Öcalan-Anwälte boykottieren vierten Prozeßtag
Urteil möglicherweise schon in der nächsten Woche
Imrali (AP)
Aus Protest gegen ihre Behandlung haben die Anwälte des PKK-Führers Abdullah Öcalan am Donnerstag die Gerichtsverhandlung auf der Insel Imrali boykottiert. Die Verteidiger riefen die Behörden auf, mehr für ihre Sicherheit zu tun, nachdem sie am Mittwoch vor ihrem Hotel auf dem türkischen Festland von Demonstranten bedrängt worden waren. Öcalan nutzte den vierten Prozeßtag, um erneut zu einer friedlichen Lösung des Kurdenkonflikts aufzurufen.
«Ich möchte, daß meine Botschaft für Frieden und Brüderlichkeit beachtet wird», sagte Öcalan am Donnerstag dem Gericht. Die Führung der Kurdischen Arbeiterpartei hat erklärt, daß sie das Friedensangebot ihres Vorsitzenden unterstütze, aber bei einer Ablehnung seitens der türkischen Regierung auch zur Fortsetzung des bewaffneten Kampfes bereit sei. Das Parteipräsidium der PKK erklärte am Mittwoch nach Mitteilung des Kurdistan-Informationszentrums: «So wie wir 15 Jahre gekämpft haben, so können wir wenn notwendig nochmals den gleichen Zeitraum kämpfen und haben hierfür sämtliche notwendigen Vorkehrungen getroffen.»
Der Vorsitzende Richter wies am Mittwoch Verteidigung und Anklage überraschend
dazu an, ihre Schlußplädoyers vorzubereiten. Der Anwalt Cengiz
Erkoyuncu, der die Familien von der PKK getöteter Soldaten vertritt,
sagte, das Urteil könnte bereits am 11. Juni verkündet werden.
Vertreter von Menschenrechtsorganisationen kritisierten die rasche Abwicklung
des Prozesses. Ein Vertreter des New Yorker Anwaltskomitees für Menschenrechte
sagte, das schnelle Verfahren stelle die Unschuldsvermutung des Gerichts
infrage. Der PKK-Chef war nach dem Verlust seines Stützpunkts in Syrien
mehrere Monate lang auf der Flucht, ehe er im Februar in einer Geheimdienstaktion
in Kenia festgenommen und in die Türkei gebracht wurde. In dem Prozeß
droht Öcalan die Todesstrafe, die seit 1984 nicht mehr vollstreckt
wurde.