Wie das Pressebüro der Befreiungsarmee Kurdistans (ARGK)
verlauten ließ, hat die KDP in Süd-Kurdistan eine
umfangreiche militärische Operation gegen Kräfte
der PKK begonnen. Auch die türkische Armee beteiligt
sich mit weit über 20.000 Soldaten. Meldungen zufolge
werden die Pesmergas von der türkischen Armee technisch
und logistisch unterstützt. Nach Einschätzung der
ARGK wird die Operation mehr als 10 Tage andauern. In Anbetracht
der Urteilsverkündung im Fall Öcalan vor dem Obersten
Kassationsgerichtshof der Türkei und dem kurz bevorstehenden
21. Gründungsjahr der Partei erklärte der Präsidialrat
der PKK, dass die Wahl des Zeitpunktes kein Zufall sei. Schon
mehrmals unterbreitete die PKK der KDP ein Waffenstillstandsangebot.
Erst kürzlich verkündete sie einen einseitigen Waffenstillstand,
der jedoch bei der KDP auf wenig Beachtung stieß. In
der Waffenstillstandserklärung vom 1. September1999 wurde
die Einstellung der militärischen Aktionen bis auf weiteres
verkündet. Nur im Falle von militärischer Aggression
seitens der KDP würde vom Selbstverteidigungsrecht Gebrauch
gemacht werden. In der zu diesem Anlass verbreiteten Erklärung
betonte die PKK, dass sie, wenn dieser Schritt zum Beginn
eines Dialoges führt und den Weg zur nationalen Einheit
ebnet, diesbezüglich sämtliche Schritte unterstützen
wird. Am 7. November 1999 richtete der Präsidialrat der
PKK einen Brief an das Politbüro der Demokratischen Partei
Kurdistans. In diesem Brief wurde ausdrücklich der Wunsch
nach einer friedlichen Lösung der zwischen beiden Parteien
vorhandenen Probleme zum Ausdruck gebracht. In Anbetracht
der neuerlichen Aggression und Zurückweisung des Friedensanliegens
der PKK dokumentieren wir nachfolgend den Brief in voller
Länge und deutscher Übersetzung:
"An das Politbüro der KDP,
ohne eine Lösung für die Freiheitsfrage gefunden
zu haben, überschreitet unser in allen vier Teilen Kurdistans
ansässiges Volk die Schwelle zum 21. Jahrhundert. Es
kann nicht als normal angesehen werden, dass zu einer Zeit,
wo alle großen wie kleinen Völker bestimmte Lösungen
für ihre Probleme finden, sich das kurdische Volk immer
noch großen Problemen gegenüber sieht und keine
Lösung für seine Freiheitsfrage finden konnte. Zweifellos
sind für diese Situation diejenigen Kräfte verantwortlich,
die sich als Führung unseres Volkes bezeichnen. Dass
in Kurdistan seit zwei Jahrhunderten Aufstände und Rebellionen
stattfanden und diese von den jeweiligen Vormachtskräften
unterdrückt wurden, ist eine nicht zu leugnende Realität.
Obwohl unser Volk gekämpft und einen hohen Preis bezahlt
hat, konnte es nicht die Freiheit erringen. Diejenigen Kräfte,
die in allen vier Teilen Kurdistans eine Führungsrolle
im Kampf unseres Volkes übernommen haben, müssen
hierbei ihre Verantwortung erkennen. Es ist nicht akzeptabel,
dass diese Kräfte ihren Anteil an einer mangelnden Problemlösung
nicht sehen und andere Kräfte für diese Erfolglosigkeit
verantwortlich machen. Trotz großen Blutvergießens
und großer Aufopferung, tragen die wichtigen Organisationen
Kurdistans den entscheidenden Teil der Verantwortung dafür,
dass die kurdische Frage noch immer nicht gelöst wurde.
Auch wenn bezüglich dieser Situation noch andere Faktoren
eine Rolle spielen, so besteht der Hauptgrund darin, dass
bestimmte kurdische Parteien und Organisationen untereinander
keine beständige Beziehungen entwickeln konnten. Bei
der Tatsache, dass unser Volk immer noch keine Lösung
erreicht hat, spielt es eine große Rolle, dass immer
noch innere Gefechte stattfinden und die daraus resultierenden
negativen Folgen an der Tagesordnung sind. Das gleiche gilt
für die Auseinandersetzungen zwischen der PKK und KDP.
So wie es niemandem genutzt hat, dass diese beiden großen
Organisationen sich gegenseitig bekämpfen, hat dies dem
kurdischen Befreiungskampf großen Schaden zugefügt,
was auch heute noch so ist. Die einzige Seite, die von den
Auseinandersetzungen zwischen unseren Parteien als auch denjenigen
der anderen kurdischen Organisationen untereinander profitierten,
sind die Kräfte, die unser Land unter ihrer Herrschaft
halten.
Auch Sie werden einsehen, dass die Geschichte der inneren
Gefechte nur unsere nationalen Kräfte geschwächt
hat. So wie es bis heute keine Sieger in diesem für unser
Volk unsäglichen inneren Kriegszustand gegeben hat, wird
es auch keinen in Zukunft geben. Ohne darauf zu verfallen,
nach der größeren Verantwortung einer Seite für
diese Gefechte zu suchen, muß diesem negativen Verlauf,
der die Probleme unseres Volkes immer schwerwiegender macht,
klar Einhalt geboten werden, um die Freiheitsfrage unseres
Volkes zu lösen, An Stelle von Auseinandersetzung und
Ausweglosigkeit eine solidarische Umgangsform zu finden, ist
für die Lösung der Freiheitsfrage unseres Volkes
von äußerster Notwendigkeit. Insbesondere für
unsere beiden Parteien, wie auch für jede andere Partei
und Organisation ist es der einzige Ausweg, sich auf dieser
Grundlage zu bewegen. Wir glauben, dass die Zeit reif ist,
um im kurdischen Freiheitskampf eine solche Phase zu beginnen.
Trotz aller Widrigkeiten der Vergangenheit, besteht heute
für unser Volk die Möglichkeit, mit einer Lösung
in das neue Jahrhundert einzutreten. In einer Zeit, in der
die kurdische Frage auf internationaler Ebene diskutiert wird,
gibt es sogar die Möglichkeit, hinsichtlich einer Lösung
Entwicklungen voranzutreiben. Deshalb ist es für unsere
gegeneinander kämpfenden Parteien von äußerster
Wichtigkeit, ihre Probleme auf dem Weg des Dialoges zu lösen.
Neben der unter der Führung unseres Vorsitzenden für
Demokratie, Frieden und eine Lösung eingeleiteten neuen
Phase, wird dies mit der Durchführung ihres letzten Parteikongresses
möglich. Demzufolge würde die Einstellung der Gefechte,
die Schaffung eines Friedens und der Atmosphäre des Dialoges
einen positiven Einfluß auf die Zukunft des kurdischen
Volkes ausüben. Ein solches Vorgehen würde für
die Kurden das 21. Jahrhundert gleichzeitig zum Jahrhundert
der Lösung machen. Auf der Grundlage der oben genannten
Sichtweise appellieren wir als Präsidialrat der PKK an
sie, den Dialog für einen dauerhaften Frieden und eine
dauerhafte Lösung zu beginnen, sowie die dafür notwendigen
Schritte zu unternehmen. Im Glauben an eine positive Aufnahme
des von uns als historische Notwendigkeit und äußerst
wichtig erachteten Appells."