Freiburg: Abschiebungsversuch eines 13-jährigen Kurden Erst wollte die Bezirksstelle für Asyl in Freiburg den Vater zwecks Abschiebung haben; dieser war aber nicht mehr an der Meldeanschrift zu erreichen. Seine beiden Söhne, die 1996 dem Vater nach Deutschland folgten (ihre Mutter war dort 1995 gestorben), waren mit dem Vater zusammen mit Asylverfahren abgelehnt worden. Der Vater -Ömer Polat- war 1992 nach Deutschland geflohen. Ein Bruder von ihm lebt als anerkannter Flüchtling in Freiburg. Als sie den Vater nicht fanden und dieser sich über die Zeitung und seinen Rechtsanwalt an die Öffentlichkeit wandte, überlegte sich die Behörde, wie sie nun am besten Druck ausüben könnte. Sie holten eines Tages unerwarteterweise seinen älteren, 17-Jahre alten Sohn Mehmet ab. Dieser lebte zusammen mit seinem jüngeren Bruder Sükrü bei dem Onkel, der anerkannt war. Das war Ende Mai 1999. Ein Eilantrag ans Gericht wurde von einer Richterin abgelehnt, das Recht des Jugendlichen sei nicht verletzt. Der 17-jährige wurde morgens, als der Onkel zum Einkaufen war, abgeholt, dem jüngeren Bruder war hier angedroht worden, er werde auch geholt, wenn sie den Vater hätten. Da sie 2 Monate später den Vater immer noch nicht hatten, kamen sie nun am 29.7.99 trotzdem wieder, um den jüngeren, den 13-jährigen Sükrü abzuholen. Dieser befand sich inzwischen vorübergehend - da der Onkel im Krankenhaus war- bei einer Pflegefamilie. Diese weigerten sich geistesgegenwärtig, das Kind der Polizei auszuhändigen. Die Begründung der Abschiebebehörde: da der Vater untergetaucht sei, mißachte er die elterliche Sorgfaltspflicht. Diesem Umstand könne dadurch abgeholfen werden, dass der jüngere Sükrü zu seiner Großmutter - in die Türkei, Gaziantep - gebracht werden; diese werde schon für ihren Enkel sorgen. Überdies könne er dort seinen älteren Bruder wiedertreffen. Der Vater -Ömer Polat- lebt nach wie vor versteckt in Freiburg und Umgebung. Gegenüber dem Standesamt hat er einen Antrag auf Eheschliessung laufen; dieses führte dazu, daß die Frau, die ihn heiraten will, inzwischen ebenfalls eine Hausdurchsuchung erleben mußte - in der Hoffnung, dort ihren zukünftigen Mann zu finden. Ein Antrag, dem kurdischen Vater der Kinder zwecks Eheschliessung eine Duldung zu gewähren, läuft inzwischen beim Gericht. Ein Antrag, die Abschiebung des Sükrü zu verhindern, läuft ebenfalls. Allerdings hatte schon das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da wesentliche Rechtsgüter -noch ohne den Abschiebeversuch des 13-jährigen- nicht verletzt würden. UN-Kinderschutzkonvention und Den Haager Abkommen über den Schutz der Minderjährigen sind jeweils von Deutschland unterzeichnet worden. Beide schreiben vor, daß für Kinder die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen seien, d.h. die Pflicht zur Inobhutnahme nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Rechtlich wäre auch noch die Europ. Sozialcharta anzufügen, um das Recht der Kinder auf sozialen und wirtschaftlichen Schutz zu sichern. Tatsache ist jedoch, daß trotz dieser internationalen Schutzkonventionen die Abschiebebehörde kein Risiko scheut, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Bedenklich ist ebenfalls, daß sich in der Öffentlichkeit - in den Medien wurde darüber jeweils berichtet - keine größere Kritik artikuliert, sei es vom Kinderschutzbund, von den politischen RepräsentantInnen, von den öffentlichen Verbänden, etc. Schreibtischtäter scheuen in der Regel das Licht der Öffentlichkeit: eine Protokoll-Notiz in einer Besprechung zwischen den Abschiebebehörde offenbarte, daß "Presseartikel ein Signal sein sollten, daß die unteren Ausländerbehörden schnell handeln, und zwar auch dann, wenn nicht unmittelbar abgeschoben werden kann". (23.2.99) Mehmet Polat, der ältere bei beiden Söhne, wurde so hastig aus dem Haus des Bruders entführt, daß die Polizei für die anstehende Übernachtung auf der Polizeistation nicht einmal für Nahrung gesorgt hatte, daß sie am nächsten Morgen den Bruder um Geld anpumpen wollten, daß sie ihm nicht einmal seinen Nüfus mitgegeben haben, weshalb er in Istanbul am Flughafen erst einmal auf seine Identifizierung warten musste. SAGA Freiburg, 4.8.99 gemeinsam gegen rassismus und ausgrenzung |