Fünf Polizisten bei Kurdendemonstration in Istanbul verletzt
Ankara (AP) In mehreren türkischen Städten ist es auch am
Samstag wieder zu teilweise gewaltsamen Demonstrationen gegen
die Inhaftierung des Chefs der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah
Öcalan, gekommen. Bei einem Protestmarsch in
einem mehrheitlich von Kurden bewohnten Vorort Istanbuls sollen nach
Angaben der halbamtlichen Nachrichtenagentur
Anatolia Demonstranten auf Polizisten geschossen haben. Dabei seien
fünf Beamte verletzt worden, meldete Anatolia. Eine
offizielle Bestätigung dafür lag nicht vor. Istanbuls Polizeipräsident
hatte zuvor seinen Beamten die Erlaubnis erteilt,
demonstrierenden Öcalan-Anhängern in die Füße
zu schießen. Die Busse der Istanbuler Verkehrsbetriebe wurden am
Samstag
von Polizisten in Zivil gesteuert.
Samstag 20. Februar 1999, 19:09 Uhr
Tausende Kurden demonstrierten in Genf
Keine Zwischenfälle - Brandanschläge in Basel
Genf (AP) In Genf haben am Samstag mehrere tausend Kurden für eine
Freilassung von PKK-Chef Abdullah Öcalan
demonstriert. Mehrere hundert Polizisten sicherten den Sitz der Vereinten
Nationen und die Innenstadt ab. Es kam zu keinen
Zwischenfällen. Die 3.000 bis 4.000 Demonstranten forderten lautstark
die Freilassung des Kurdenführers und riefen: «Ohne
Öcalan kein Kurdistan». Beim Genfer Hauptbahnhof wurde eine
türkische Fahne verbrannt.
In Basel wurden in der Nacht zum Samstag erneut Brandanschläge
gegen Türken verübt. Gegen zwei türkische Lastwagen
wurden Brandsätze geworfen, vor einem türkischen Lebensmittelgeschäft
deponierten Unbekannte einen brennenden
Benzinkanister. Verletzt wurde niemand.
Samstag 20. Februar 1999, 17:08 Uhr
Verfassungsschutz warnt vor Ausweitung der Gewalt
Zahlreiche Demonstrationen von Kurden - Schily kritisiert Verfassungsschutz und Polizei
Frankfurt/Main (AP) Nach den militanten Kurdenprotesten hat das Bundesamt
für Verfassungsschutz die Bundesregierung vor
einer Ausweitung der Gewalt gewarnt. Ein Behördensprecher sagte
am Samstag in Köln auf Anfrage, vor allem Übergriffe auf
amerikanische und israelische Einrichtungen seien nicht auszuschließen.
Gleichzeitig zeichne sich jedoch ab, daß die
PKK-Zentrale ihre Anhänger zu Mäßigung aufrufe. In
mehreren Städten versammelten sich am Samstag unter starkem
Polizeiaufgebot insgesamt mehr als 16.000 Kurden zu Demonstrationen,
die vorerst friedlich verliefen. In Stuttgart wurden 15
Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Allein in Bonn zogen rund 7.000 Kurden durch die Innenstadt, nahe der
israelischen Botschaft wurde ein Kranz niedergelegt. In
Bielefeld nahmen rund 5.000 Demonstranten an einer Kundgebung vor dem
Rathaus teil. In Stuttgart gingen trotz
Demonstrationsverbots rund 3.000 Menschen auf die Straße. In
Mannheim versammelten sich etwa 1.500 Kurden zu einer von
linken Gruppen angemeldeten Kundgebung. In Bochum beteiligten sich
rund 200 Menschen an einem Demonstrationszug.
Bei zwei Brandanschlägen auf türkische Einrichtungen entstand
in Schweinfurt 50.000 Mark Sachschaden. Ziel der zeitgleichen
Anschläge waren in der Nacht ein islamisches Kulturzentrum und
das Büro eines türkischen Geschäftsmannes.
Bundesinnenminister Otto Schily warf unterdessen Verfassungsschutz und
Polizei vor, unzureichend über die Aktionen der
PKK informiert gewesen zu sein. Es sei ein «sehr bedrohlicher
Zustand», daß sich die Kurden konspirativ gegen die Behörden
hätten abschotten können. In der «Welt am Sonntag»
setzte sich der SPD-Politiker für verbesserte Abschiebungsmöglichkeiten
ein. Er betonte jedoch, die Regierung werde
niemanden in ein Land abschieben, in dem ihm Folter oder die Todesstrafe
drohe.
Die Opposition übte weiter Druck auf die Bundesregierung aus, einen
schärferen Kurs in der Ausländerpolitik einzuschlagen.
Die Union legte laut «Bild am Sonntag» einen Vier-Punkte-Plan
vor, der vor allem die Abschiebung von Straftätern erleichtern
soll. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle forderte Bundesaußenminister
Joschka Fischer im selben Blatt auf, unverzüglich
in die Türkei zu reisen. Dort solle er mit seinem Kollegen rechtsstaatliche
Zusicherungen vereinbaren, damit Gewalttäter auch
ohne Gerichtsverfahren sofort abgeschoben werden könnten.
