Aus: Antifaschistische Informationen aus der Region Lüneburg/Uelzen
April ’99
Freiheit für Abdullah Öcalan!
APO, WIR STEHEN ZU DIR!
Arn Abend des 15. Februar wurde der Vorsitzende der Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) Abdullah Öcalan in einer geheimdienstlichen Aktion
von Kenia in die Türkei verschleppt. Durch dieses Komplott, für
das auch die USA und Israel verantwortlich sind, ist das Leben des PKK
Vorsitzenden nun in höchster Gefahr. Die Bilder, die die türkischen
Presseagenturen an die Medien in aller Welt schickten, lassen darauf schließen,
daß Abdullah Öcalan unter starkem Drogeneinfluß stand.
Weitere Foltermethoden sind nicht auszuschließen, ebensowenig seine
Ermordung. Anwaltsgespräche werden überwacht und sind sehr stark
eingeschränkt.
Der Angriff auf Abdullah Öcalan ist ein Angriff auf alle Kurdinnen
und Kurden, aller demokratischen und fortschrittlichen Menschen überhaupt.
Die völkerrechtswidrige Entführung ist ein terroristischer Akt!
Mit der Entführung Abdullah Öcalans beginnt eine neue Phase
des nationalen Befreiungskampfes in Kurdistan.
Die PKK kämpft seit 20 Jahren für die Befreiung Kurdistans und
gegen den türkischen Faschismus. Der nationale Befreiungskampf konnte
in dieser Zeit große Erfolge erzielen; er bewahrte die Menschen
in Kurdistan vor der Vernichtung und eröffnete eine Perspektive für
die Befreiung aller Völker des Mittleren Ostens. Der Vorsitzende
der PKK, Abdullah Öcalan steht von Anfang an an der Spitze
der kurdischen Befreiungsbewegung. Er symbolisiert wie niemand sonst das
Eintreten der PKK für den Sozialismus, Frauenbefreiung, Frieden und
das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Mittleren Osten. Die Entwicklung
der letzten 20 Jahre sind ohne den unermüdlichen Einsatz des PKK-Vorsitzenden
für diese Ziele undenkbar.
Diese sind auch die Gründe für das internationale Komplott gegen
die Person Abdullah Öcalan, das aber die kurdische Befreiungsbewegung
zum Ziel hat. Das internationale Komplott begann nicht erst am 15. Februar
in Kenia. Durch die aktuellen Ereignisse wird das Geschehen in den Monate
davor leider schnell vergessen. Ein Rückblick auf die Vorgeschichte
ist wichtig, um die Hintergründe richtig zu verstehen und zu bewerten.
In der Geschichte des nationalen Befreiungskampfes des kurdischen Volkes
stellt die Ankunft Abdullah Öcalans, im November 1998 in Italien
ein wichtiges Ereignis dar.
Der Weg nach Europa war eine bewußte Entscheidung Abdullah Öcalans
und schon in den ersten Tagen zeigten sich die Ergebnisse: Der türkische
Krieg, gegen das kurdische Volk wurde international wahrgenommen. Dazu
gehörte aber auch die Ausübung massiven Drucks seitens der USA
auf die italienische Regierung, um ein Ende des Aufenthaltes Abdullah
Öcalans in Italien und eine Auslieferung an die Türkei herbeizuführen.
In den Monaten vor der Reise nach Italien wurde das Komplott für
alle sichtbar. Die Dreierallianz USA-Israel-Türkei, die 1997 unter
Federführung der USA geschlossen worden war, hatte einen Plan entwickelt
mit dem Ziel, die kurdische Führungsspitze der PKK zu liquidieren
und damit den kurdischen Befreiungskarnpf zu vernichten. Sie waren auch
zu einem Krieg gegen Syrien, dem Aufenthaltsort Abdullah Öcalans
bereit.
Am 1. September 1998 verkündete die PKK einen einseitigen Waffenstillstand.
Die Antwort der Türkei war die Verstärkung des Terrors gegen
die kurdische Bevölkerung und Kriegsdrohungen gegen Syrien.
