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Berlin, 26.11.1999



An die Redaktionen:
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Eine Erklärung von Abdullah Öcalan zu seiner Verschleppung:

  • Wer war an dem Komplott beteiligt?
  • Welche Interessen wurden hierbei verfolgt?


Heute veröffentlichten die Rechtsanwälte von Abdullah Öcalan in einer Pressekonferenz in der Türkei eine schriftliche Erklärung ihres Mandanten über die Umstände seiner Verschleppung. Abdullah Öcalan benennt Namen, die aktiv an dem Komplott beteiligt waren. Im folgenden geben wir die Erklärung in deutscher Übersetzung wieder:

"An die Presse und die Öffentlichkeit

Die Phase, in die ich nach (meiner Ausreise aus, A.d.Ü) Syrien eingetreten bin, ist eine Phase, in die die NATO eingetreten ist. In dieser Zeit wurde ich durch eine Sonder- Operationseinheit der NATO unter Beobachtung gestellt. Sogar als ich mich aus Syrien nach Griechenland - in die Falle - zurückzog, waren die NATO Beauftragen aktiv. Alle Personen, sowohl militärische als auch zivile, die mit mir in dieser Zeit in Kontakt standen, waren NATO Mitarbeiter.

Rußland hat sich an diesem Komplott beteiligt, um vom IWF Kredite erhalten zu können. Deutschland stellte sich seiner humanitären Verantwortung nicht und Italien hat sich nicht an seine demokratische Tradition gehalten, indem es nicht mutig gehandelt hat. Auch die Gruppe in Italien, die mit mir in Kontakt stand, hatte Verbindungen zur NATO. Eine Einheit des Gladio, die außerhalb der Kontrolle der Regierung stand, hat in der Zeit in Rom eine bestimmende Rolle eingenommen. Aus diesem Grund besaß die italienische Regierung kein Selbstbewußtsein und keine bestimmende Kraft. Als ich zuletzt nach Griechenland ging, waren die militärischen Kreise der NATO und der USA um mich herum. In diesem Sinne war es die Kerneinheit der NATO, die sich in Europa um mich kümmerte. Der griechische Botschafter Kostulas, der mich empfing, als ich nach Kenia geschickt wurde, sagte zu mir: "Ich stand 20 Jahre lang an der Spitze der Einheit in der NATO, die dich ständig recherchiert hat. Während ich dich im Himmel suchte, fand ich dich auf der Erde" (Türkisches Sprichwort, A.d.Ü.).

Die Türkei war in Bezug auf diese Phase in Kenntnis gesetzt worden. Ständig wurde die Türkei benachrichtigt, es fand ein kontinuierlicher Nachrichtenaustausch statt. Entsprach es den griechischen Interessen, dass ich ausgeliefert wurde? Oder entsprach es den Interessen Israels? Wenn sie auch dem Anschein nach die Türkei unterrichten, so sind doch der griechische Nachrichtendienstchef Baby, Kalenderis und Kostulas Mitarbeiter der NATO und zudem fanatische Türkenfeinde. Mit welcher Zielsetzung haben diese drei Personen mich in dieses Spiel hineingezogen. Für ihre eigenen Interessen, für US-Interessen oder für israelische Interessen? Diese Frage wurde bislang nicht aufgeklärt. Dieses Team hat mich später an die Türkei verkaufen wollen und im Ergebnis war es die Gladio der NATO, die mich interniert hat.

Als im Flugzeug meine Augenbinde geöffnet wurde, habe ich gesagt, dass ich für den Frieden leben werde. Die ersten Worte der Verantwortlichen, die mich empfingen, als ich in die Türkei gebracht wurde, lauteten: "Das ist ein Spiel. Wir werden dieses Spiel ins Leere laufen lassen. Sie beabsichtigen Brüder gegeneinander aufzuwiegeln". Darauf habe ich dann gesagt: "Wenn wir Brüder sind, können wir uns gegenseitig behilflich sein und dieses Spiel ins Leere laufen lassen". Im Endeffekt habe ich diesen Plan erkannt und daran geglaubt, dass er durchkreuzt werden muss. Denn der griechische Botschafter hat ein Spiel gespielt. Ich habe die Aussage der Verantwortlichen, die mich empfangen haben, für wichtig gehalten. Meine Aussagen während des Verhörs und während des Gerichtsverfahrens richteten sich gegen diesen Plan.

Die Initiative lag bei der USA. Die verantwortliche Person für das Komplott der USA war der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates Sandy Berger. Ich glaube nicht, dass bei dem Komplott der US-Präsident Bill Clinton einen direkten Einfluß hatte. Sandy Berger war der Verantwortliche für das Komplott und die Operation hat er geleitet. Die Frage, ob Clinton hierbei aktiv war oder nicht, kann ich nicht beantworten. Israel hat sich an diesem Komplott beteiligt, um Syrien an sich zu binden. In Bezug auf meine Situation in Kenia glaube ich, dass auch Israel einen Beitrag geleistet haben könnte. Die verantwortliche Person Israels ist an diesem Punkt der Nachrichtendienstchef David Irvin. David Irvin hat das Komplott gegen mich gemeinsam mit dem US-Amerikaner Sandy Berger durchgeführt. Die Türkei hat hierbei keine wichtige Rolle gespielt. Mesut Yilmaz erklärte: "Wir waren nicht in Kenntnis davon, dass Öcalan gebracht wird (in die Türkei, A.d.Ü.). Kreise aus dem Auswärtigen Amt erklärten: "Seine Auslieferung ist nachteilig für uns". Kenan Evren hingegen sagte in etwa: "Dieser Mann wird ein Plage für uns sein". Allgemein wird zum Ausdruck gebracht, dass "wir keine große Rolle spielten. Er wurde ja sowieso zu einem Paket zusammengeschnürt".