Die Sprecherin der PKK in Europa, Mesgin Sen, kündigte in der «Welt
am Sonntag» eine Ausweitung des «Kriegs» auf
türkische Städte an. Demselben Blatt sagte der türkische
Verteidigungsminister Hihmet Sami Türk, er rechne nach der
Verhaftung Öcalans mit einem Ende des «Terrors».
Israelische Wachleute in Heimat ausgeflogen
Ein Sprecher des Verfassungsschutzamts dementierte einen Bericht des
Nachrichtenmagazins «Der Spiegel», wonach seine
Behörde auf die Möglichkeit von Bombenanschlägen und
Flugzeugentführungen hingewiesen habe. Auch von Befehlen zu
gemeingefährlichen Selbstmordattentaten sei nichts bekannt.
Die kurdische Gemeinde in Berlin teilte unterdessen mit, daß ein
Trauermarsch für die am Mittwoch beim Sturm auf das
israelische Generalkonsulat getöteten Kurden abgesagt worden sei.
Die zwei israelischen Wachleute, die an der Erschießung
der Kurden beteiligt gewesen sein sollen, wurden inzwischen in ihre
Heimat ausgeflogen.
Samstag 20. Februar 1999, 18:11 Uhr
Tausende Kurden demonstrierten für Öcalan
Bonn/Ankara - In mehreren deutschen Städten haben am Samstag Tausende
Kurden ihre Solidarität mit dem in der Türkei inhaftierten Chef
der Kurden-Guerilla
PKK, Abdullah Öcalan, demonstriert. In Bonn marschierten rund
7000 Menschen zur israelischen Botschaft, um der drei Kurden zu gedenken,
die am Mittwoch bei
der Erstürmung des israelischen Konsulats in Berlin erschossen
wurden. Ein Großaufgebot der Polizei begleitete die Demonstration.
In Schweinfurt wurden zwei
Brandanschläge verübt. Kundgebungen gab es auch in Stuttgart
und Bochum. Die türkische Regierung rief die PKK auf, ihren bewaffneten
Kampf für einen
Kurdenstaat aufzugeben. Überläufern stellte sie eine Teilamnestie
in Aussicht.
In Bonn und Stuttgart, wo 3000 Menschen demonstrierten, verliefen die
Proteste friedlich. Sämtliche Zufahrtsstraßen zur israelischen
Botschaft in Bonn
Bad-Godesberg waren durch mehreren Reihen mit Polizeifahrzeugen abgesperrt.
Auch im gesamten übrigen Stadtgebiet waren Mannschaftswagen stationiert.
An
der Spitze des Demonstrationszuges trugen Öcalan-Anhänger
überlebensgroße Porträts des Guerilla-Chefs. In Sprechchören
riefen die Demonstranten, darunter
auch Kinder und alte Leute, Parolen des kurdischen Unabhängigkeitskampfes.
Am Eingang der Botschaft brachten die Kundgebungsteilnehmer ein Transparent
mit
der Aufschrift an: "Wir sind Menschen, wir wollen leben wie Menschen."
Auch anti-israelische Sprechchöre wie "Mörder Israel" wurden
bei der Bonner Kundgebung gerufen. Israelische Sicherheitskräfte hatten
in Berlin zwei Männer und
eine Frau erschossen, als diese mit mehreren hundert weiteren Demonstranten
versucht hatten, das Generalkonsulat des Staates zu besetzen. Der israelische
Geheimdienst Mossad soll unbestätigten Berichten zufolge die Türkei
bei der Fahndung nach Öcalan unterstützt haben.
Sprecher der Demonstranten forderten die strafrechtliche Verfolgung
der israelischen Todesschützen. "Diese Mörder müssen von
der deutschen Gerichtsbarkeit
verurteilt werden", sagte ein Sprecher. Nach Angaben aus israelischen
Botschaftskreisen befinden sich die Wachleute nicht mehr in Deutschland.
In Stuttgart versammelten sich die Demonstranten auf dem Schloßplatz
in der Innenstadt zu einer Kundgebung. Die Polizei gab an, 30 Menschen
vorbeugend
festgesetzt zu haben. In Bochum protestierten rund 150 Menschen. In
Berlin verboten die Behörden eine Solidaritätsdemonstration der
Kurden. Um Kundgebungen
zu verhindern, wurden mehrere tausend Polizisten und Bundesgrenzschutz-Beamte
aus mehreren Bundesländern aufgeboten.
In Schweinfurt wurden in der Nacht zum Samstag nach Polizeiangaben zeitgleich
zwei Brandanschläge auf die Büros des islamischen Kulturvereins
und eines
türkischen Geschäftsmannes verübt. Unbekannte warfen
den Angaben zufolge Kanister mit einer Lunte gegen das Schaufenster des
Kulturvereins, das aber nicht
zerstört wurde. In das Geschäft des türkischen Versicherungs-
und Finanzdienstleisters sei ein Brandsatz geworfen worden. Dort habe das
Feuer Sachschäden
angerichtet, sei von alarmierten Polizisten aber schnell gelöscht
worden. Die Fahndung nach den Tätern sei bislang erfolglos geblieben.