Umfangreiche Truppenverbände wurden an die Grenze zu Syrien verlegt
und Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer zusammengezogen. Von einem
dieser Schiffe sollte auch eine Rakete auf Abdullah Öcalan abgeschossen
werden. Dieser versuchte Mordanschlag wurde aber rechtzeitig von der PKK
erkannt und konnte vereitelt werden.
Zur Abwendung der Gefahr eines regionalen Krieges begab sich Abdullah
Öcalan über Moskau nach Europa. Damit machte er die kurdische
Frage in Europa in einem noch nie dagewesenen Ausmaß zum Thema und
beabsichtigte dadurch, Europa zum Handeln zu bewegen.
Die kurdische Frage und die menschenverachtende Politik der Türkei
stand nun im Mittelpunkt der Öffentlichkeit.
Von der Türkei und ihren Verbündeten wurde hingegen versucht,
die kurdische Frage auf ein „Terrorproblem“ und den „Fall Abdullah Öcalan“
zu reduzieren.
Die europäischen Nachrichten überschlugen sich. Doch im Mittelpunkt
der Berichterstattung standen nicht die Möglichkeiten einer friedlichen
Lösung des Konfliktes in Kurdistan und die Lage der Menschenrechte
in der Türkei, sondern die Spekulationen darüber, wie Italien
den „ungebetenen Gast“ auf schnellstem Wege wieder loswerden konnte.
Die Anwesenheit Abdullah Öcalans in Rom erinnerte die Europäer
an ihre Verantwortung für den Krieg in Kurdistan. Und so war auch
das laute Geschrei nach einer Anklage Abdullah Öcalans vor einem
internationalen Gericht schnell wieder verstummt. Solch ein Prozeß
wäre aber für die Herrschenden in der Ankara und ihre westlichen
Verbündeten (auch die BRD) in einem politischen Fiasko geendet. Schnell
hätte sich die Türkei auf der Anklagebank wiedergefunden. Tatvorwurf:
Völkermord. Hier wären dann peinliche Fragen nach der Rolle
der NATO-Bündnispartner, allen voran der USA und BRD, nicht mehr
weit gewesen. Der jetzt kommende Prozeß gegen Abdullah Öcalan
ist für sie natürlich bequemer und erspart ihnen die Wahrheit.
Der PKK-Vorsitzende jedoch hatte ein Konzept für eine friedliche
Lösung der kurdischen Frage mitgebracht, die er am 24. November in
Rom vorstellte. Die Antwort der Türkei bestand in einer Verschärfung
des Vorgehens vor allem gegen die legalen, auf der Grundlage des türkischen
„Rechts“ gegründeten kurdischen Organisationen und Institutionen
wie z.B. der HADEP (Demokratiepartei des Volkes), des Mesopotamischen
Kulturzentrums und der Tageszeitung Ülkede Gündem. Nach der
Entführung wurden diese Maßnahmen nochmals verschärft.
Tausende Menschen wurden verhaftet.
Italien versuchte, bei der Lösung der kurdischen Frage eine positive
Rolle einzunehmen. Zwar waren auch aus anderen europäischen Staaten
Stimmen zu vernehmen, die eine friedliche Lösung anmahnten, doch
letztendlich wurde Italien nicht weiter unterstützt und so die Chance
nicht genutzt. Die europäischen Staaten entwickelten keine eigenen
Aktivitäten.
Mitte Januar verließ Abdullah Öcalan Italien. Er sagte selbst:
„daß dies kein Schritt zurück sei, sondern damit werde die
Möglichkeit geschaffen für zukünftige Initiativen zur politischen
Lösung der kurdischen Frage.“ Er wollte zurückkehren, „wenn
die Bedingungen dafür genügend herangereift wären, um die
Phase des Kampfes mit einem gerechten und dauerhaften Frieden zu beenden.“
Durch die Entführung ist es dazu leider nicht mehr gekommen. Die
europäischen Regierungen müssen sich vorhalten lassen, daß
sie mitverantwortlich für das Komplott sind, durch ihr Desinteresse
und Nichtstun. Die militärischen, wirtschaftlichen und politischen
Verbindungen zur Türkei bewerteten sie höher, als die politische
Lösung der kurdischen Frage. An einer politischen Lösung verdienen
sie wahrscheinlich weniger und sie stünde ihren Interessen im Mittleren
Osten im Wege.
