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Berlin, 29. September 1999

Das folgende Interview mit Duran Kalkan wurde in der prokurdische Tageszeitung Özgür Politika am 25.September 1999 veröffentlicht. Das Interview befaßt sich mit der PKK-Gruppe für eine friedliche und demokratische Lösung, die in die Türkei entsandt werden soll.

Frage: Den Aufruf des Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans Abdullah Öcalan, eine Gruppe für eine friedliche und demokratische Lösung in die Türkei zu senden, hat der Präsidialrat der PKK positiv beantwortet. Welche Rolle und Mission wird diese Gruppe haben? Wie ist dieser Schritt zu bewerten?

Duran Kalkan: Die Gruppe, die wir auf Grund des Aufrufes unseres Vorsitzenden in die Türkei entsenden möchten, wird den zuständigen Verantwortlichen der Türkei einen Brief des Zentralkomitees unserer Partei übermitteln. Es ist eine Gruppe, die eine solche Botschaft übermittelt. Dieser Schritt stellt eine Geste des guten Willens in Bezug auf die Weiterentwicklung der von uns am 1. September begonnene Entwicklungsetappe dar. Die Gruppe ist Ausdruck dafür, daß diese Phase gemäß ihrem Geist voran gebracht wird. Gleichzeitig bietet die Gruppe für die türkische Gesellschaft und für den türkischen Staate die Möglichkeit, die ihnen zufallenden Aufgaben in Bezug auf die Phase der Demokratie und des Friedens nachzukommen. Die Gruppe übernimmt in diesem Rahmen ihre Mission. Sie hat in diesem Sinne die Aufgabe, die notwendigen Schritte der bevorstehenden Etappe, die unsere Partei zu entwickeln versucht, zu erfüllen. Wenn notwendig, können alle, die eine demokratische Lösung für das Problem suchen, sich mit dieser Gruppe in Verbindung setzen. Sie können deren Meinung einholen, sie können mit ihr diskutieren, was in Bezug auf die Politik unserer Partei zu tun ist. Die Gruppe hat diese Vollmacht, sie spielt die Rolle einer vermittelnden Delegation. Solch ein Schritt ist im Hinblick auf die erreichte Entwicklung zweifellos wichtig und kann die Dinge weiter vorantreiben. Die am 1. September 1998 (drittes und letztes einseitiges Waffenstillstandsangebot der PKK, Anm. d. Ü.) begonnene Etappe ist die, die wir heute zu entwickeln versuchen. Mit einem internationalen Komplott wurde versucht, sie ins Leere laufen zu lassen. Es wurde, versucht diese Entwicklung zu blockieren und in das Gegenteil umzukehren. Das Komplott gegen unseren Vorsitzenden hatte das Ziel, eine Situation der Auseinandersetzung zwischen dem kurdischen und dem türkischen Volk zu schaffen. Um dieses Komplott ins Leere laufen zu lassen und seine schwerwiegenden und negativen Absichten zu durchkreuzen, hat unser Vorsitzender während der Prozeßphase Erklärungen abgegeben und wichtige Initiativen gestartet. Anschließend haben wir ab dem 1. August den bewaffneten Kampf eingestellt, Schritte für die Entwicklung einer Friedens- und Demokratieetappe unternommen und diese praktisch eingeleitet. Die Gruppe für Frieden und Demokratie stellt einen wichtigen Faktor in dieser Etappe dar. Es bedarf der Gesten des guten Willens, damit das Mißtrauen zwischen den Völkern, das nach 15jährigem Krieg entstanden ist, sowie alle Arten von Mißtrauen und Vorurteile gegenüber uns, gegenüber den kämpfenden Kräften und andere Auswirkungen des Krieges aufgehoben werden können. So kann auf der Grundlage des Frieden und der Demokratie eine Lösung entwickelt werden. Das hat unser Vorsitzender mehrfach erklärt. Auch wir spüren die Brisanz dieser Situation, wir wissen darum. Um sie aufzulösen, haben wir bedingungslos einseitige Schritte in Richtung Frieden und Demokratie unternommen. Die Entsendung der Gruppe ist ebenfalls ein Schritt dieser Art. Wir erwarten daß er alle Arten von Vorurteilen und Mißtrauen aufhebt, und Entwicklungen in Gang setzt, die diese Spuren beseitigt. Wir hoffen auf eine derartige Entwicklung.

Frage: Scheint das überhaupt möglich?

