Dialog-Kreis:
"Krieg in der Türkei -
Die Zeit ist reif für eine politische Lösung"
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Köln, den 18. Dezember 1999
Artikeldienst des Dialog-Kreises
Die vergangenen Wochen waren unter anderem gekennzeichnet
von den Diskussionen um neue deutsche Panzer- und sonstige Waffenlieferungen
an die Türkei. Die rot-grüne Bundesregierung scheint entschlossen
zu sein, einem Staat, der gegen einen Teil seiner Bevölkerung,
die Kurden, einen Krieg führt, der Menschenrechtsaktivisten einsperrt,
Killer und Mafiabosse hingegen unbehelligt lässt, mit weiteren
Waffenlieferungen eine "Europäische Perspektive" anzubieten.
Unser Mitstreiter Ralf Kaufeldt hat zusammengetragen, warum auch ein
Jahr nach dem Regierungswechsel von der angekündigten veränderten
Rüstungsexportpolitik immer noch keine Rede sein kann.
Der Text steht zum freien Abdruck zur Verfügung.
Wir bitten aber um Zusendung eines Belegexemplars.
"Europäische Perspektiven"
für die Türkei mit Waffen!?
Über die Kontinuität bei deutsch-türkischen Rüstungsgeschäften
Von Ralf Kaufeldt
"Bei Rüstungsexportentscheidungen wird der Menschenrechtsstatus
möglicher Empfängerländer als zusätzliches Entscheidungskriterium
eingeführt." So steht es in der Koalitionsvereinbarung von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998. Nichtsdestotrotz
hat der Bundessicherheitsrat exakt ein Jahr danach, am 20.10.99, mit
3:2 Stimmen der Lieferung eines Kampfpanzers des Typs Leopard-2A5 von
Krauss-Maffei-Wegmann an die Türkei zu einjährigen Testzwecken
zugestimmt. Bundeskanzler Schröder, Wirtschaftsminister Müller
und Verteidigungsminister Scharping stimmten dafür, Außenminister
Fischer und die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit Wieczorek-Zeul
dagegen. (FR, 26.10.99)
Vorentscheidung bereits gefallen?
Das Debakel war vorhersehbar. Bereits im Frühjahr 1999 war der
Bundessicherheitsrat wegen einer Voranfrage deutscher Rüstungsfirmen
mit dem Thema Panzerlieferungen in die Türkei befasst gewesen,
und schon damals gab es dieselben Mehrheitsverhältnisse. Dass man
sich nun in der entscheidenden Sitzung "nur" für die
Lieferung eines Testpanzers entschieden, aber noch kein grünes
Licht für die Lieferung von allen 1.000 von der Türkei gewünschten
Panzer (bzw. die Lizenz für deren Produktion) gegeben hat und diese
Entscheidung angeblich nicht vor dem Jahr 2001 ansteht, kann kaum darüber
hinwegtäuschen, dass die Bundesregierung damit bereits eine wichtige
Vorentscheidung getroffen hat. Für die türkische Seite scheint
die Abwicklung des mit ca. 13 Mrd. Mark bisher teuersten Rüstungsgeschäfts
der Türkei sowieso nur noch eine Formsache zu sein. Obwohl neben
dem deutschen Leopard-2 nach neuesten Angaben ab Januar 2000 offiziell
noch Panzer aus zwei anderen Ländern (Abrams aus den USA und Leclerque
aus Frankreich; die übrigen ursprünglichen Bewerber wie Russland,
Italien und die Ukraine haben ihre Angebote zurückgezogen) getestet
werden sollen, ist nach Aussagen des Vorsitzenden der an der Regierung
beteiligten Mutterlandspartei ANAP, Mesut Yilmaz, in einem Interview
mit der "Welt" die Sache "von unserer Seite schon gelöst.
