Das folgende Interview mit Duran Kalkan wurde in der
prokurdische Tageszeitung Özgür Politika am 25.September
1999 veröffentlicht. Das Interview befaßt sich
mit der PKK-Gruppe für eine friedliche und demokratische
Lösung, die in die Türkei entsandt werden soll.
Frage: Den Aufruf des Vorsitzenden der Arbeiterpartei
Kurdistans Abdullah Öcalan, eine Gruppe für eine
friedliche und demokratische Lösung in die Türkei
zu senden, hat der Präsidialrat der PKK positiv beantwortet.
Welche Rolle und Mission wird diese Gruppe haben? Wie ist
dieser Schritt zu bewerten?
Duran Kalkan: Die Gruppe, die wir auf Grund des Aufrufes
unseres Vorsitzenden in die Türkei entsenden möchten,
wird den zuständigen Verantwortlichen der Türkei
einen Brief des Zentralkomitees unserer Partei übermitteln.
Es ist eine Gruppe, die eine solche Botschaft übermittelt.
Dieser Schritt stellt eine Geste des guten Willens in Bezug
auf die Weiterentwicklung der von uns am 1. September begonnene
Entwicklungsetappe dar. Die Gruppe ist Ausdruck dafür,
daß diese Phase gemäß ihrem Geist voran gebracht
wird. Gleichzeitig bietet die Gruppe für die türkische
Gesellschaft und für den türkischen Staate die Möglichkeit,
die ihnen zufallenden Aufgaben in Bezug auf die Phase der
Demokratie und des Friedens nachzukommen. Die Gruppe übernimmt
in diesem Rahmen ihre Mission. Sie hat in diesem Sinne die
Aufgabe, die notwendigen Schritte der bevorstehenden Etappe,
die unsere Partei zu entwickeln versucht, zu erfüllen.
Wenn notwendig, können alle, die eine demokratische Lösung
für das Problem suchen, sich mit dieser Gruppe in Verbindung
setzen. Sie können deren Meinung einholen, sie können
mit ihr diskutieren, was in Bezug auf die Politik unserer
Partei zu tun ist. Die Gruppe hat diese Vollmacht, sie spielt
die Rolle einer vermittelnden Delegation. Solch ein Schritt
ist im Hinblick auf die erreichte Entwicklung zweifellos wichtig
und kann die Dinge weiter vorantreiben. Die am 1. September
1998 (drittes und letztes einseitiges Waffenstillstandsangebot
der PKK, Anm. d. Ü.) begonnene Etappe ist die, die wir
heute zu entwickeln versuchen. Mit einem internationalen Komplott
wurde versucht, sie ins Leere laufen zu lassen. Es wurde,
versucht diese Entwicklung zu blockieren und in das Gegenteil
umzukehren. Das Komplott gegen unseren Vorsitzenden hatte
das Ziel, eine Situation der Auseinandersetzung zwischen dem
kurdischen und dem türkischen Volk zu schaffen. Um dieses
Komplott ins Leere laufen zu lassen und seine schwerwiegenden
und negativen Absichten zu durchkreuzen, hat unser Vorsitzender
während der Prozeßphase Erklärungen abgegeben
und wichtige Initiativen gestartet. Anschließend haben
wir ab dem 1. August den bewaffneten Kampf eingestellt, Schritte
für die Entwicklung einer Friedens- und Demokratieetappe
unternommen und diese praktisch eingeleitet. Die Gruppe für
Frieden und Demokratie stellt einen wichtigen Faktor in dieser
Etappe dar. Es bedarf der Gesten des guten Willens, damit
das Mißtrauen zwischen den Völkern, das nach 15jährigem
Krieg entstanden ist, sowie alle Arten von Mißtrauen
und Vorurteile gegenüber uns, gegenüber den kämpfenden
Kräften und andere Auswirkungen des Krieges aufgehoben
werden können. So kann auf der Grundlage des Frieden
und der Demokratie eine Lösung entwickelt werden. Das
hat unser Vorsitzender mehrfach erklärt. Auch wir spüren
die Brisanz dieser Situation, wir wissen darum. Um sie aufzulösen,
haben wir bedingungslos einseitige Schritte in Richtung Frieden
und Demokratie unternommen. Die Entsendung der Gruppe ist
ebenfalls ein Schritt dieser Art. Wir erwarten daß er
alle Arten von Vorurteilen und Mißtrauen aufhebt, und
Entwicklungen in Gang setzt, die diese Spuren beseitigt. Wir
hoffen auf eine derartige Entwicklung.
