Warum Initiative für Öcalan?
Danielle Mitterrand
Die Witwe des früheren französischen Präsidenten engagiert
sich mit ihrer Stiftung France Liberte’ für Abdullah Öcalan und
das kurdische Volk.
F. Sie beteiligen sich an einer internationalen Initiative «Freiheit
für Öcalan / Frieden in Kurdistan«. Was möchten Sie
damit konkret erreichen?
Der Frieden in Kurdistan ist für uns ein Teil des Friedens in
der Welt. Um ihn zu erreichen, müssen all jene ihre Stimme erheben,
die sich für diesen Frieden einsetzen. Wir erfahren immer wieder,
daß vor allein das Geld, der wirtschaftliche Vorteil die Politik
der Regierungen diktiert. Dagegen wenden wir uns nicht nur,
aber jetzt vor allem auch in Kurdistan, wo seit 18 Jahren ein Bürgerkrieg
tobt. Wir möchten die europäischen Regierungen auf ihre Verantwortung
hinweisen. Keiner soll sagen können, er wisse nicht Bescheid. Unsere
Initiative will informieren und aufrütteln. Auch in Kurdistan entscheidet
sich, wie die Menschheit ins 21. Jahrhundert eintritt. Wir wollen dafür
wirken, daß die Kurden innerhalb anerkannter Grenzen leben können,
daß das kurdische Volk seine Identität bewahren kann. Das gehört
für uns zu den Maßstäben des 21. Jahrhunderts.
F. Bisher hat sich die Türkei nur wenig von Aktivitäten im
Ausland beeindrucken lassen. Woraus schöpfen Sie die Hoffnung, jetzt
mehr zu erreichen?
Wir wenden uns an Nicht-Regierungs-Organisationen und Regierungen.
Von den Regierungen verlangen wir, daß sie gegenüber der Türkei
nicht länger ihre wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellen,
sondern die Menschenrechte. Und die Nicht-Regierungs-Organisationen sollen
die öffentliche Meinung mobilisieren.
F Neben der Unterstützung des Kampfes der Kurden fordern Sie die
Freilassung, Abdullah Öcalans, obwohl ihm in verschiedenen europäischen
Ländern terroristische, Verbrechen vorgeworfen werden ...
Auch mir ist Terrorismus vorgeworfen worden, als ich während der
faschistischen Besatzung in Frankreich gegen das
Vichy-Regime kämpfte. Ich habe keine Gewalt angewandt, aber andere
taten es, weil es keine andere Möglichkeit gab. Öcalans Freilassung
fordern wir aus prinzipiellen Gründen. Er wurde in krasser Verletzung
der Völkerrechts verhaftet, unwürdig behandelt und gehört
nicht in ein türkisches Gefängnis. Selbstverständlich muß
er für sein Tun Verantwortung übernehmen, aber die eigentlichen
Terroristen in Kurdistan sind. Die Angehörigen der türkischen
Armee. Das Land lebt seit Jahrzehnten im Belagerungszustand. Wenn wir für
den Frieden eintreten wollen, dann muß vor allem der Staatsterrorismus
der Türkei, ein Ende haben.
F Sie wollen also durch Ihre Forderung nach Freilassung Öcalans
auf die verzweifelte Lage der Kurden in der Türkei aufmerksam machen?
Uns geht, es vor allem um die kurdische Bevölkerung. Wir wollen
dafür wirken, daß ihr Martyrium bald ein Ende hat. Öcalan
hat unter Bedingungen gehandelt, die wir nicht vergessen dürfen: 4000
Dörfer wurden zerstört, Tausende erlitten Folter oder sind verschwunden,
das kurdische Volk hat keine. Rechte, seine Abgeordneten werden verfolgt.
Selbst Öcalans Anwälte sind verhaftet worden, einige sogar ermordet.
Das alles sind Untaten der türkischen Regierung. Wenn sie eines Tages
dafür gerade stehen muß, dann wird sich auch Öcalan für
das rechtfertigen, was er getan hat.
Gespräch: Peter Richter