Die politische Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten wird entscheidend
von der USA beeinflußt. Mit allen Mitteln versuchen die USA, sich
die Kontrolle über die Region zu sichern.
Neben der Verfügungsgewalt über die Wasservorräte geht
es auch weiterhin um die Sicherung der Erdölquellen und anderer Bodenschätze.
Mächte wie der Iran, der Irak oder Syrien, die sich nicht dem US-Führungsanspruch
unterwerfen wollen und politische Eigenständigkeit zu wahren versuchen,
werden mehr oder weniger feindselig behandelt. In Südkurdistan (Nordirak)
sind die US-Geheimdienste äußerst aktiv. Die USA stützen
sich hier, wie so oft häufig, auf kollaborierende Marionetten-Regierungen.
In Südkurdistan ist dies vor allem die reaktionär-feudale KDP.
Die KDP oder auch die PUK sollen als Alternativen für eine „Zeit
nach Apo und der PKW aufgebaut werden. Nach einer Ausschaltung Abdullah
Öcalans und der PKK wäre das kurdische Volk einmal mehr zu einem
Spielball der USA und der Regionalmächte degradiert worden.
In diesem Zusammenhang stehen auch die Versuche hier, die kurdische Bevölkerung
in „gute Kurden“ (nicht PKK) und „böse Kurden“ (PKK) zu spalten und
das ständige Gerede über Alternativen zur PKK.
Die Entwicklung in der Türkei in den letzten 15 Monaten sprechen
für sich. Das Land hat zwei Regierungen gehen sehen, es steckt in
ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten - allein im letzten Quartal 1998
wurden in der Türkei eine Millionen ArbeiterInnen entlassen, die
Produktion und der Außenhandel nahmen ebenso wie die Kaufkraft ab,
die Inflation stieg weiter - und der Staat und die politische Klasse scheinen
nicht fähig zu sein, politische Reformen einzuleiten. Die politische
Klasse der Türkei bietet einen verkommenen Anblick. Seien es Ausfälle
höchster Regierungsvertreter gegenüber dritten Staaten (wie
z. Z. gegen Griechenland), seien es die allgemeinen politischen Umgangsformen
in der Türkei, sei es die Durchdringung des Staates durch Mafiabanden
- all dies sind Symptome des Niedergangs.
Woran auch der momentan Freudentaumel, nach der Verhaftung Abdullah Öcalan
nichts ändern kann. Die Türkei ist nur durch Unterstützung
ihrer NATO-Partner noch lebensfähig.
Und auch im Krieg gegen das kurdische Volk konnte die Türkei keine
größeren Erfolge erzielen.
Türkische Truppen sind mittlerweile dauerhaft in Südkurdistan
stationiert und versuchen dort, die Guerilla stärker zu binden, sowie
die KDP zu stützen. Desweiteren wurde in den letzten 17 Monaten mit
viel Propaganda zum x ten Male das Ende der PKK verkündet. Diese
Versuche der
psychologischen Kriegsführung stimmen mit der militärischen
Situation aber nicht überein und sind auch nichts Neues. Zudem ist
der Versuch, die kurdischen Parteien Nordkurdistans gegeneinander auszuspielen
nicht gelungen. Vielmehr kam es zu Bildung einer gemeinsamen nationalen
Plattform, der sechs Organisationen angehören.
Seit Gründung des türkischen Staates 1923 ist das kurdische
Volk ständigen Massakern ausgesetzt. Entgegen der vorher getroffenen
Absprache, der Bevölkerung in den kurdischen Gebieten weitgehende
Autonomie zu gewähren, begann die Ätatürk-Regierung das
kurdische Volk zu liquidieren. Die kurdische Sprache wurde verboten, Dörfer
umgesiedelt, um die bestehenden sozialen und politischen Strukturen zu
zerschlagen.
Seit 1984 führt das Militärregime einen offenen Krieg in Kurdistan.
