schloß Kauffmann. 

Anlage zur Presseerklärung von PRO ASYL vom 23. Februar 1999

4 von 11 recherchierten Fällen zur Rückkehrgefährdung von Kurden aus dem Jahr 1998

Der Kurde Abdulmenaf Düzenli wurde am 23. November 1998 vom Militärgericht Izmir wegen Desertion und Flucht ins Ausland zu 2 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt. Gleichzeitig ist gegen ihn ein Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht Diyarbakir anhängig, weil er mit seiner öffentlichen Kriegsdienstverweigerung (von Deutschland aus) gegen die Doktrin vom türkischen Einheitsstaat widersprochen hatte. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe wegen Separatismus. In seinem Asylverfahren waren von Düzenli vorgebrachte Beweise für das politische Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht vom VG Neustadt ohne Prüfung als gefälscht eingestuft worden.