Meine ganze Haltung war darauf angelegt, dieses Spiel ins Leere laufen zu lassen und bis heute habe ich dafür gearbeitet. Ich glaube, dass die Kräfte, die das Komplott durchgeführt haben, weiterhin die Kontrolle haben. Ich hoffe, dass der verehrte Demirel (Süleyman Demirel, Staatspräsident der Türkei, A.d.Ü.), der verehrte Ecevit (Premierminister der Türkei, A.d.Ü.) und der verehrte Yilmaz (Mesut Yilmaz, Vorsitzende der ANAP, A.d.Ü.) eine Einstellung entwickeln können, die ihnen ermöglicht, dieses Komplott zu erkennen und eine verantwortungsbewußte Haltung an den Tag zu legen. In diesem Sinne bewerte ich die Haltung des Generalstabschefs positiv. Ich denke, er ist sich über die Entwicklungen bewußt. Meine Haltung ist nicht darauf angelegt, mich zu retten, sondern diese große Falle zu zerstören, ein großes Spiel ins Leere laufen zu lassen. Im weiteren verurteile ich diejenigen, die an diesem Plan beteiligt sind. Dieses Komplott ist durch eine enge Kerngruppe durchgeführt worden. Es gibt Vorläufer ähnlicher Entwicklungen. Das aktuelle Komplott gegen mich ist eine Fortsetzung der Ermordung des ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme.

Meine Haltung in Bezug auf die Demokratische Republik ist strategischer Art. Es ist ein Projekt, das den Interessen aller Völker, der Türkei und der Region entspricht. Durch die von uns unternommen Schritte hält die Friedensphase zum Teil an, allerdings habe ich hierbei Befürchtungen. Die letzten Attentate (der Mord an Kislali und die mysteriösen Todesumstände von Incetahtaci) erwecken Zweifel in mir. Kislali war in der Riege der Kemalisten ein Verfechter eines demokratischen Konsens und einer demokratischen Lösung. Ich maß ihm Wert bei.

Ich beschuldige Europa und die USA nicht total. Auch zur Rolle Israels muss folgendes klargestellt werden: Das Komplott hat zu Zeiten Netanyahu`s stattgefunden. David Irvin war damals der Chef des Geheimdienstes. Jetzt steht Ehud Barak an der Spitze. Barak erscheint als friedliebend, er versucht den Friedensprozess im Mittleren Osten zu entwickeln. Auch in Griechenland kann es Demokraten geben, und wir haben Freunde im griechischen Volk. Aber die Rolle der Regierung im Komplott ist offensichtlich. Für Italien kann folgendes gesagt werden: Eine Einheit des Gladio, die außerhalb der Kontrolle der italienischen Regierung agiert, hat eine entscheidende Rolle in dem Komplott gespielt.

Es ist sicher, dass diejenigen, die mich an die Türkei ausgeliefert haben, bestimmte strategische Ziele verfolgen. Sie haben dies nicht getan, weil sie die Türkei sehr lieben. Ich denke, dass die echten Patrioten der Türkei diese Realitäten kennen wissen müssen. Das Ausmaß dieses Spiels muss begriffen werden. Ich betone mit Nachdruck, dass all diese Umstände aufgeklärt werden müssen.

Die Bestätigung des Urteils durch den Kassationsgerichtshof hat in der jetzigen Phase für mich keinen großen Wert mehr. Ich habe konkret den Rahmen einer Lösung für dieses Land, das sich durch Ausweglosigkeit und fehlende Politik auszeichnet, herausgearbeitet. In diesem Sinne habe ich meine historische Verantwortung erfüllt. Diese Gewissheit beruhigt mich. Ich werde meine Rolle, auch wenn es im Grab sein sollte, fortsetzen. Ich bin überzeugt davon, dass ich alles mir zufallende für einen Frieden, den diese Region so dringend braucht wie Luft, Wasser und Erde, getan habe. Ich möchte, dass alle wissen, dass unser Kampf für dieses Ziel geführt wurde.

Auf dieser Grundlage unterstreiche ich noch einmal, dass ich den von mir begonnen großen Friedensmarsch fortführen werde und möchte zum Ausdruck bringen, dass, wenn ich leben sollte, mein Leben auf der Basis der Demokratischen Republik stattfinden wird und ich kein Leben außerhalb einer solchen akzeptieren werden kann. Ich rufe alle dazu auf, sich für den Einzug eines würdigen Friedens in Anatolien und Mesopotamien einzusetzen und übermittle meine Grüße."