Duran Kalkan: Wir haben den Glauben und die Hoffnung, daß vor allem mit diesem letzten Schritt die Phase der Lösungen praktisch beginnen kann. Sie hat die Bedeutung, sowohl die entsprechende geistige Atmosphäre zu schaffen als auch eine Kraft, die diese Lösung praktisch umsetzt. Auf dieser Grundlage kann jeder, der eine friedliche und demokratische Lösung anstrebt, aktiv werden, damit dieses Ziel realisiert wird, wenn eine solche Gruppe die Türkei erreicht. In diesem Sinne glauben wir, daß wir mit diesem Schritt unsere Aufgaben auf einer noch höheren Ebene erfüllt haben. Wir glauben, daß die türkische Gesellschaft und der Staat diesen Schritten Aufmerksam schenken sollten und auf dieser Grundlage die Aufgaben erfüllen sollten, die ihnen zufallen. Nur so können Frieden und Demokratie zwischen den Völkern und die Stabilität in der Türkei erreicht werden.

Frage: Schon jetzt ist offensichtlich, daß die Gruppe, die in die Türkei gehen wird, eine große Wirkung haben wird. Welche Bewertung erwarten sie als Präsidialrat von der Presse, von den Politikern und von den Verantwortlichen des türkischen Staates?

Duran Kalkan: Diese Gruppe mit ihrer Mission als Friedensbotschafter kann jedem begegnen. Es ist offensichtlich, daß allen voran die Medien bei der Entwicklung dieser Phase eine wichtige Rolle inne haben. Wir hoffen, daß sie das Anliegen unserer Friedensdelegation entsprechend bewerten werden. Wir hoffen, daß sie sich dieser Gruppe nähern und auf diese Weise eine wirksame Rolle bei der Entwicklung des Friedens und der Demokratie spielen. Für die Presse beginnt eine wichtige Etappe, sie bekommt ein wichtiges Thema. Die Medien können die Meinungen unserer Freunde bewerten. Sie können herausfinden, welche Art von Entwicklungen stattfinden, welche Herangehensweise unsere Partei hat, wie sie diese Entscheidungen, die wir als Friedensopfer bezeichnen können, in dieser Phase akzeptiert haben, mit welchen Gefühlen und Gedanken, mit welchem Herangehen sie darauf reagieren. Sie werden sehen, daß alle Kader und Kämpfer der PKK den von unserer Partei begonnenen Prozeß tiefgründig kennen, verstehen, ihn sich aneignen und sich umfassend daran beteiligen. Anhand dieser Gruppe wird es für die Presse möglich sein, die Bewertung unserer Partei der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Unsere Erwartung ist es, daß sie dies objektiv, wahrheitsgetreu und effektiv durchführen. Das ist eine wichtige publizistische Aufgabe und wir hoffen, daß die türkische Presse sie wirksam erfüllt. Mindestens friedlich zu sein, demokratisch zu sein, eine Atmosphäre schaffen, in der die Pressefreiheit beständig entwickelt wird, kann mit der Bewältigung dieser Art von Aufgaben erreicht werden.

Frage: Welche Herangehensweise erwarten sie von politischen Kreisen und ihren führenden Gremien?

Duran Kalkan: Unsere Freunde sind für die Politiker der Türkei eine Botschaftergruppe. Konkret heißt das, daß die Gruppe die Botschaft unserer Partei überbringt. Wir glauben sowohl von der Botschaft der Partei als auch der Gruppe, daß alle Politiker darüber nachdenken und sie wahrnehmen werden. Zumindest ist das unsere Erwartung. Denn die Aktivität dieser Gruppe würde den Beginn eines politischen Prozesses und die wichtige Rolle der Politiker dabei ermöglichen. Das alles dient der Entwicklung des politischen Kampfes, der politischen Atmosphäre. Es wird den Politikern den Weg öffnen, die Probleme der Türkei zu lösen, den begonnenen demokratischen Prozeß zu entwickeln, ihn zur Wirksamkeit zu bringen, und die Gunst der Gesellschaft zu erringen. Wir sind der Hoffnung, daß sie keine leichtsinnigen Aktivitäten entfalten, sich statt dessen der historischen Schritte bewußt sind. Das ist von größter Bedeutung. Daß die PKK und das kurdische Volk in einer solchen Phase mit einem Schritt dieser Art den Weg der türkischen Politik ebnen, daß sie sich bei der Entwicklung des politischen Prozesses hilfreich zeigen, muß von allen Politikern gewürdigt werden. Das Volk, die Öffentlichkeit wird es so wahrnehmen.

Frage: Glauben Sie, daß sich mit diesem Schritt der politische Prozeß vertiefen wird?

