YEK-KOM, Föderation Kurdischer
Vereine in Deutschland Düsseldorf, 25.11.1999 Ankara bestätigt Todesurteil gegen Abdullah Öcalan Am heutigen Morgen hat das Kassationsgericht in Ankara
sein Urteil verkündet und das Todesurteil der Vorinstanz gegen
den Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, bestätigt. Die
Urteilsverkündung dauerte nur fünf Minuten; die Begründung
des Urteils steht noch aus und ist innerhalb eines Monats zu erwarten.
Theoretisch könnte gegen dieses Urteil durch die Verteidigung noch
Beschwerde eingelegt werden. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch bereits
mitgeteilt, dass sie die vorgeschriebene Genehmigung der Beschwerde
verweigern würde. Somit ist der Rechtsweg innerhalb der Türkei
ausgeschöpft. Die Rechtsanwälte Abdullah Öcalans hatten
bereits im Vorfeld der Entscheidung angekündigt, dass sie bei einer
Bestätigung des Urteils den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte (EuGHMR) in Straßburg anrufen werden. Staatspräsident
Demirel und Minsterpräsident Ecevit hatten gegenüber der Presse
und in Gesprächen erwähnt, dass die Türkei eine Entscheidung
des EuGHMR abwarten werde, ehe weitere Entscheidungen getroffen werden.
Gestern Abend tagte der Nationale Sicherheitsrat der Türkei; anschließend
hielten die Spitzen der Regierungsparteien eine Sitzung ab. Über
die Inhalte beider Sitzungen wurde bisher nichts bekannt. Man nimmt
jedoch an, dass es u.a. darum ging, Änderungen der Verfassung vorzubereiten;
eine solche Notwendigkeit war in jüngster Zeit mehrfach in der
Türkei zur Sprache gekommen. Das Urteil des Kassationsgerichts
war für niemanden eine Überraschung. Es zeigt jedoch, dass
die Türkei, ungeachtet des Aufnahmewunsches in die EU, ihre starre
Haltung bisher nicht aufzugeben gewillt ist. Unverbindlichen Erklärungen
von türkischer Seite, dass Änderungen nötig seien, stehen
Handlungen wie das heutige Gerichtsurteil entgegen. Diese Taktik wird
durch die doppelzüngige Politik europäischer und vor allem
deutscher Spitzenpolitiker unterstützt und gestärkt. Den Anmahnungen
einer Verbesserung der Menschenrechtslage und nach Abschaffung der Todesstrafe
in der Türkei sollten aus Europa deutlichere Signale folgen. Lippenbekenntnissen
auf der einen Seite Waffenlieferungen auf der anderen gegenüberzustellen,
wird in der Türkei nichts bewegen. Wenn Europa keine klare Politik
betreibt, keinen Druck in Richtung einer Nichtvollstreckung des Todesurteils
gegen Herrn Öcalan entsprechend der sonst so klaren Haltung Europas
zur Todesstrafe ausübt, kann es sein, dass sich in der Türkei
diejenigen Parteien und Gruppierungen durchsetzen, die seine Hinrichtung
verlangen. Mit dieser Frage ist aber der Frieden im mittleren Osten
und die wirtschaftliche Entwicklung der ganzen Region eng verknüpft.
Auch wenn die PKK nach den Aussagen hoher Funktionäre endgültig
die Waffen niedergelegt hat, muss jedem klar sein: Sollte Abdullah Öcalan,
der mit der Entwicklung seiner Friedenspolitik auch aus dem Gefängnis
großen Einfluss auf die Kurdinnen und Kurden hat, hingerichtet
werden, ist mich Sicherheit mit weiterem Blutvergießen und neuen
Aufständen der Kurden zu rechnen. Der deutsche Botschafter in der
Türkei, Hans Jürgen Fergau, hat in einer offenen Botschaft
an die türkische Regierung klar gesagt: Die Türkei behaupte
zwar, sie hätte kein Kurdenproblem. Deutschland habe jedoch ein
solches Problem, mit einer halben Million Kurden, die ihre Rechte fordern.
Wenn Abdullah Öcalan hingerichtet würde, könne die Türkei
nicht mit Berücksichtigung ihrer Wünsche in Helsinki rechnen.
Die türkische Presse kommentierte, das sei vermutlich nur die persönliche
Meinung des deutschen Diplomaten. Derartige Kommentare zu dieser klaren
Aussage wären nicht möglich, wenn die deutsche Politik der
Türkei gegenüber insgesamt eindeutig und glaubhaft wäre!
Wir fordern von der deutschen Regierung, die Identität der Kurden
in Deutschland anzuerkennen, ihnen klare Rechte als Minderheit zu gewähren
und vor allem, unverzüglich das "PKK-Verbot³ aufzuheben.
Das wären Mittel, die Kurdenpolitik auch der Türkei zu verändern.
Besonders das "PKK-Verbot³, vor sechs Jahren ausgesprochen,
ist völlig anachronistisch. Die PKK hat sich zu einer Friedenspartei
gewandelt, die in der Türkei und international mit ausschließlich
politischen Mitteln arbeitet. Dafür hat sie viele Beweise geliefert.
Eine Aufhebung dieses Verbots würde es der Türkei sehr schwer
machen, ihre eigene "Terrorismus-Theorie³ in der Kurdenfrage
weiterhin aufrecht zu erhalten.
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