Öcalan-Anklage enthält Vorwürfe gegen Athen
Türkische Zeitungen veröffentlichten Teile der Anklageschrift
gegen den Kurdenführer.
Von unserem Mitarbeiter Jan Keetmann
ISTANBUL. Türkische Zeitungen haben am Donnerstag Teile der Anklageschrift
gegen den Chef der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan,
zitiert. In dem 139seitigen Papier, das am Mittwoch dem heute, Freitag,
erstmals in der Causa Öcalan zusammentretenden Staatssicherheitsgericht
vorgelegt wurde, werden Geschichte und Ziele der PKK behandelt. Sollte
Öcalan schuldig gesprochen werden, droht ihm die Todesstrafe.
Außerdem werden in dem Papier Vorwürfe gegen andere Länder
erhoben - insbesondere gegen Griechenland. Abgeordnete der in Athen regierenden
Pasok-Partei hätten der PKK geholfen. Militante seien in Griechenland
ausgebildet und in die Türkei eingeschleust worden.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, einen „auf der Ideologie des Marxismus-Leninismus
beruhenden unabhängigen kurdischen Staat“ gründen zu wollen.
Dazu habe er seit 1972/73 Menschen organisiert, „denen er einredete, daß
sich in einem Teil des Landes eine ganz andere kurdische Rasse befinde
und daß diese von dem herrschenden türkischen Staat kolonialisiert,
unterdrückt und getötet wird“.
Kritik an Haftbedingungen
Die Anklageschrift verweist hingegen darauf, daß alle Einwohner
der Türkei die gleichen Rechte hätten. Genannt wird auch &&p
3 der Verfassung, wonach der türkische Staat eine untrennbare Einheit
bilde und seine Sprache das Türkische sei.
Durch die Angriffe der PKK seien 4472 Zivilisten, 3847 Soldaten und
247 Polizisten getötet sowie über 16.000 Menschen verwundet worden.
Der Anwalt von Abdullah Öcalan, Ahmet Zeki Okcuoglu, kritisierte gegenüber
der „Presse“ die Haftbedingungen Öcalans und die Umstände der
Verteidigung. Der PKK-Chef sei trotz anderslautender Versicherungen der
Türkei völlig von der Außenwelt isoliert. Er werde auf
kleinem Raum gefangengehalten. Öcalan sei gesund, habe aber beim ersten
Besuch der Anwälte unter Drogen gestanden.
Ankara erklärte unterdessen, offizielle Beobachter - wie etwa
ein Vertreter Amnesty internationals - dürften am Prozeß nicht
teilnehmen.