Auch in Istanbul kam es in der Nacht zum Samstag zu mehreren Anschlägen.
Nach Meldungen der Agentur Anatolien warfen Unbekannte Schaufenster ein
und
schleuderten Brandsätze in die Gebäude. Ein Angriff habe
sich gegen ein Gebäude der regierenden Demokratischen Linkspartei
gerichtet. 15 Demonstranten seien
festgenommen worden. Personen kamen den Informationen zufolge bei den
Anschlägen nicht zu Schaden.
In Ankara forderte Ministerpräsident Bülent Ecevit die Kämpfer
der PKK auf, ihre Waffen niederzulegen und sich zu ergeben. Er habe in
allen Parteien
Unterstützung für ein Gesetz, das nach den Parlamentswahlen
im April verabschiedet werden solle und geringere Strafen für jene
Rebellen vorsehe, die reumütig
seien, sagte Ecevit vor Journalisten. Wer kapituliere, werde von dem
neuen Gesetz profitieren. Ähnlich hatte sich am Vortag bereits Präsident
Süleyman Demirel
geäußert. Parallel zu der angekündigten Teilamnestie
geht die türkische Regierung nach Angaben von Menschenrechtsgruppen
aber weiter hart gegen Mitglieder der
legalen Kurden-Partei Hadep vor. In den vergangenen Tagen sollen mehrere
hundert Hadep-Angehörige festgenommen worden sein.
Öcalan war in der Nacht zum Dienstag in der kenianischen Hauptstadt
Nairobi unter ungeklärten Umständen dem türkischen Geheimdienst
in die Hände gefallen. In
einem Flugzeug wurde er in die Türkei verschleppt, wo ihm ein
Prozeß wegen Hochverrates mit der Todesstrafe als Höchststrafe
droht.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat unterdessen Mängel bei
der Beobachtung der PKK durch die deutschen Sicherheitsbehörden eingeräumt.
Schily sagte
dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" nach einem am Samstag veröffentlichten
Vorabbericht: "In der Voraufklärung gibt es Defizite." Daß sich
die PKK bei der
Vorbereitung ihrer Aktionen konspirativ gegen Polizei und Verfassungsschutz
abschotten konnte, sei ein "sehr bedrohlicher Zustand". Die Bundesregierung
werde
intensiv darüber nachdenken, wie die Informationsgewinnung verbessert
werden könne.
Samstag 20. Februar 1999, 16:30 Uhr
Kurden demonstrierten in Amsterdam gegen Entführung Öcalans
Amsterdam (AP) Rund 3.000 Kurden haben am Samstag in Amsterdam friedlich
gegen die Entführung und Gefangennahme des PKK-Vorsitzenden Abdullah
Öcalan protestiert. Die Demonstranten zogen etwa eine Stunde durch
das Zentrum der niederländischen Hauptstadt und forderten die Freilassung
Öcalans. Sie
beschuldigten die USA und Israel, bei der Entführung Öcalans
von Kenia in die Türkei ihre Hände im Spiel gehabt zu haben.
In einer von der Nationalen Volksfront
Kurdistans veröffentlichten Erklärung hieß es, Öcalan
sei Opfer einer internationalen Verschwörung geworden. Der Verkehr
in der Amsterdamer Innenstadt kam
teilweise zum Erliegen. Die Polizei verwehrte den Demonstranten, vor
das US-Konsulat zu ziehen.
Samstag 20. Februar 1999, 15:25 Uhr
USA halfen angeblich bei der Festnahme Öcalans
Washington (dpa) - Die USA haben der Türkei nach Angaben von US-
Beamten bei der Festnahme des Kurdenführers Öcalan geholfen.
Wie die New York Times
heute berichtete, wurde Öcalan in seinem Zufluchtsort, der griechischen
Botschaft in Nairobi, von amerikanischen Ermittlern entdeckt und abgehört.
Sie hätten dann
türkischen Kommandos die Chance gegeben, Öcalan mit der Hilfe
kenianischer Sicherheitsbeamter zu ergreifen. Regierungssprecher in Washington
hatten versichert,
daß es keine direkte Beteiligung der USA gegeben habe.
Samstag 20. Februar 1999, 13:48 Uhr
Gewaltsame Proteste gegen Verhaftung Öcalans in Rom
Rom (AP) Aus Protest gegen die Verhaftung von PKK-Chef Abdullah Öcalan
haben italienische Jugendliche am Samstag das Büro der türkischen
Fluggesellschaft
Turkish Airlines in Rom in Brand gesetzt. Die Polizei löste die
Protestaktion an der Piazza della Repubblica unter Einsatz von Tränengas
auf; die Feuerwehr löschte
den Brand. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete,
hatten die mit Knüppeln bewaffneten Jugendlichen zuvor an einem Protestmarsch
gegen die
Festnahme Öcalans teilgenommen.