Leipziger Volkszeitung, 30.6.99
Moskau: Grundsätze der Menschlichkeit einhalten Moskau (dpa) - In einer ersten Reaktion auf das Todesurteil gegen PKK-
Führer Abdullah Öcalan hat das russische Außenministerium
seine Hoffnungen auf die Achtung der «hohen Grundsätze der Menschlichkeit»
zum Ausdruck gebracht. «Obwohl in der Türkei die Todesstrafe
nicht abgeschafft ist, wurde sie in dem Mitgliedstaat des Europarates seit
1984 nicht mehr vollstreckt», sagte am Dienstag Wladimir Rachmanin,
Sprecher des Außenministeriums in Moskau. «Wir hoffen, daß
auch im Fall Öcalan nicht gegen die hohen Grundsätze der Menschlichkeit
verstoßen wird.» Vor der türkischen Botschaft in Moskau
protestierten am Mittag rund 1 500 Kurden gegen das Todesurteil. Zuvor
hatte die Polizei ihre Präsenz sowohl vor dem Botschaftsgebäude
als auch bei der Residenz des türkischen Botschafters verstärkt,
wie die russischen Agenturen berichteten. Ein Sprecher der nationalen Befreiungsfront
Kurdistans in Rußland, Kaschar Kurdasker, betonte, daß die
Kurden in Moskau und in Rußland «ausschließlich demokratische
Protestaktionen» wegen des Todesurteils gegen Öcalan planten.
Er schloß allerdings nicht aus, daß die weltweiten Protestaktionen
der Kurden in einen «echten Bürgerkrieg zwischen den türkischen
und kurdischen Gemeinden» münden könnten. Als «tragische
Entscheidung für die Welt und die Türkei» bezeichnete der
Duma-Abgeordnete Alexei Mitrofanow die Entscheidung des türkischen
Gerichts. Der Vorsitzende des geopolitischen Ausschusses des russischen
Parlaments sah in dem Urteil auch mögliche Auswirkungen für den
Süden Rußlands. «Sollte das Urteil vollstreckt werden,
tritt der kurdische Widerstand in eine neue Phase», zitierte ihn
die Agentur Itar-Tass.
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