Ich glaube, dass die Bundesregierung beschlossen hat, die Panzer in
die Türkei zu liefern. (...) Die türkische Regierung wird
diese Panzer aus der Bundesrepublik einführen." Von Seiten
der Bundesregierung wird dies genauso energisch dementiert wie Meldungen
des "Spiegel", wonach sich Bundeskanzler Schröder und
Bundesaußenminister Fischer bereits darauf geeinigt hätten,
den Lizenzbau zu genehmigen, wenn die Türkei das Todesurteil gegen
PKK-Chef Öcalan in eine lebenslange Freiheitsstrafe umwandelt und
zum Verzicht auf die Anwendung von Gewalt gegen Kurden bekennt. Außerdem
dürfe der EU-Beitritt des griechischen Teils Zyperns nicht länger
behindert werden. Auch das türkische Verteidigungsministerium widersprach
Yilmaz. Eine Entscheidung falle frühestens im Juli 2000. (Die Welt,
25.11.99; Berliner Zeitung, 26.11.99; Welt am Sonntag u. ADN, 28.11.99;
Der Spiegel, 29.11.99)
Neue Rüstungsexportrichtlinien - alles wie gehabt
Auch wenn Ende Oktober in einer Erklärung der Fraktionsvorsitzenden
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Struck und Müller,
beteuert wurde, die endgültige Entscheidung im Einklang mit der
noch zu verabschiedenden Neufassung der "Politischen Grundsätze
für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern"
und dem "EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren" zu treffen,
und zwar "unter Berücksichtigung der tatsächlichen und
überprüfbaren Fortschritte in der Menschenrechtslage"
(Berliner Zeitung, 27.10.99), so zweifelt doch kaum noch jemand daran,
dass eventuelle moralische Skrupel letztendlich wirtschaftspolitischen
und militärstrategische Interessen untergeordnet werden.
Ganz abgesehen davon, dass der Entwurf für die neuen "Rüstungsexportrichtlinien",
die erstmals 1971 verkündet und 1982 überarbeitet wurden,
bei seinem Bekanntwerden im September 1999 mehr Kritik als Zustimmung
erntete, weil sich die in der Koalitionsvereinbarung beschlossene Menschenrechtsklausel
nicht in den die Rüstungsexporte tatsächlich beschränkenden
Punkten, sondern lediglich in der Präambel wiederfindet, wo davon
die Rede ist, dass eine restriktive Rüstungsexportpolitik "einen
Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Menschenrechte und einer nachhaltigen
Entwicklung in der Welt" leisten solle, nicht nur nach Ansicht
der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des Bundestags, Claudia
Roth, "doch eher eine allgemeine Absichtserklärung als eine
bindende Verpflichtung". In einer gemeinsamen Erklärung zahlreicher
deutscher NGOs appellierten u.a. Amnesty International, Brot für
die Welt, medico international, terre des hommes, Unicef, IPPNW und
der Bundeskongress Entwicklungspolitischer Aktionsgruppen an die Bundesregierung,
"Rüstungsexporte eindeutig an das Kriterium der Einhaltung
und des Schutzes der Menschenrechte und der Konfliktvorbeugung zu koppeln"
und "jeden Rüstungstransfer zu untersagen, der zu Menschenrechtsverletzungen
beiträgt". (FR, 16.9., 4.,15., 20. u. 28.10.99)
Glaubwürdigkeit der Bundesregierung erschüttert
Skepsis gegenüber den Beteuerungen der Regierung bleibt angebracht:
um die Wogen der Empörung nach dem Beschluss des Bundessicherheitsrats
zum Testpanzer-Export zu glätten, beeilte sie sich, schnell noch
eine andere Entscheidung des eigentlich ja geheim tagenden Gremiums
zu verkünden. Wegen ihrer Verwendungsmöglichkeiten sei der
Antrag auf Lieferung von Komponenten für den Bau einer türkischen
Panzerhaubitze abgelehnt worden. Dass in der gleichen Sitzung auch die
Lieferung von 6 Minensuchbooten im Wert von mehr als 1 Mrd. Mark genehmigt
wurde, von denen eins in Werften der Abeking & Rasmussen an der
Weser und die übrigen auf der Marinewerft Taskizak in Istanbul
gebaut werden soll, erfuhr die Öffentlichkeit erst Tage danach
aus der Presse. (Berliner Zeitung, 27.10.99)
Selbst wenn sich die Türkei am Ende für die Anschaffung des
US-Panzers Abrams entscheiden sollte, ist der nächste Konflikt
schon vorprogrammiert, weil dieser dann mit genau dem deutschen Motor
ausgestattet werden soll, dessen Export in die Türkei gerade im
Bundessicherheitsrat abgelehnt wurde. Wer soll denn ernsthaft daran
glauben, dass auch ein Export in die USA untersagt würde? Auch
Motor und Getriebe des französischen Panzers Leclerque kämen
übrigens von deutschen Firmen. (Die Welt, 26.11.99; Welt am Sonntag,
28.11.99)
Und es gibt auch bereits weitere Wünsche der türkischen Generäle
an die Bundesregierung, z.B. die nach 200 Fuchs-Transportpanzern oder
145 Tiger-Kampfhubschraubern. Berichte, wonach die Türkei auch
150 Leopard-I-Panzer sowie Granatwerfer von Deutschland kaufen wolle,
wurden in Berlin dementiert: von einer entsprechenden Anfrage sei der
Regierung nichts bekannt. (Die Woche, 29.10.99; Die Welt, 10.11.99)
Die Bundesregierung hat die Chance verpasst, zumindest beim Thema Rüstungsexporte
einen glaubwürdigen Politikwechsel unter Beweis zu stellen. Für
Bündnis 90/Die Grünen könnte sich deren Einknicken vor
dem Koalitionspartner, wie die "Süddeutsche Zeitung"
in einem Kommentar treffend bemerkte, spätestens nach der nächsten
Bundestagswahl als ein "Akt der aktiven Sterbehilfe" erweisen.
