Berlin, 25.11.1999
An die Redaktionen:
Aktuelles / Ausland / Inland / Mittlerer Osten / Türkei
/ Kurdistan
Pressemitteilung Nr. 2
Heute bestätigte der oberste Kassationsgerichtshof
der Türkei das Todesurteil über Abdullah Öcalan.
Dies erschwert den sich in der Türkei abzeichnenden Friedensprozess.
Die Türkei befindet sich an einem Scheideweg: Krieg oder
Frieden? Aus aktuellen Anlaß dokumentieren wir nachfolgend
die heutige Erklärung des Präsidialrates der Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) ungekürzt und in deutscher Übersetzung:
"An die Öffentlichkeit
Die Türkische Republik beharrt weiterhin auf ihre Vernichtungspolitik
gegenüber dem kurdischen Volk. Heute wurde die Entscheidung
des Kassationsgerichtshofes gegen unseren Parteivorsitzenden
und die Führungskraft des kurdischen Volkes, Abdullah
Öcalan getroffen. Die Entscheidung hat aus Sicht unseres
Volkes und der Menschheit keinerlei Legitimation, sie ist
vielmehr die Bestätigung des Todesurteils des Nationalen
Sicherheitsrates. Die Bestätigung des Todesurteils durch
den Kassationsgerichtshof trägt zweifellos einen politischen
Charakter. Sie drückt das Beharren auf die bisherige
Phase der gegen unser unschuldiges Volk gerichteten Vernichtung.
Die Ablehnung des Friedens stellt die größte Verletzung
der Menschenrechte und demokratischen Werte dar. Diese Entscheidung,
welche zu einem Zeitpunkt gefällt wurde, an dem gegen
unsere Kräfte, die den Kampf einstellten und sich im
Rückzug befinden, Militäroperationen durchgeführt
werden, kann keine andere Bedeutung haben. Die Bestätigung
des Todesurteil ist die Antwort auf die Entwicklung des von
unserem Vorsitzenden eingeleiteten und von unserer Partei
getragenen demokratischen Transformations- und Umwandlungsprozesses
(der Türkei, A.d.Ü.). Die Türkische Republik
hat die äußerst opferbereiten Bestrebungen unseres
Vorsitzenden, unserer Partei und unseres Volkes nicht positiv
erwidert. Auch wurden die lösungsorientierten Annäherungen
der Welt und der Menschheit sowie die in der Deklaration der
OSZE in Istanbul beschlossenen Prinzipien für nichtig
erklärt. Trotz alledem wird das Leben unseres Vorsitzenden
weiterhin als Verhandlungsgrundlage genutzt. Wie am Beispiel
der MHP (Nationalistische Bewegungspartei) ersichtlich, wurde
der Frieden abgelehnt und die Werte der Menschenrechte und
der Demokratie geopfert, um entsprechend den Forderungen der
reaktionären Kräfte handeln zu können. So wie
in der Vergangenheit wird auch heute das freie Lebensrecht
des kurdischen Volkes nicht anerkannt und statt auf einer
Lösung zu bestehen, wird auf der Ausweglosigkeit beharrt.
Die Bestätigung des Todesurteils durch den Kassationsgerichtshof
setzt den Umwandlungs- und Transformationsprozess für
Frieden und Demokratie einer großen Gefahr aus. Die
einseitigen Vorkehrungen und opferbereiten Bestrebungen unsererseits
zur Entwicklung einer solchen Phase werden vom türkischen
Staat ausgenutzt, was die Geduld unserer Partei und unseres
Volkes strapaziert. Die Toleranz, die unser Vorsitzender,
unsere Partei, unser Volk und die Staatengemeinschaft dem
türkischen Staat im Bezug auf eine Lösung entgegenbringt,
wird, wie es am Beispiel der Zurückhaltung gegenüber
dem Hitler-Faschismus anfänglich sichtbar war, in ein
Mittel der Ausnutzung verwandelt. Der türkische Staat
überwindet seine, von der MHP aufgezwungenen und auf
höchster Ebene vertretenen Vernichtungspolitik nicht
und unternimmt keinerlei Schritte, die für eine demokratische
Umwandlung und Transformation notwendig sind. Unsere Partei
glaubt, dass von Seiten unseres Volkes und der internationalen
Staatengemeinschaft eine aktive und entschlossene Haltung
gegenüber der unter der Führung der MHP betriebenen
Vernichtungspolitik notwendig ist.
Im Fall der Aufrechterhaltung der bisher gezeigten
Toleranz (gegenüber der Türkei, A.d.Ü.), werden
die reaktionären Kräfte in ihrer vernichtenden Haltung
noch bedenkenloser werden und den friedlichen und demokratischen
Umwandlungs- und Transformationsprozess in die Erfolglosigkeit
führen. Deshalb erklären wir, dass es an der Zeit
ist zu handeln. Es muß weit mehr getan werden, als nur
die Vollstreckung des Todesurteils zu verhindern. Die Freilassung
unseres Vorsitzenden und die Verwirklichung von rechtlichen
Reformen zur Lösung der kurdischen Frage sind von großer
Bedeutung. In dieser Hinsicht muß auf den türkischen
Staat eingewirkt werden. Daher rufen wir unser Volk dazu auf,
seinen Widerstand auf politischer Ebene zu stärken und
appellieren an die internationale Staatengemeinschaft, hierfür
ihre Bestrebungen zu verstärken."
|