Frage: Scheint das überhaupt möglich?
Duran Kalkan: Wir haben den Glauben und die Hoffnung, daß
vor allem mit diesem letzten Schritt die Phase der Lösungen
praktisch beginnen kann. Sie hat die Bedeutung, sowohl die
entsprechende geistige Atmosphäre zu schaffen als auch
eine Kraft, die diese Lösung praktisch umsetzt. Auf dieser
Grundlage kann jeder, der eine friedliche und demokratische
Lösung anstrebt, aktiv werden, damit dieses Ziel realisiert
wird, wenn eine solche Gruppe die Türkei erreicht. In
diesem Sinne glauben wir, daß wir mit diesem Schritt
unsere Aufgaben auf einer noch höheren Ebene erfüllt
haben. Wir glauben, daß die türkische Gesellschaft
und der Staat diesen Schritten Aufmerksam schenken sollten
und auf dieser Grundlage die Aufgaben erfüllen sollten,
die ihnen zufallen. Nur so können Frieden und Demokratie
zwischen den Völkern und die Stabilität in der Türkei
erreicht werden.
Frage: Schon jetzt ist offensichtlich, daß die Gruppe,
die in die Türkei gehen wird, eine große Wirkung
haben wird. Welche Bewertung erwarten sie als Präsidialrat
von der Presse, von den Politikern und von den Verantwortlichen
des türkischen Staates?
Duran Kalkan: Diese Gruppe mit ihrer Mission als Friedensbotschafter
kann jedem begegnen. Es ist offensichtlich, daß allen
voran die Medien bei der Entwicklung dieser Phase eine wichtige
Rolle inne haben. Wir hoffen, daß sie das Anliegen unserer
Friedensdelegation entsprechend bewerten werden. Wir hoffen,
daß sie sich dieser Gruppe nähern und auf diese
Weise eine wirksame Rolle bei der Entwicklung des Friedens
und der Demokratie spielen. Für die Presse beginnt eine
wichtige Etappe, sie bekommt ein wichtiges Thema. Die Medien
können die Meinungen unserer Freunde bewerten. Sie können
herausfinden, welche Art von Entwicklungen stattfinden, welche
Herangehensweise unsere Partei hat, wie sie diese Entscheidungen,
die wir als Friedensopfer bezeichnen können, in dieser
Phase akzeptiert haben, mit welchen Gefühlen und Gedanken,
mit welchem Herangehen sie darauf reagieren. Sie werden sehen,
daß alle Kader und Kämpfer der PKK den von unserer
Partei begonnenen Prozeß tiefgründig kennen, verstehen,
ihn sich aneignen und sich umfassend daran beteiligen. Anhand
dieser Gruppe wird es für die Presse möglich sein,
die Bewertung unserer Partei der Öffentlichkeit bekannt
zu machen. Unsere Erwartung ist es, daß sie dies objektiv,
wahrheitsgetreu und effektiv durchführen. Das ist eine
wichtige publizistische Aufgabe und wir hoffen, daß
die türkische Presse sie wirksam erfüllt. Mindestens
friedlich zu sein, demokratisch zu sein, eine Atmosphäre
schaffen, in der die Pressefreiheit beständig entwickelt
wird, kann mit der Bewältigung dieser Art von Aufgaben
erreicht werden.
Frage: Welche Herangehensweise erwarten sie von politischen
Kreisen und ihren führenden Gremien?
