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Berlin, den 11.01.2000


Offener Brief zur Entscheidung der PDS zum 9. Januar ist ein Skandal

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht: Diese Namen stehen für den Kampf gegen imperialistische Kriegspolitik und für den Kampf um die Einheit der Arbeiterklasse, national wie international. Das war den Herrschenden ein Dorn im Auge und hat zu der Ermordung Luxemburgs und Liebknechts am 15. Januar 1919 geführt.
Seit nunmehr 81 Jahren findet jedes Jahr eine Gedenkveranstaltung für die beiden ermordeten SozialistInnen statt. Unterbrochen wurde diese Tradition bisher einzig mit dem Verbot durch das faschistische Hitler-Regime. Neben der Gedenkveranstaltung mit heutzutage mehr als 100.000 Menschen konnte sich eine Demonstration etablieren, die alljährlich zu der größten Manifestation in der Bundesrepublik für Sozialismus, gegen Kapitalismus und imperialistischen Krieg wurde. Ein breites Bündnis linker Gruppen, Organisationen und Parteien aus der BRD, von Exilorganisationen und politischen Organisationen aus dem Ausland rief alljährlich zur Teilnahme an der Demo und dem anschließenden Stillen Gedenken auf dem Friedhof auf. Diese Aktionsform steht durchaus in der internationalistischen Tradition Luxemburgs und Liebknechts. Sie ist zur Zeit das herausragendste Beispiel für kontinuierliches einheitliches und gemeinsames politisches Handeln über ideologische und Parteigrenzen hinweg.
Auch das ist den Herrschenden ein Dorn im Auge. Seit Jahren wird die Demonstration massiv von Polizeikräften angegriffen. Immer wieder gab es Schwerverletzte, Hunderte von Festnahmen und Prozesse. Damit sollen Menschen eingeschüchtert und davon abgehalten werden, sich in den folgenden Jahren wieder an der Demo zu beteiligen. Ein Kurde wurde wegen seiner Teilnahme an der letzten LLL-Demo zu 2 Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. In seiner Begründung sagte der Richter, dies sei ein Präventivurteil zur Abschreckung aller KurdInnen und TürkInnen, die sich künftig an der Demonstration beteiligen wollten.
Um diese LLL-Demo zu verhindern, haben sich der Polizeipräsident Saberschinsky und Innensenator Werthebach diesmal etwas Besonderes einfallen lassen, da kam der Anlaß einer angeblichen Attentatsdrohung gerade recht. Mit dem Verbot der angemeldeten Demonstration stellen sich in die Tradition der Faschisten in der Methodik der Zerschlagung jeglicher Opposition. Die PDS-Führung akzeptierte die polizeiliche Entscheidung und verzichtete darauf, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Ist diese devote Gehorsamkeit ein politisches Erbe der deutschen Sozialdemokratie, als willfährige Helfershelfer den Herrschenden den Steigbügel zur Macht zu halten?
Stefan Liebich, stellvertretender Landesvorsitzender der PDS-Berlin, sagte in einer Stellungnahme in der Tageszeitung Neues Deutschland: "Nicht wir von der PDS haben die Demo abgesagt, die Polizei hat sie verboten." Irrtum, Herr Liebich. Die Polizei hat verboten, aber die PDS hat abgesagt. Und hat es sich nicht nehmen lassen, zu diesem Zwecke 150 Genossinnen und Genossen aus dem Bett und zu den U-Bahn-Stationen zu scheuchen, um gemeinsam mit der Polizei Demonstrationswillige von ihrem Vorhaben abzuhalten.


Es ist ein politischer Skandal, daß die PDS-Führung, namentlich die Berliner Landesvorsitzende Petra Pau, nicht gegen das Demonstrationsverbot vorgegangen ist. Ihre Argumentation, die Kundgebung sei nicht abgesagt, sondern nur um eine Woche verschoben, klingt wenig glaubwürdig. Am vergangenen Sonntag ging es nicht nur um die Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof, sondern auch um die Einheit zwischen Demonstration und Kundgebung
Für die Kundgebung am 15. Januar ist klar, daß eine bundesweite bzw. über die BRD hinausgehende Mobilisierung, vor allem wenn Tausende schon einmal angereist waren, kein zweites Mal innerhalb einer Woche möglich ist.
Oder will die PDS nur unter sich sein ?

Würde die Berliner Zerschlagungs- und Spaltungstaktik bei künftigen Demos erfolgreich sein, wäre das eine eindeutige politische Niederlage der Linken. Die PDS müsste sich dann vorwerfen lassen, daran aktiv mitgewirkt zu haben..


Wir fordern die PDS auf, eine klare Stellungnahme dazu abzugeben, wie sie künftig bei der gemeinsamen Demonstration und Kundgebung gegenüber verhalten wird.
Eine Beteiligung an der gemeinsamen Demonstration und am gemeinsamen Gedenken muß für alle eine innere Pflicht sein, die nicht der Perspektive des Sozialismus abgeschworen haben und die nicht ihren Platz im Kapitalismus suchen