(SZ, 25.10.99)
Der Dialog-Kreis hat am 26.10.99 in einer Presseerklärung den Beschluss
des Bundessicherheitsrates zur Lieferung des Testpanzers als "falsches
Signal" kritisiert und neben seiner Rücknahme von der Bundesregierung
eine "konsistente und glaubwürdige Friedenspolitik gegenüber
der Türkei und ihren inneren Problemen" gefordert.
Inzwischen wurde anlässlich der Testpanzer-Lieferung eine Unterschriftenkampagne
gegen Panzer- und Waffenexport in die Türkei gestartet. (Protestpostkarten
sind erhältlich bei: "AG gegen Rüstungsexport" im
Netzwerk Friedenskooperative, Römerstr. 88, 53111 Bonn, Tel.: 0228/692904,
Fax: 0228/692906)
Deutschland viertgrößter Rüstungsexporteur / Türkei
auf dem Weg zum Waffenexportland
Mit der Zustimmung zur Lieferung des Testpanzers setzt die neue Bundesregierung
in Hinsicht auf Waffengeschäfte mit der Türkei eine jahrzehntealte
Tradition ungebrochen fort. Von Mitte der 60er bis Mitte der 90er Jahre
lieferte die Bundesrepublik an den strategisch wichtigen NATO-Partner
nämlich Rüstungsgüter für Heer, Luftwaffe und Marine
im Wert von ca. 7 Mrd. Mark, nicht zu vergessen Fahrzeuge und Ausrüstung
aus den Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR. Nach Erkenntnissen
des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI war Deutschland 1998
hinter den USA, Frankreich und Russland viertgrößter Rüstungsexporteur
und lieferte für rund 2 Mrd. Mark Waffen in alle Welt. (dpa, 25.10.99)
Der Hamburger Friedensforscher Hans-Joachim Gießmann sieht die
Gefahr, dass die Türkei mit deutscher Hilfe selbst zum Exporteur
von Waffen und Militärgerät werden könnte: "Über
den Umweg Türkei kann militärtechnisches Wissen aus der Bundesrepublik
künftig in Gebiete geliefert werden, in die Deutschland selbst
keine Waffen exportieren würde." (dpa, 26.10.99)
Schon Mitte der 80er Jahre äußerte der türkische Generalstab
den Wunsch nach einer Koproduktion von Leopard-2-Panzern in der Türkei
mit freiem Export in "freundliche Länder" wie z.B. Ägypten
und Saudi-Arabien. (FAZ, 22.11.99)
Auf einer Tagung des Zentrums für Strategische und Internationale
Studien sagte der einflussreiche türkische General und ehemalige
stellvertretende Generalstabschef Cevik Bir kürzlich in Washington,
sein Land müsse im 21. Jahrhundert im Mittleren Osten die regionale
Führung übernehmen. Unterstrichen wird dieser Anspruch durch
das neue Rüstungsprogramm mit einem Umfang von 150 Mrd. Dollar
bis zum Jahre 2025, wobei der Erwerb von 1.000 neuen Kampfpanzern den
größten Einzelposten darstellt. Auf der Einkaufsliste stehen
neben Panzern aber auch Kampfhubschrauber, Raketen, Fregatten und Minensuchboote.
Die Dimension des Modernisierungsprogramms lässt auch nach Einschätzung
der "Zeit" nur den Schluss zu, "dass die Türkei
künftig selbst Waffenexportland werden und zur dominierenden Regionalmacht
aufsteigen will." (Die Zeit, 28.10.99) Und mit entwaffnender Offenheit
bestätigte auch der türkische Verteidigungsminister Sabahattin
Cakmakoglu in einem "Spiegel"-Interview derartige Absichten:
"Gerade wegen der Schwierigkeiten, die wir bei Waffengeschäften
wiederholt mit der deutschen Regierung hatten, ist es doch einleuchtend,
dass wir autark werden wollen." Auf die Frage, ob man nicht mit
den eigenen Lizenzprodukten den deutschen Herstellern Konkurrenz machen
wolle, antwortete der Minister: "Warum nicht? Zu unseren Ausschreibungsbedingungen
gehört der Technologietransfer - und zwar ohne jede Einschränkung."
