Faires Verfahren für Öcalan?
Verteidiger: Viele Verstöße
Von Edgar Auth
Der türkische Anwalt Ahmet Zeki Okcuoglu beklagt gravierende Behinderungen
und fehlende Rechtsstaatlichkeit im Verfahren gegen seinen Mandanten, den
in die Türkei verschleppten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan.
Zugleich fordert eine internationale Initiative angesehener Persönlichkeiten
die Freilassung Öcalans und ein internationales rechtsstaatliches
Verfahren gegen ihn.
Öcalans Verteidiger Okcuoglu hat in einem langen Brief an Staatspräsident
Suleyman Demirel die Mängel im Verfahren gegen Öcalan zusammengestellt.
Er verlangt eine Garantie für die Sicherheit des Lebens der Öcalan-Anwälte.
Bislang sei es ihm nicht gelungen, die für die Verteidigung notwendige
notarielle Vollmacht zu erlangen, schreibt Okcuoglu. Die zuständige
Generalstaatsanwaltschaft von Mudanya habe die Teilnahme eines Notars am
ersten Anwaltsgespräch mit Öcalan verweigert und mitgeteilt,
dies falle in die Zuständigkeit eines „Krisenstabs“. Auf die Frage,
wo sich dieser befinde, habe die Anklagebehörde mitgeteilt: „Das weiß
ich nicht“.
Ein Bruch türkischen Rechts ist es nach Okcuoglus Meinung auch,
daß Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali auf militärischem
Gebiet inhaftiert ist. Das Gesetz schreibe vor, Gefangene unter Aufsicht
des Justizministeriums zu stellen. Es gebe in der Türkei auch sichere
Orte, wo dies möglich sei. Öcalan habe ihm gesagt, daß
er völlig von der Außenwelt abgeschnitten sei, weder Radio noch
Zeitungen oder Briefe empfangen könne. Auch dies schränke das
Recht auf Verteidigung ein.
Die Ermittlungen des Staatssicherheitsgerichts unterliegen nach Okcuoglus
Angaben der Geheimhaltung. Dieses Verfassungsprinzip sei aber sogar durch
Staatsanwälte „im Kern“ verletzt worden, die öffentliche Erklärungen
zum Fall Öcalan abgegeben hätten. Rechtswidrigerweise griffen
die Behörden hier nicht ein. „Es ist gesetzlich verboten, Behauptungen
aufzustellen, die ... geeignet sind, die freie Willensbildung der Richter
... zu beeinflussen“, fährt der Anwalt in dem der FR vorliegenden
Schrieben fort. Öcalan aber werde in sämtlichen Medien
vorverurteilt, obwohl er derzeit nur als Verdächtiger zu gelten hätte.
Verletzt sieht Okcuoglu auch das Recht auf den geheimen und ungehinderten
Kontakt eines Angeklagten mit seinen Anwälten. In bestimmten Fällen
könne ein Richter zugezogen werden. Im Fall Öcalan aber habe
der zugezogene Richter die Funktion gehabt, Gespräche zwischen Anwälten
und Beschuldigtem zu unterbinden. Daß - wie berichtet - zwei maskierte
Angehörige des „Amts für spezielle Kriegsführung“ bei dem
Treffen zugegen waren nennt Okcuoglu eine „schwere Rechtsverletzung“.
Die türkische Botschaft in Bonn hatte es dagegen kürzlich
als „wahrheitswidrig“ bezeichnet, wenn behauptet werde, daß Anwälte
nicht mit Öcalan sprechen dürften. Diese müßten sich
nur an die zuständige Staatsanwaltschaft wenden. Generell sei die
türkische Justiz „absolut und bedingungslos unabhängig“. Zugleich
kündigte die Vertretung der Türkei an, die Festnahme Öcalans
werde es ermöglichen, die „Kollaboration ausländischer Kreise“
mit der PKK und deren Anteil unter anderem an Geldern aus dem Drogenhandel
„vor Gericht zu bringen“.
Dagegen meint eine internationale Initiative „Freiheit für Abdullah
Öcalan/ Frieden in Kurdistan“, „vor dem türkischen Gericht ist
kein ,fair trial’ denkbar“. Sie fordert „ein rechtsstaatliches Verfahren
für Öcalan vor einem internationalen Gerichtshof“. Zu ihr gehören
die deutschen Professoren Elmar Altvater, Helmut Dahmer, Uwe Jens Heuer,
Roland Mönch, Wolf-Dieter Narr, Norman Paech, Werner Ruf, Gerhard
Stuby und Jürgen Waller; ferner die Nobelpreisträger Adolfo Perez
Esquivel, Dario Fo, Mairead Maguire, Jose Ramos Horta und Jose Saramago
sowie Danielle Mitterrand (Stiftung France Liberté), die italienische
Künstlerin Gianna Nannini und der Brite Tony Benn.