Duran Kalkan: Wir glauben, daß verschiedene politische Kreise die Lage genügend ernst bewerten und eine entsprechende Haltung zeigen werden. Denn die Türkei steht vor einer Entscheidung. Im Demokratisierungsprozeß, in dem ein wichtiger Teil die Lösung der Kurdenfrage ist. Die Situation und die Anstrengungen unseres Vorsitzenden zeigen, daß in den kommenden Monaten Entscheidungen anstehen, Entscheidungen im politischen Sinne, die durch die politischen Kräfte getroffen werden müssen. Um eine zugunsten der Völker noch bessere Entscheidung für eine fortgeschrittene, zukunftsorientierte Türkei zu treffen und die Türkei im 21. Jahrhundert zu einem starken Land zu entwickeln, dafür bietet unsere Gruppe und der von ihr beabsichtigte Schritt eine bedeutende Unterstützung. Wir erwarten, diese Unterstützung grundsätzlich zu verstehen, sie angemessen aufzunehmen und entsprechend den Interessen der Völker der Türkei die vorteilhafteste Entscheidung zu treffen.

Frage: Ist diese Initiative in dieser Etappe auf dem gegenwärtigen Niveau ausreichend? Oder: Was muß außerdem getan werden?

Duran Kalkan: Daß der Staat für Veränderungen offen, der demokratischen Entwicklung sensibel gegenübersteht, hat er gezeigt. Dies haben sämtliche fundamentale staatliche Institutionen versprochen. Die leitenden Verantwortlichen dieser Institutionen haben der Öffentlichkeit gegenüber Entsprechendes erklärt. Der Staatspräsident, das Ministerpräsidium, der Generalstab und zuletzt sogar der Parlamentspräsident haben im Bezug auf die Entwicklung eines solchen Prozesses Erklärungen verabschiedet. Um diese zu realisieren, sind die zu bewältigenden Aufgaben aus unserer Sicht klar. Diese Anstrengungen werden von unserem Vorsitzenden und unserer Partei unternommen. Das wir bei diesem Thema große Bereitschaft zeigen, ist deutlich sichtbar. Es ist offenkundig, daß wir schwierige, couragierte Schritte gehen. Den großen Glauben, den wir im Hinblick auf die Lösung des Problems verspüren, hegen wir ebenfalls im Vertrauen auf die große Kraft der Türkei, des türkischen und des kurdischen Volkes zur Lösung des Problems. Daß auch der Staat diese Situation sieht, daß verschiedene Verantwortliche dieser Realität entsprechend in Aktion treten, den opferbereiten und couragierten Schritten unseres Vorsitzenden die angemessene Wertschätzung entgegenbringen und den versprochenen Prozeß einleiten, ist von lebenswichtiger Bedeutung. Mit den Anstrengungen dieser Gruppe wird ein beachtlicher Beitrag zu der angestrebten Form des Prozesses angeboten. Wir sind der Erwartung, daß die türkischen Verantwortlichen solch einem Beitrag Wert beimessen, in diesem Sinne unsere Delegation als Geste des guten Willens beachten und sich ihr positiv nähern, daß deren Angehörige als Friedens- und Demokratiebotschafter gesehen werden, daß diese zumindest nicht negativ empfangen werden. Das ist vor allem deshalb notwendig, damit die bisherigen verpflichtenden Erklärungen unserer Seite, realisiert werden.

Frage: Am ersten Tag der Erklärung haben die parlamentarische Versammlung des Europarates, der türkische Ministerpräsident Ecevit und die politischen Parteien diesen Schritt als positiv bewertet. Dennoch haben einige linken Kreise diesen Schritt vom ersten Tag an als Kapitulation bewertet. Was halten sie davon?

Duran Kalkan: Zweifelsohne ist der Friedens- und Demokratisierungsprozeß, den wir entwickeln wollen, zu Gunsten der Völker und wiederum zum Vorteil der Kräfte auf seiten der Demokratie und des Friedens. Der jüngste dabei unternommene Schritt stellt einen außerordentlich wichtigen Wendepunkt für den Erfolg dieses Prozesses dar. Aus dieser Sicht ist es ganz natürlich, daß politische Kreise sowohl innerhalb als auch außerhalb sich ihm sehr sensibel nähern. Auf anderer Art und Weise wäre das nicht möglich gewesen. Es ist wiederum natürlich, daß die Kräfte der Demokratie und des Friedens an diese Sensibilität positiv herangehen und ihr in diesem Sinne Aufmerksamkeit entgegenbringen. In diesem Rahmen ist die Begrüßung und Wertschätzung der demokratischen Kräfte Europas, ihrer Organisationen, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und anderer politischer Kreise für uns sehr wichtig und positiv. Wenn diese selbst sich um die Entwicklung des Prozesses bemühen würden, hätten sie auch ihre demokratische Aufgaben erfüllt. Die Erklärungen des geehrten Ministerpräsidenten Ecevit haben auch wir verfolgt. Er drückt solch eine positive Herangehensweise aus, der wir zweifellos Bedeutung und Wert beimessen. Wir glauben, sie noch weiter entwickelt werden kann, daß sie nicht nur auf der Ebene einer Erklärung bleiben wird, sondern entsprechend unserem eigenen Schritt durch weitere praktische Maßnahmen vorwärtsgebracht werden kann. Denn nur mit politischen Schritten erweckt man derartige Erklärungen zum Leben.