(Der Spiegel, 15.11.99) Sage niemand, er hätte es nicht wissen
können!
Lizenz für den Bau von Heckler & Koch-Gewehren
Nach einer Bundestagsanfrage der beiden Grünen-Abgeordneten Angelika
Beer und Christian Sterzing wurde bekannt, dass der Türkei noch
von der alten Bundesregierung Kohl im Sommer 1998 die Genehmigung für
die Lizenzproduktion des automatischen Gewehrs HK 33 erteilt wurde.
In seiner Antwort vom 12. November 1999 schreibt der Staatssekretär
im Bundeswirtschaftsministerium, Siegmar Mosdorf, die Türkei sei
dabei, die alten deutschen G3-Gewehre auf das in der NATO gängige
Kaliber umzurüsten und habe sich zum Nachbau des HK 33 entschlossen.
Wie viele Gewehre die Türkei produzieren wolle, sei "hier
nicht bekannt". Aus Kreisen der Rüstungsindustrie verlautet
indes, dass die Produktion von 500.000 Gewehren durch die türkische
Partnerfirma MKEK geplant sei, wobei nicht bekannt ist, ob die Türkei
diese Waffen weiterverkaufen darf oder nicht.
Nach Angaben des Direktors des Informationszentrums für Transatlantische
Sicherheit, Otfried Nassauer, steht eine Entscheidung über die
Zulieferung von Gewehrteilen noch aus. Da aber Heckler & Koch eine
Tochter des Rüstungskonzerns British Aerospace sei, könnte
der türkische NATO-Partner Maschinen- und Ersatzteile künftig
auch in Großbritannien kaufen. Außerdem wolle die Türkei
auch eine Fabrik für die entsprechende Munition bauen. (FR, 20.11.99;
SZ, 3.12.99)
Unterstützung bei Giftgaslabor geplant / Einsatz von CS-Gas
gegen PKK bestätigt
Als hätte das Panzergeschäft noch nicht genug Wirbel verursacht,
bestätigte Ende Oktober das Bundesverteidigungsministerium einen
Bericht des ZDF-Magazins "Kennzeichen D", wonach der Türkei
beim Aufbau eines C-Waffen-Labors Unterstützung gewährt werde.
Dies sei eine "rein defensive Maßnahme", durch die die
Türkei "in die Lage versetzt (wird), chemische Kampfstoffe
festzustellen und zu analysieren, um dann geeignete Abwehrmaßnahmen
zu treffen" und geschehe "vor dem Hintergrund, dass die Türkei
in Nachbarschaft von Nationen liegt, die nachweislich über C-Waffen
verfügen und diese auch einsetzen". Mit einer möglichen
Lieferung von Lieferung chemischer Gase von deutschen Firmen an die
Türkei habe dies nichts zu tun.
Ebenfalls bestätigt wurden allerdings vom Bundeswirtschaftsministerium
Berichte, wonach Mitte der 90er Jahre die Lieferung von zwei CS-Gas-Proben
deutscher Firmen an die Türkei genehmigt wurde und auch aus heutiger
Sicht noch nichts gegen diese Liefergenehmigung spräche.
Unterdessen recherchierte "Kennzeichen D", dass die türkische
Armee bei einem Einsatz gegen PKK-Kämpfer in der Nähe von
Ballikaya südöstlich von Sirnak dieses CS-Gas eingesetzt habe,
wobei 20 Aufständische umgekommen seien (s. Nützliche Nachrichten
2/99). Bei Untersuchungen von Munitionsresten am Rechtsmedizinischen
Institut der Uni München habe eindeutig CS-Gas festgestellt werden
können. Damit habe die Türkei aber gegen die von ihr 1993
unterzeichnete und schließlich 1997 ratifizierte C-Waffen-Konvention
verstoßen.
Hans Branscheidt von medico international geht davon aus, dass im Zusammenhang
mit der Lieferung des C-Waffen-Labors auch chemische Stoffe geliefert
werden und warnte: "Die Türkei hat oft genug bewiesen, dass
sie militärische Geräte und Informationen für Angriffe
gegen Kurden missbraucht." (Kennzeichen D, 27.10.99; FR, Berliner
Morgenpost, 28.10.99)
Panzer für die Türkei, Minenwerfer für Griechenland
und Särge für die Kurden
Wie wir aus Delegationsberichten der Grünen aus ihrer Oppositionszeit
wissen, werden auch Kurden zu Zielobjekten für aus Deutschland
gelieferten Waffen. Zwar steht in der Koalitionsvereinbarung vom Oktober
1998: "Die Bundesregierung macht ihren Einfluss geltend, besonders
grausame Waffen wie Landminen weltweit zu verbieten." Das hindert
sie aber nicht daran, Anti-Panzer-Minen AT2 nach Griechenland zu exportieren.