Duran Kalkan: Unsere Freunde sind für die Politiker
der Türkei eine Botschaftergruppe. Konkret heißt
das, daß die Gruppe die Botschaft unserer Partei überbringt.
Wir glauben sowohl von der Botschaft der Partei als auch der
Gruppe, daß alle Politiker darüber nachdenken und
sie wahrnehmen werden. Zumindest ist das unsere Erwartung.
Denn die Aktivität dieser Gruppe würde den Beginn
eines politischen Prozesses und die wichtige Rolle der Politiker
dabei ermöglichen. Das alles dient der Entwicklung des
politischen Kampfes, der politischen Atmosphäre. Es wird
den Politikern den Weg öffnen, die Probleme der Türkei
zu lösen, den begonnenen demokratischen Prozeß
zu entwickeln, ihn zur Wirksamkeit zu bringen, und die Gunst
der Gesellschaft zu erringen. Wir sind der Hoffnung, daß
sie keine leichtsinnigen Aktivitäten entfalten, sich
statt dessen der historischen Schritte bewußt sind.
Das ist von größter Bedeutung. Daß die PKK
und das kurdische Volk in einer solchen Phase mit einem Schritt
dieser Art den Weg der türkischen Politik ebnen, daß
sie sich bei der Entwicklung des politischen Prozesses hilfreich
zeigen, muß von allen Politikern gewürdigt werden.
Das Volk, die Öffentlichkeit wird es so wahrnehmen.
Frage: Glauben Sie, daß sich mit diesem Schritt
der politische Prozeß vertiefen wird?
Duran Kalkan: Wir glauben, daß verschiedene politische
Kreise die Lage genügend ernst bewerten und eine entsprechende
Haltung zeigen werden. Denn die Türkei steht vor einer
Entscheidung. Im Demokratisierungsprozeß, in dem ein
wichtiger Teil die Lösung der Kurdenfrage ist. Die Situation
und die Anstrengungen unseres Vorsitzenden zeigen, daß
in den kommenden Monaten Entscheidungen anstehen, Entscheidungen
im politischen Sinne, die durch die politischen Kräfte
getroffen werden müssen. Um eine zugunsten der Völker
noch bessere Entscheidung für eine fortgeschrittene,
zukunftsorientierte Türkei zu treffen und die Türkei
im 21. Jahrhundert zu einem starken Land zu entwickeln, dafür
bietet unsere Gruppe und der von ihr beabsichtigte Schritt
eine bedeutende Unterstützung. Wir erwarten, diese Unterstützung
grundsätzlich zu verstehen, sie angemessen aufzunehmen
und entsprechend den Interessen der Völker der Türkei
die vorteilhafteste Entscheidung zu treffen.
Frage: Ist diese Initiative in dieser Etappe auf dem gegenwärtigen
Niveau ausreichend? Oder: Was muß außerdem getan
werden?
Duran Kalkan: Daß der Staat für Veränderungen
offen, der demokratischen Entwicklung sensibel gegenübersteht,
hat er gezeigt. Dies haben sämtliche fundamentale staatliche
Institutionen versprochen. Die leitenden Verantwortlichen
dieser Institutionen haben der Öffentlichkeit gegenüber
Entsprechendes erklärt. Der Staatspräsident, das
Ministerpräsidium, der Generalstab und zuletzt sogar
der Parlamentspräsident haben im Bezug auf die Entwicklung
eines solchen Prozesses Erklärungen verabschiedet. Um
diese zu realisieren, sind die zu bewältigenden Aufgaben
aus unserer Sicht klar. Diese Anstrengungen werden von unserem
Vorsitzenden und unserer Partei unternommen. Das wir bei diesem
Thema große Bereitschaft zeigen, ist deutlich sichtbar.