Frage: Der letzte Schritt der PKK ist sehr offenkundig, konkret und praktisch. Wie sollte Ihrer Meinung nach die Türkei dem über Erklärungen hinaus begegnen?

Duran Kalkan: In der Türkei entsteht nun das Bedürfnis nach praktischen Schritten. Diskussionen wurden geführt und zum größten Teil Versprechungen gemacht. Es ist von großer Bedeutung, diese, ohne Zeit zu verlieren, nun langsam in der Praxis umzusetzen, die notwendige Politik zu entwickeln, hierfür notwendige Reformen zu vollziehen. Eine Zeitverschwendung in dieser Sache wird auch zu materiellen Verlusten führen. Schon jetzt geschieht das. Wir glauben, daß diese positiven Entwicklungen auf der Ebene von Erklärungen noch durch weiterführende Schritte in der politischen Praxis ergänzt werden können. Es gibt keine Hindernis mehr hierfür. Daß es keine Hindernisse gibt, das diese Phase unbedingt zum Erfolg führen wird, hat unser Schritt bewiesen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Platz für Unentschlossenheit und Befürchtungen, den darf es auch nicht geben. Eine so wichtige Entwicklungsphase nicht zu verstehen, die großen Veränderungen und Umwandlungen auf der Basis von Frieden und Demokratie nicht zu sehen, eine entgegengesetzte Haltung an den Tag zu legen, das wäre eine anormale Reaktion.

Frage: In der Erklärung des Präsidialrates ist die Rede von einem Brief des Zentralkomitees der PKK an die türkischen Staatsvertreter. Was ist der Inhalt dieses Briefes?

Duran Kalkan: Wir schicken mit unserer Gruppe für eine demokratische und friedliche Lösung einen Brief an den Staatspräsidenten der Türkischen Republik, an den Ministerpräsidenten, an den Generalstabschef und den Vorsitzenden des Türkischen Großen Nationalversammlung. Den Inhalt können wir wenn notwendig später öffentlich machen. Der Brief beinhaltet den Kern der Erklärungen unseres Vorsitzenden und der anderen Gremien unserer Partei. Sie beinhaltet unsere Forderung und Wunsch nach einer Vereinigung mit einer Türkei, die demokratisch und friedlich ist, und die ihre Probleme im demokratischen Rahmen löst. Das hatten wir schon früher erklärt. Nun bringen wir unsere Entschlossenheit noch einmal mit einer derartigen Botschaft zur Sprache. Bevor die Türkei den genannten Zustand erreicht, sind einige Grundaufgaben zu erfüllen, grundlegende Schritte zu unternehmen. Wir bringen unsere Erwartungen, unsere Hoffnungen und Wünsche zum Ausdruck, daß diese Schritte ohne Verspätung unternommen werden. Wenn diese realisiert werden, werden wir ebenfalls die notwendige Antwort auf diese Entwicklungen geben und mit der Türkei, die diese Schritte unternimmt, zusammenleben können. Wir bringen unseren Glauben zum Ausdruck, daß die Türkei das 21. Jahrhundert stark reformiert und erneuert, in einer sehr aktiven Weise beginnen wird, und sich so auf eine sehr hoffnungsvolle Zukunft hinbewegt. Wir erklären im weiteren, daß wir bei den Aktivitäten, die auf dieser Grundlage basieren, bis zum Schluß mit ihnen sein werden.

Frage: Wenn die Gruppe die Türkei erreicht, wird sich neben den politischen Diskussionen auch die Diskussionen um das Rechtssystem verstärken. Es ist offensichtlich, daß die Türkei es für notwendig erachten wird, eine rechtliche Regelung zu treffen, die neben den 10.000 PKK-Gefangenen auch diese Gruppe einschließt. Was für eine Regelung ihrer Meinung nach sollte es geben?

