junge Welt 2.7.99
Türkei läßt Öcalan-Urteil abfeiern
Das Todesurteil gegen PKK-Führer Abdullah Öcalan wird in der Türkei weiter von der Mehrzahl der Türken gefeiert. Wie jedoch bekannt wurde, handelt es sich bei den Demonstranten nicht selten um in Zivil auftretende Sicherheitskräfte, die medienwirksam Jubel über den Gerichtsentscheid zelebrieren. Auch die Mehrheit der Medien liegt ganz auf dem Regierungskurs in der Öcalan-Frage. »Heute ist unser Festtag«, hieß es in der Zeitung Sabah zum Urteil gegen den PKK-Chef. Sie zeigte dazu ein Bild von tanzenden Angehörigen von angeblichen PKK-Opfern. In Diyarbakir, der größten Stadt im kurdischen Südosten der Türkei, zogen rund 200 junge Männer, wie sich später herausstellte Soldaten in Zivilkleidung, durch die Straßen und riefen »Imrali wird Öcalans Grab«. Auf der Gefängnisinsel Imrali ist Öcalan inhaftiert. Die Bewohner Diyarbakirs allerdings beteiligten sich nicht an dem Politspektakel. Einige türkische Kommentatoren warfen indes aber die Frage auf, ob eine Hinrichtung wirklich im Interesse des Landes sei. Die Europäische Union hatte nach dem Todesurteil am Dienstag gewarnt, daß eine Exekution des Vorsitzenden der Kurdischen Arbeiterpartei sicher die Beziehungen beeinträchtigen und die Aufnahme der Türkei in die EU erschweren werde. Kritische Berichterstatter zum Beispiel in der Zeitung Radikal fragten, was für einen Sinn es habe, weiter Blut zu vergießen. »Das wichtigste ist es, jetzt keine billige Rache zu üben, nicht mehr Leben zu verlieren«, hieß es in der Zeitung. Das Kurdische Exilparlament drohte indes erneut mit Aktionen, falls
Öcalan hingerichtet werden sollte. Der Vorsitzende des Kurdischen
Exilparlaments, Yasar Kaya, erklärte am Mittwoch in Brüssel,
Kurden und Türken hätten nicht viel vom neuen Jahr zu erwarten,
wenn Öcalan hingerichtet werde. Es werde dann mehr Gewalt geben als
je zuvor. Die Türkei trage die volle Verantwortung für ihre Handlungen.
(AFP/jW)
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