Es ist offenkundig, daß wir schwierige, couragierte
Schritte gehen. Den großen Glauben, den wir im Hinblick
auf die Lösung des Problems verspüren, hegen wir
ebenfalls im Vertrauen auf die große Kraft der Türkei,
des türkischen und des kurdischen Volkes zur Lösung
des Problems. Daß auch der Staat diese Situation sieht,
daß verschiedene Verantwortliche dieser Realität
entsprechend in Aktion treten, den opferbereiten und couragierten
Schritten unseres Vorsitzenden die angemessene Wertschätzung
entgegenbringen und den versprochenen Prozeß einleiten,
ist von lebenswichtiger Bedeutung. Mit den Anstrengungen dieser
Gruppe wird ein beachtlicher Beitrag zu der angestrebten Form
des Prozesses angeboten. Wir sind der Erwartung, daß
die türkischen Verantwortlichen solch einem Beitrag Wert
beimessen, in diesem Sinne unsere Delegation als Geste des
guten Willens beachten und sich ihr positiv nähern, daß
deren Angehörige als Friedens- und Demokratiebotschafter
gesehen werden, daß diese zumindest nicht negativ empfangen
werden. Das ist vor allem deshalb notwendig, damit die bisherigen
verpflichtenden Erklärungen unserer Seite, realisiert
werden.
Frage: Am ersten Tag der Erklärung haben die parlamentarische
Versammlung des Europarates, der türkische Ministerpräsident
Ecevit und die politischen Parteien diesen Schritt als positiv
bewertet. Dennoch haben einige linken Kreise diesen Schritt
vom ersten Tag an als Kapitulation bewertet. Was halten sie
davon?
Duran Kalkan: Zweifelsohne ist der Friedens- und Demokratisierungsprozeß,
den wir entwickeln wollen, zu Gunsten der Völker und
wiederum zum Vorteil der Kräfte auf seiten der Demokratie
und des Friedens. Der jüngste dabei unternommene Schritt
stellt einen außerordentlich wichtigen Wendepunkt für
den Erfolg dieses Prozesses dar. Aus dieser Sicht ist es ganz
natürlich, daß politische Kreise sowohl innerhalb
als auch außerhalb sich ihm sehr sensibel nähern.
Auf anderer Art und Weise wäre das nicht möglich
gewesen. Es ist wiederum natürlich, daß die Kräfte
der Demokratie und des Friedens an diese Sensibilität
positiv herangehen und ihr in diesem Sinne Aufmerksamkeit
entgegenbringen. In diesem Rahmen ist die Begrüßung
und Wertschätzung der demokratischen Kräfte Europas,
ihrer Organisationen, der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates und anderer politischer Kreise für uns sehr
wichtig und positiv. Wenn diese selbst sich um die Entwicklung
des Prozesses bemühen würden, hätten sie auch
ihre demokratische Aufgaben erfüllt. Die Erklärungen
des geehrten Ministerpräsidenten Ecevit haben auch wir
verfolgt. Er drückt solch eine positive Herangehensweise
aus, der wir zweifellos Bedeutung und Wert beimessen. Wir
glauben, sie noch weiter entwickelt werden kann, daß
sie nicht nur auf der Ebene einer Erklärung bleiben wird,
sondern entsprechend unserem eigenen Schritt durch weitere
praktische Maßnahmen vorwärtsgebracht werden kann.
Denn nur mit politischen Schritten erweckt man derartige Erklärungen
zum Leben.
Frage: Der letzte Schritt der PKK ist sehr offenkundig,
konkret und praktisch. Wie sollte Ihrer Meinung nach die Türkei
dem über Erklärungen hinaus begegnen?
Duran Kalkan: In der Türkei entsteht nun das Bedürfnis
nach praktischen Schritten. Diskussionen wurden geführt
und zum größten Teil Versprechungen gemacht. Es
ist von großer Bedeutung, diese, ohne Zeit zu verlieren,
nun langsam in der Praxis umzusetzen, die notwendige Politik
zu entwickeln, hierfür notwendige Reformen zu vollziehen.
