Wien · Nur zwölf Sitzplätze pro Tag stehen ausländischen „Zuschauern" bei der Gerichtsverhandlung gegen Kurdenführer Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer zur Verfügung. Die Prozeßeröffnung am 31. Mai wird u. a. der österreichische Europarats-Abgeordnete Walter Schwimmer (ÖVP) als „stiller Beobachter" verfolgen.
Der Hochverrats-Prozeß gegen den PKK-Chef könnte indes schon nach der ersten Verhandlung wieder vertagt werden. Die Verteidiger Öcalans wollen dies beim zuständigen Staatssicherheitsgericht beantragen, wie die türkische Presse am Donnerstag berichtete.
Anlaß sind Pläne der neuen Regierungskoalition in Ankara, die Staatssicherheitsgerichte zu reformieren. Der außenpolitische Sprecher der europäischen Sozialdemokraten im Europaparlament, Hannes Swoboda (SPÖ), begrüßte die Ankündigungen des türkischen Staatspräsidenten Demirel und des Premiers Bülent Ecevit zu einer Reform.
Den Gerichten gehört bisher jeweils ein Militärrichter an, was unter anderem vom Europarat mehrmals kritisiert worden ist. In Zukunft sollen bei den Staatssicherheitsgerichten nur noch zivile Richter Urteile fällen; für die Reform ist eine Verfassungsänderung nötig. Die Entscheidung darüber, ob der Öcalan-Prozeß aufgrund der Reformpläne unterbrochen wird, liegt aber allein beim Gericht selbst.
Wiener Zeitung, 28.5.99