Duran Kalkan: In Bezug auf die gegenwärtige Rechtssystem werden ohnehin tiefgreifende Diskussionen geführt. Der verehrte Vorsitzende des Kassationsgerichts (Sami Selcuk, Anm. d. Ü.) hat den Zustand der gegenwärtigen Rechts und wie es verändert, demokratisiert werden muß, sehr ausführlich dargelegt. Auf dieser Grundlage halten die Diskussionen an. Selbstverständlich wird unsere Gruppe für eine friedliche und demokratische Lösung, wenn sie die Türkei erreicht, diese Diskussionen zur Rechtsreform noch mehr entwickeln. Das wird in einer Form stattfinden, die die ganze Türkei und auch die Kurden einschließt und sehr umfassend eine Neuordnung des Rechts auf die Tagesordnung setzt. In diesem Rahmen muß selbstverständlich die gegenwärtige Rechtsordnung größten Teils verändert werden. Im gegenwärtigen Recht ist der demokratische Rahmen so gut wie nicht vorhanden. Für die Kurden ist kein Platz, es gibt keine rechtliche Garantien für verschiedene Volksgemeinschaften, für verschiedene Kulturen, für den freien Gebrauch der Sprachen. All das muß sich ändern. Zweifellos hat unsere Lösungsgruppe eine wichtige Mission. In dem Maße, wie sie ihre Rolle spielt, werden sich in der Türkei Frieden und Demokratie entwickeln. Um diese Mission erfüllen zu können, bedarf es aber eines angemessenen rechtlichen Rahmens. Es wird notwendig sein, eine Rechtsordnung zu entwickeln, die die Situation aller PKK-Gefangenen, der neuen Gruppe sowie aller unserer Kräfte, die gekämpft haben, berücksichtigt. Mit einer engstirnigen Herangehensweise können alle Kräfte der PKK nicht am Leben beteiligt und mit dem türkischen System vereint werden. Die Vereinigung hängt von einer umfangreichen rechtlichen Neuordnung ab, es bedarf einer ausgiebigen sowohl allgemeinen als auch umfangreichen rechtlichen Neuordnung. Sie wird auf jeden Fall allen voran einer Veränderung der Verfassung bedürfen. Eine neue und demokratische Struktur der Verfassung wird auf die Tagesordnung kommen. Dies wird ohnehin diskutiert, es wird sich noch verstärken. Dies ist zwingend.

Frage: Wie bewerten Sie die Diskussionen und Vorschläge zu diesen Themen?

Duran Kalkan: Es ist ganz klar, daß die gegenwärtigen Gesetze oder die Gesetze, die auf dieser Grundlage entwickelt wurden, nicht ausreichen. Es gibt Gesetze wie das Reuegesetz, das Anti-Terrorgesetz u.ä. Es ist offensichtlich, daß diese keine ernst zu nehmende Rolle spielen und keine Lösung hervorbringen. Sie können es auch nicht. Es ist nicht möglich, die Friedens- und Demokratiephase mit dieser Art von Gesetzen voranzubringen. Es widerspricht dem Geist dieser Etappe, daß diese Gesetze erlassen wurden, daß sie weiterhin auf der Tagesordnung gehalten werden und daß die Existenz dieser Gesetze gegen die selbstlosen und couragierten Schritte unserer Seite angewendet werden. Sie steht in keinster Weise mit dem Inhalt der Probleme in Einklang. Als erstes müssen sie verändert werden. Mit diesen Gesetzen kann man nichts erreichen. Das müssen sowohl der Staat, die Regierung und die betreffenden Organe unbedingt sehen. Es ist nicht richtig, mit dieser Art von Diskussionen Zeit zu verlieren. Ein Generalamnestie für alle politischen Gefangenen ist notwendig. Daher ist es zwingend, daß eine entsprechendes Gesetz, welches die politischen Gefangenen einschließt, vorbereitet und erlassen wird. Das wird zweifelsohne ein Beginn sein. Im weiteren ist es notwendig, daß Gesetze vorbereitet und erlassen werden und rechtliche Reformen vollzogen werden, welche die Organisierungs- und politische Betätigungsfreiheit unter Garantie stellen, damit diese Kräfte sich im Rahmen ihres Verständnisses demokratisch und politisch betätigen können. Eine solche Rechtsreform muß umfassend vollzogen werden. Der rechtlichen Ordnung der Türkei muß sich unserer Auffassung nach so angenähert werden, um den aktuellen Entwicklungen entsprechen zu können. Wenn das geschieht, wird die Etappe erfolgreich sein.