aus: Kurdistan Rundbrief 11.8.1999 "Bomben auf Ankara"? Leserbrief an die Wochenzeitung "jungle world" Der offene Brief des Rechtshilfevereins AZADI an Außenminister Fischer, veröffentlicht u.a. in der Zeitung "junge welt" und im letzten "Kurdistan-Rundbrief", hat dem Verein eine erstaunliche Replik eingebracht. In der Zeitung "jungle world" vom 28. Juli, die ähnlich wie CDU-MdB Pflüger gegen einen EU-Beitritt der Türkei zu sein scheint, warf ein Autor dem Verein vor, er trete womöglich für "Bomben auf Ankara" ein, auf jeden Fall rede er einem "deutschen Menschenrechtsimperialismus" das Wort. Demselben Autor ist das Eintreten der grünen Bundestagsabgeordneten Claudia Roth für die Anerkennung einer kurdischen Nation und Kultur in der türkischen Verfassung "Volksgruppenpolitik", also völkische Großmachtpolitik übelster Sorte, wie zu Nazi-Zeiten oder heute durch die "Sudetendeutsche Landsmannschaft". AZADI könnte die Sache damit auf sich beruhen lassen. Einem Autor von dieser Gedankentiefe und Unterscheidungsschärfe - was soll man/frau dem schon antworten? Doch Azadi hat geantwortet. Hier ihr Leserbrief an die "jungle world". (rül) Köln, den 29. Juli 1999 Herr Wolter zitiert in seinem Beitrag u.a. auch aus unserem Brief an Außenminister Fischer. Er unterstellt, wir hätten nichts Besseres im Sinn, als diese alt/neue Regierung aufzufordern, mitsamt den NATO-Truppen in die Türkei und nach Kurdistan einzumarschieren. Selbstverständlich fordert AZADI nichts dergleichen. Damit nicht weiter Böses in den Brief hineininterpretiert werden kann, möchte ich darlegen, was mit der Aufforderung gemeint ist: Gerade weil diese Regierung vollmundig angetreten ist, der Menschenrechtspolitik Vorrang vor allen anderen Interessen zu geben, muß sie genau daran auch gemessen werden. Und natürlich meinen wir damit nicht, jetzt "Bomben auf Ankara" zu werfen - das sind Ihre Worte. Daß die rot/grüne Regierung den Kampf um die Menschenrechte in Kriegsrecht umsetzt, muß uns nicht dazu veranlassen, fortan diesen Begriff zu vermeiden. Gesagt werden soll: Der von der NATO und somit auch der Bundesregierung geführte Krieg gegen das Nicht-NATO-Land Jugoslawien für eine vermeintliche Verteidigung der Menschenrechte zeigt, wie heuchlerisch diese Politik ist und wie offenkundig hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Wir fordern keinen - wie Sie es nennen - "deutschen Menschenrechtsimperialismus", sondern verlangen von dieser Regierung, daß sie sich einzusetzen hat für die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei. Seit Jahrzehnten dominiert in der (deutschen) Politik bezogen auf die sog. Kurdistan-Frage Gleichgültigkeit und Passivität. Statt dessen trug Deutschland ganz wesentlich - insbesondere nach dem Militärputsch von 1980 - durch umfangreiche Wirtschaftshilfe, Waffenlieferungen und den Aufbau des Polizeiapparates zur Verfestigung der heutigen Macht- und Unterdrückungsstrukturen in der Türkei bei. Die rot/grüne Regierung verspricht Kontinuität hinsichtlich ihrer Haltung zu diesem NATO-Land. Selbstverständlich kann man aus diesem Grunde die Auffassung vertreten, von solchen PolitikerInnen gerade deshalb nichts mehr zu fordern. Doch wäre diese Herangehensweise unpolitisch. Wer sonst als die Verantwortlichen für eine bestimmte Politik sind immer wieder auf die Folgen ihres Handelns oder Nichtverhaltens hinzuweisen, sind anzugreifen, aber auch aufzufordern, in konkreten Situationen konkret zu handeln. Darauf sollte nicht verzichtet werden. Wir verlassen uns dabei selbstverständlich auch auf die eigene Kraft. Doch: Wer und wo sind die linken und fortschrittlichen Kräfte, die dem deutschen und türkischen Staat Druck machen könnten, eine bestimmte politische Entwicklung einzuleiten? Alleine schon die Tatsache, daß sich nur wenige Deutsche an Demonstrationen beteiligen gegen den Krieg in Kurdistan, gegen die Verfolgungspolitik des türkischen Militärregimes oder gegen (deutsche) Waffenlieferungen, zeigt, in welch jämmerlichem Zustand sich die Linke befindet. Auch wenn es um Aktivitäten hinsichtlich der Repression gegen die kurdische Bevölkerung in Deutschland geht, bleiben Kurdinnen und Kurden meist unter sich. Was nutzt das Hohelied auf die internationale Solidarität, wenn diese Solidarität mit nichts gefüllt ist? In diesem Land wird die kurdische Bevölkerung alleine gelassen - auch von der Linken - was und wer das auch immer sein sollte. Mit freundlichen Grüßen, Monika Morres
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