taz Berlin, 1.7.1999
Kurden gegen Eskalation Kurdische Vereine der Hauptstadt organisieren Protestaktionen in Berlin. Die gestrige Kundgebung nahe der US-amerikanischen Botschaft folgte der Parole, ruhig zu bleiben "Es lebe Öcalan" - "Terrorist Türkei". Lautstark, aber friedlich haben gestern in der Nähe der US-Botschaft in Mitte etwa 250 Kurdinnen und Kurden gegen das Todesurteil für den PKK-Führer Abdullah Öcalan demonstriert. Die vor allem männlichen Demonstranten hielten Plakate hoch, in denen sie unter anderem "Freiheit für Öcalan" und "Kein Urlaub im Kriegsland Türkei" forderten. Zuvor waren sie alle nach Waffen oder gefährlichen Gegenständen durchsucht worden - die Demonstranten ließen diese Prozedur gelassen über sich ergehen. Damit fügt sich diese Kundgebung in die Strategie ein, die die kurdischen Vereine der Hauptstadt in einem Treffen vorgestern abend im kurdischen Elternverein beschlossen hatten. "Wir setzen uns ein für eine friedliche und demokratische Lösung der Kurdenfrage", heißt es in einer Presseerklärung, die die Vereine gestern veröffentlichten. "Nur im Dialog, nicht in der Konfrontation können wir eine friedliche Zukunft für alle Konfliktparteien erreichen." Die Vereine fordern, daß das Todesurteil für Öcalan nicht vollstreckt wird und die türkische Regierung über das Friedensangebot Öcalans verhandeln soll, das er während des Prozesses machte. Alle politischen Kräfte, auch in Deutschland, müßten sich dafür einsetzen, daß das Urteil nicht vollstreckt werde. Die EU und der Europarat sollten "ihre politischen Mittel einsetzen, damit in der Türkei endlich ein Friedensprozeß in Gang kommt", betonen sie. Durch das Urteil, warnten sie aber auch, drohe der Konflikt zu eskalieren. Bis zum Abend war davon gestern allerdings nichts zu spüren. Trotz erheblicher Verbitterung unter vielen der etwa 60.000 Kurdinnen und Kurden Berlins kam es in der Nacht zum Mittwoch lediglich zu einem Zwischenfall. Unbekannte hatten einen Brandanschlag auf ein türkisches Lokal in Neukölln verübt. Dabei wurde niemand verletzt, ein kleines Feuer schnell gelöscht. Ein Polizeisprecher erklärte, mögliche Ausschreitungen von Kurden seien zur Zeit in der Hauptstadt "gar kein Thema". Zwar sei man sehr wachsam, Vorfälle habe es gestern aber bis zum Abend nicht gegeben. Giyasettin Sayan, Vorstandsmitglied in der Kurdischen Gemeinde und PDS-Abgeordneter, distanzierte sich von dem Anschlag. Er zeigte sich sicher, daß dieser nichts mit Kurden zu tun habe, sondern von Trittbrettfahrern verübt worden sei, möglicherweise auch von Provokateuren der Länder, in denen das Gebiet der Kurden liegt. Er forderte die Polizei auf, den Anschlag so schnell wie möglich aufzuklären. Philipp Gessler, Julia Weidenbach
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