Und Bündnis 90/Die Grünen erklären, dass sie dies nicht
zum Streitpunkt in der Regierung machen werden.
Nach Informationen des Bundesverteidigungsministeriums wurden Griechenland
bereits "23 Minenwerfer und 36.000 Minen" angeboten, die Leopard-Panzer
zerstören können. AT2 ist im Prinzip aber auch eine Antipersonenmine.
Andreas Zumach schreibt dazu in einem taz-Kommentar vom 4.11.99: "Eines
kann man der rot-grünen Regierung in Bonn nicht vorwerfen: mangelnde
Konsequenz. Nach der Bereitschaft zum Export von Leopard-II-Panzern
in die Türkei ist die Absicht, deren Nachbarn und potentiellen
Kriegsgegner Griechenland Minenwerfer zur Panzerbekämpfung zu liefern,
nur folgerichtig."
Am gleichen Tag berichtet die FR, dass im Minenfeld an der griechisch-türkischen
Grenze 5 von 35 kurdischen Flüchtlingen starben und 16 weitere
verletzt wurden. Laut Özgür Politika vom 5.11.99 hat sich
die Zahl der Getöteten auf 14 erhöht ist. Auch weit weg von
ihrer kurdischen Heimat bleiben KurdInnen militärische Zielobjekte,
diesmal von Minen. Schicksal, oder? (taz, 1., 3. u. 4.11.99; FR, 4.
u. 8.11.99; ÖP, 4. u. 5.11.99)
Die Umsetzung von Parteitagsbeschlüssen erfordert den Druck
der Basis
Auf ihrem Bundesparteitag in Berlin hat sich die SPD am 7.12.99 mehrheitlich
gegen die Lieferung von Panzern in die Türkei ausgesprochen. In
dem Beschluss heißt es wörtlich: "Die fortgesetzten
Menschenrechtsverletzungen lassen nach den Maßstäben der
Koalitionsvereinbarung Waffenlieferungen an die Türkei nicht zu."
Während Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul von der Bundesregierung
die Berücksichtigung dieses Beschlusses forderte, sehen andere
Politiker keinen Handlungsbedarf. Verteidigungsminister Scharping verwies
erneut auf überprüfbare Fortschritte bei den Menschenrechten,
bevor die endgültige Entscheidung falle und nannte in diesem Zusammenhang
die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei "ein wichtiges
Signal" - als ob die Legitimation von Rüstungsexporten hiermit
irgendetwas zu tun hätte! (Reuters, 7.12.99; taz, 13.12.99)
Aus den Reihen der Basis des grünen Koalitionspartners wird der
Ton indes schärfer. Die Berliner LDK der Grünen verlangte
am 10.12.99 für den Fall weiterer Panzerlieferungen an die Türkei,
"auch in verminderter Stückzahl", den Ausstieg ihrer
Partei aus der Koalition. (taz, 13.12.99)
Während die verteidigungspolitische Expertin von Bündnis 90/Die
Grünen, Angelika Beer, nach dem SPD-Parteitagsvotum wieder Hoffnung
schöpfte, es könne bei dem Panzerdeal mit der Türkei
doch noch zu einer Kurskorrektur kommen, machten Befürworter des
Rüstungsgeschäfts unmissverständlich deutlich, wie sie
mit dem SPD-Beschluss zu verfahren gedenken. Den Passus "Wir fordern
die Bundesregierung auf, sich bei anderen Staaten, insbesondere NATO-Partnern,
dafür einzusetzen, in gleicher Weise zu handeln", quittierte
Bundeskanzler Schröder mit der Bemerkung: "Ruf mal den (US-Verteidigungsminister)
Cohen an und sag ihm: Unser Parteitag hat beschlossen, dass wir erstens
keine Panzer an die Türkei liefern und zweitens, dass die USA auch
keine liefern dürfen." Andere sagen es noch etwas deutlicher.
Die Regierung vertrete nicht Parteitagsbeschlüsse, sondern "die
Interessen Deutschlands". (dpa, 7.12.99; FR, Berliner Zeitung,
9.12.99)
Da wird die Basis wohl noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen
!