Eine Zeitverschwendung in dieser Sache wird auch zu materiellen
Verlusten führen. Schon jetzt geschieht das. Wir glauben,
daß diese positiven Entwicklungen auf der Ebene von
Erklärungen noch durch weiterführende Schritte in
der politischen Praxis ergänzt werden können. Es
gibt keine Hindernis mehr hierfür. Daß es keine
Hindernisse gibt, das diese Phase unbedingt zum Erfolg führen
wird, hat unser Schritt bewiesen. In dieser Hinsicht gibt
es keinen Platz für Unentschlossenheit und Befürchtungen,
den darf es auch nicht geben. Eine so wichtige Entwicklungsphase
nicht zu verstehen, die großen Veränderungen und
Umwandlungen auf der Basis von Frieden und Demokratie nicht
zu sehen, eine entgegengesetzte Haltung an den Tag zu legen,
das wäre eine anormale Reaktion.
Frage: In der Erklärung des Präsidialrates ist
die Rede von einem Brief des Zentralkomitees der PKK an die
türkischen Staatsvertreter. Was ist der Inhalt dieses
Briefes?
Duran Kalkan: Wir schicken mit unserer Gruppe für eine
demokratische und friedliche Lösung einen Brief an den
Staatspräsidenten der Türkischen Republik, an den
Ministerpräsidenten, an den Generalstabschef und den
Vorsitzenden des Türkischen Großen Nationalversammlung.
Den Inhalt können wir wenn notwendig später öffentlich
machen. Der Brief beinhaltet den Kern der Erklärungen
unseres Vorsitzenden und der anderen Gremien unserer Partei.
Sie beinhaltet unsere Forderung und Wunsch nach einer Vereinigung
mit einer Türkei, die demokratisch und friedlich ist,
und die ihre Probleme im demokratischen Rahmen löst.
Das hatten wir schon früher erklärt. Nun bringen
wir unsere Entschlossenheit noch einmal mit einer derartigen
Botschaft zur Sprache. Bevor die Türkei den genannten
Zustand erreicht, sind einige Grundaufgaben zu erfüllen,
grundlegende Schritte zu unternehmen. Wir bringen unsere Erwartungen,
unsere Hoffnungen und Wünsche zum Ausdruck, daß
diese Schritte ohne Verspätung unternommen werden. Wenn
diese realisiert werden, werden wir ebenfalls die notwendige
Antwort auf diese Entwicklungen geben und mit der Türkei,
die diese Schritte unternimmt, zusammenleben können.
Wir bringen unseren Glauben zum Ausdruck, daß die Türkei
das 21. Jahrhundert stark reformiert und erneuert, in einer
sehr aktiven Weise beginnen wird, und sich so auf eine sehr
hoffnungsvolle Zukunft hinbewegt. Wir erklären im weiteren,
daß wir bei den Aktivitäten, die auf dieser Grundlage
basieren, bis zum Schluß mit ihnen sein werden.
Frage: Wenn die Gruppe die Türkei erreicht, wird
sich neben den politischen Diskussionen auch die Diskussionen
um das Rechtssystem verstärken. Es ist offensichtlich,
daß die Türkei es für notwendig erachten wird,
eine rechtliche Regelung zu treffen, die neben den 10.000
PKK-Gefangenen auch diese Gruppe einschließt. Was für
eine Regelung ihrer Meinung nach sollte es geben?
