sz, 24.6.
Öcalan verzichtet auf eigenen Kurdenstaat Bonn will Vollstreckung eines möglichen Todesurteils gegen PKK-Führer verhindern Imrali/Bonn (AFP/AP) - Der Vorsitzende der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, hat nach eigenen Worten das Ziel aufgegeben, einen eigenen Kurdenstaat zu gründen. Die Kurden wollten in der Türkei ihren Platz finden, sagte Öcalan am Mittwoch in seiner Verteidigungsrede im Prozeß auf der Gefängnisinsel Imrali. Er erneuerte sein Angebot an den türkischen Staat, für ein Ende der Kämpfe zwischen der Armee und der PKK zu sorgen. Er sage dies nicht, um sein Leben zu retten. Öcalan erinnerte an die lange Geschichte des Zusammenlebens von Türken und Kurden. Die Auseinandersetzungen in den vergangenen 200 Jahren seien auch auf den Einfluß ausländischer Mächte wie Rußland, die USA und Großbritannien zurückzuführen. Öcalan droht wegen Hochverrats die Todesstrafe; das Urteil wird vor Ende Juni erwartet. Vor Beginn von Öcalans Rede lehnte das Staatssicherheitsgericht einen Antrag der Verteidigung zur Einstellung des Verfahrens ab. Öcalans Anwälte argumentierten in ihrem Antrag, der aufgrund einer Verfassungsänderung zustande gekommene Wechsel in der Zusammensetzung des Gerichts mache einen Neuanfang des Prozesses erforderlich. Das türkische Parlament hatte vergangene Woche beschlossen, die Militärrichter aus den Staatssicherheitsgerichten zurückzuziehen. Der siebte Prozeßtag hatte mit einstündiger Verzögerung begonnen, weil schlechtes Wetter zunächst die Überfahrt von Öcalans Anwälten auf die Gefängnisinsel verhinderte. Die zwölf Anwälte wurden schließlich auf einem Küstenwachtboot auf die Insel gebracht. Auch sie werden in ihren Schlußplädoyers voraussichtlich darauf hinweisen, daß nur ein lebendiger Öcalan dem Südosten der Türkei dauerhaften Frieden bringen könne. Die Bundesregierung will alles ihr Mögliche tun, um die Vollstreckung eines möglichen Todesurteils gegen Öcalan zu verhindern. Sie wolle sich gegenüber der türkischen Regierung für seine faire und korrekte Behandlung einsetzen, hieß es in einer am Mittwoch in Bonn veröffentlichten Antwort der Regierung auf eine kleine Anfrage der PDS. Die Regierung habe Beobachtungen des Anti-Folter-Komitees des Europarats über den psychischen Zustand Öcalans mit Sorge zur Kenntnis genommen. Der Europa-Chef der PKK, Ferhan Harran, drohte für den Fall der Hinrichtung Öcalans mit einer Eskalation des Bürgerkrieges in der Türkei. Der Zeitung Die Woche sagte Harran, in den 15 Jahren des Kampfes seien bisher 40 000 Menschen gestorben. Wenn es jetzt keinen positiven Schritt der Türkei gebe, würden vielleicht weitere 200 000 Menschen sterben. Harran betonte, die PKK stehe hinter dem Appell Öcalans an die türkische Staatsführung, die kurdische Frage friedlich zu lösen und den seit 15 Jahren andauernden Bürgerkrieg zu beenden. Im Gegenzug müsse die Türkei Öcalan das Leben schenken, der kurdischen Volksgruppe die freie Ausübung ihrer Sprache und Kultur gewährleisten sowie PKK-Kämpfer begnadigen und den Ausnahmezustand in den kurdischen Gebieten aufheben. "Wenn ein Friedensprozeß in Gang kommt und positiv ausgeht, werden wir den Kampf beenden", sagte Harran. Öcalan war Mitte Februar in Kenia vom türkischen Geheimdienst
verschleppt worden und ist seitdem auf Imrali inhaftiert. Die Türkei
macht die PKK für den Tod von 29 000 Menschen verantwortlich.
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