Die Waffen und das Militärarsenal dafür werden vorrangig aus
der BRD geliefert. Mehr als 30.000 Tote sind in diesem Krieg bis jetzt
zu beklagen. Fast 4.000 kurdische Dörfer wurden von den Soldaten
verbrannt, etwa 5 Millionen Menschen zur Flucht getrieben. Frauen werden
sexuell belästigt und nicht seiten vor den Augen ihrer Angehörigen
vergewaltigt. Menschen werden auf offener Straße von der Gendamerie
entführt oder verschwinden im Polizeigewahrsam. Viele von ihnen tauchen
nie wieder auf, andere werden mit Folterspuren am ganzen Körper tot
aufgefunden.
In der Nacht zum 16. Februar erreichte das internationale Komplott gegen
den Präsidenten des kurdischen Volkes seinen vorläufigen Höhepunkt.
Seitdem dies bekannt geworden ist, ist das kurdische Volk in Bewegung
und führt weltweit Protestaktionen durch. Spontan wurden unter anderem
Botschaften, Konsulate und Parteibüros besetzt. In der Türkei
und Kurdistan fanden ebenfalls Demonstrationen und andere Aktionen statt.
So wurden z. B. mehrere 100 Anschläge in der Türkei verübt.
Außerdem sind hunderte politische Gefangene in den Hungerstreik
getreten.
In Berlin wurden am 17. Februar die Kurdin Sema Alp und die drei Kurden
Ahmet Acar, Sinan Karakus und Mustafa Kurt vor dem israelischen Konsulat
ermordet. Israelische Sicherheitsbeamte schossen wahllos in eine Gruppe
demonstrierender Kurdinnen und Kurden.
Die Kurdinnen und Kurden, die hier in der BRD gegen die Entführung
Abdullah Öcalans protestieren, werden kriminalisiert, verhaftet und
abgeschoben. In den Medien werden sie als Angst machende, Gewalt ausübende
und bedrohliche Masse dargestellt. Die ersten Proteste nach der Entführung
waren sehr spontan und sehr emotional. Nur wer menschliche Empfindungen
nicht versteht, kann die Reaktionen der Kurdinnen und Kurden als kriminell
bezeichnen.
Die BRD ist nicht das unschuldige „Opfer“ des „Kurdenterrors“. Sie unterstützt
den seit 15 Jahren andauernden Krieg gegen das kurdische Volk ökonomisch,
militärisch und politisch. Deswegen ist die BRD mitverantwortlich
an dem Völkermord in Kurdistan.
Jetzt muß alles unternommen werden, um das Leben von Abdullah Öcalan
zu schützen. Abdullah Öcalan muß sofort freigelassen werden,
um bei einer internationalen Kurdistan-Konferenz für Frieden und
Freiheit für die Menschen in Kurdistan und in der Türkei eintreten
zu können.
Die Türkei ist entschlossen, Abdullah Öcalan hinzurichten, wie
sie es mit allen kurdischen Führern in den letzten Jahrzehnten gemacht
hat.
Auch nach der Entführung des Präsidenten des kurdischen Volkes
geht der Kampf für ein freies Kurdistan weiter. Für das kurdische
Volk geht es um Sein oder Nichtsein. Das kurdische Volk ist entschlossen,
den Kampf fortzusetzen und noch zu verstärken und kämpft nun
auch für das Leben ihres Repräsentanten.
Das Jahr 1999 ist das Jahr Abdullah Öcalans und Newroz (21.3.’99)
war als ein Anfang dieses Jahres zu sehen. Die PKK rief alle revolutionären
und fortschrittlichen Kräfte auf, demgegenüber Stellung zu beziehen.
Diesem Aufruf schließt sich die Antifaschistische Aktion Lüneburg
/ Uelzen an und kündigte an, auch weiterhin Solidaritätsaktionen
durchzuführen. Neben der Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen
hat die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen drei Veranstaltungen
zur Entführung Abdullah Öcalans in Lüneburg, Uelzen und
dem Wendland durchgeführt. Selbstverständlich wird die Antifaschistische
Aktion Lüneburg / Uelzen auch weiterhin solidarisch an der Seite
des kurdischen Volkes, ihrer Organisationen und Abdullah Öcalan stehen
und ruft alle auf, sich daran zu beteiligen!
Es lebe der Vorsitzende Apo!
Freiheit und Frieden für Kurdistan!
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