Duran Kalkan: In Bezug auf die gegenwärtige Rechtssystem
werden ohnehin tiefgreifende Diskussionen geführt. Der
verehrte Vorsitzende des Kassationsgerichts (Sami Selcuk,
Anm. d. Ü.) hat den Zustand der gegenwärtigen Rechts
und wie es verändert, demokratisiert werden muß,
sehr ausführlich dargelegt. Auf dieser Grundlage halten
die Diskussionen an. Selbstverständlich wird unsere Gruppe
für eine friedliche und demokratische Lösung, wenn
sie die Türkei erreicht, diese Diskussionen zur Rechtsreform
noch mehr entwickeln. Das wird in einer Form stattfinden,
die die ganze Türkei und auch die Kurden einschließt
und sehr umfassend eine Neuordnung des Rechts auf die Tagesordnung
setzt. In diesem Rahmen muß selbstverständlich
die gegenwärtige Rechtsordnung größten Teils
verändert werden. Im gegenwärtigen Recht ist der
demokratische Rahmen so gut wie nicht vorhanden. Für
die Kurden ist kein Platz, es gibt keine rechtliche Garantien
für verschiedene Volksgemeinschaften, für verschiedene
Kulturen, für den freien Gebrauch der Sprachen. All das
muß sich ändern. Zweifellos hat unsere Lösungsgruppe
eine wichtige Mission. In dem Maße, wie sie ihre Rolle
spielt, werden sich in der Türkei Frieden und Demokratie
entwickeln. Um diese Mission erfüllen zu können,
bedarf es aber eines angemessenen rechtlichen Rahmens. Es
wird notwendig sein, eine Rechtsordnung zu entwickeln, die
die Situation aller PKK-Gefangenen, der neuen Gruppe sowie
aller unserer Kräfte, die gekämpft haben, berücksichtigt.
Mit einer engstirnigen Herangehensweise können alle Kräfte
der PKK nicht am Leben beteiligt und mit dem türkischen
System vereint werden. Die Vereinigung hängt von einer
umfangreichen rechtlichen Neuordnung ab, es bedarf einer ausgiebigen
sowohl allgemeinen als auch umfangreichen rechtlichen Neuordnung.
Sie wird auf jeden Fall allen voran einer Veränderung
der Verfassung bedürfen. Eine neue und demokratische
Struktur der Verfassung wird auf die Tagesordnung kommen.
Dies wird ohnehin diskutiert, es wird sich noch verstärken.
Dies ist zwingend.
Frage: Wie bewerten Sie die Diskussionen und Vorschläge
zu diesen Themen?
Duran Kalkan: Es ist ganz klar, daß die gegenwärtigen
Gesetze oder die Gesetze, die auf dieser Grundlage entwickelt
wurden, nicht ausreichen. Es gibt Gesetze wie das Reuegesetz,
das Anti-Terrorgesetz u.ä. Es ist offensichtlich, daß
diese keine ernst zu nehmende Rolle spielen und keine Lösung
hervorbringen. Sie können es auch nicht. Es ist nicht
möglich, die Friedens- und Demokratiephase mit dieser
Art von Gesetzen voranzubringen. Es widerspricht dem Geist
dieser Etappe, daß diese Gesetze erlassen wurden, daß
sie weiterhin auf der Tagesordnung gehalten werden und daß
die Existenz dieser Gesetze gegen die selbstlosen und couragierten
Schritte unserer Seite angewendet werden. Sie steht in keinster
Weise mit dem Inhalt der Probleme in Einklang. Als erstes
müssen sie verändert werden. Mit diesen Gesetzen
kann man nichts erreichen. Das müssen sowohl der Staat,
die Regierung und die betreffenden Organe unbedingt sehen.
Es ist nicht richtig, mit dieser Art von Diskussionen Zeit
zu verlieren. Ein Generalamnestie für alle politischen
Gefangenen ist notwendig. Daher ist es zwingend, daß
eine entsprechendes Gesetz, welches die politischen Gefangenen
einschließt, vorbereitet und erlassen wird. Das wird
zweifelsohne ein Beginn sein. Im weiteren ist es notwendig,
daß Gesetze vorbereitet und erlassen werden und rechtliche
Reformen vollzogen werden, welche die Organisierungs- und
politische Betätigungsfreiheit unter Garantie stellen,
damit diese Kräfte sich im Rahmen ihres Verständnisses
demokratisch und politisch betätigen können. Eine
solche Rechtsreform muß umfassend vollzogen werden.
Der rechtlichen Ordnung der Türkei muß sich unserer
Auffassung nach so angenähert werden, um den aktuellen
Entwicklungen entsprechen zu können. Wenn das geschieht,
wird die Etappe erfolgreich sein.