Köln, 15. Februar 2000
Ein Jahr nach der Verschleppung des PKK-Vorsitzenden
Öcalan:
Will die rot/grüne Bundesregierung eine Friedenslösung
in Kurdistan?
Durch ein internationales Geheimdienstkomplott wurde
der Vorsitzende der PKK, Abdullah Öcalan, heute vor einem
Jahr aus der griechischen Botschaft in Kenia in die Türkei
verschleppt. Aus Empörung haben Kurdinnen und Kurden weltweit
gegen diesen völkerrechtswidrigen Akt demonstriert. In der
Bundesrepublik gab es in über 50 Städten massive Protestaktionen,
die sich gegen diplomatische Vertretungen der USA, Kenias, Griechenlands
und Israels sowie Einrichtungen der Regierungsparteien SPD und
Bündnis 90/Die Grünen richteten. "Freiheit für
Abdullah Öcalan" war die zentrale Forderung der kurdischen
Proteste.
Der deutsche Staat reagierte mit polizeilicher Unterdrückung:
In der Woche vom 15. bis 21.Februar wurden bundesweit 2.100 Kurdinnen
und Kurden festgenommen, nahezu 150 Haftbefehle erlassen, allein
in Leipzig 73 Menschen inhaftiert. Weder für die Angeklagten
noch für die Verteidigung bestanden aufgrund der extrem kurzen
Zeitspanne zwischen Verhaftung und Prozesseröffnung die Möglichkeit
einer intensiven Vorbereitung.
Lange Zeit war unklar, in welche Gefängnisse verhaftete Kurdinnen
und Kurden nach der polizeilichen Erstürmung des griechischen
Konsulats in Leipzig gebracht wurden. Viele von ihnen waren wochenlang
ohne rechtlichen Beistand. Es wurden Fälle bekannt, in denen
gegen gefangene Kurden für die Zeit nach ihrer Haftentlassung
ein politisches Betätigungsverbot erlassen wurde. Bei Zuwiderhandlung
drohte das Ordnungsamt Magdeburg mit einem Bußgeld von 1.000
DM oder mit der Ausweisung.
Bei dem Versuch, das israelische Generalkonsulat
in Berlin zu besetzen, wurden drei Kurden und eine Kurdin von
israelischen Sicherheitskräften erschossen und mehr als 20
Personen durch den Schusswaffeneinsatz verletzt. Statt Worte der
Entschuldigung oder des Bedauerns titelt das Kölner Boulevard-Blatt
Express "Terror-Kurden - die ersten Toten" - so, als
hätten Kurden getötet. Ein Untersuchungsausschuss des
Abgeordnetenhauses in Berlin sollte die Hintergründe klären.
Inzwischen hat dieser seine Arbeit beendet. Er stellte in einem
Bericht u.a. "erhebliche Zweifel an der Notwehrversion"
der israelischen Sicherheitsbeamten fest.
In zahlreichen Städten wurden KurdInnen "vorsorglich"
festgenommen, kurdische Vereine entweder geschlossen oder tagelang
von Polizeikräften umstellt. Alle Personen, die diese Vereine
aufsuchten, mussten sich von der Polizei kontrollieren lassen.
Auf Weisung einiger Innenminister und Ausländerbehörden
werden vorwiegend in Asylbewerberheimen Flugblätter verteilt,
in denen man die "lieben kurdischen Mitbürger"
zur Denunziation von Landsleuten auffordert. In verstärktem
Maße versucht seither auch der Verfassungsschutz, KurdInnen
für Spitzeldienste anzuwerben. Dabei scheuen sich die Beamten
auch nicht, die Betroffenen unter Druck zu setzen.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte seinerzeit
eine sofortige Abschiebung all jener Kurdinnen und Kurden gefordert,
die an den Protesten beteiligt waren. Die Landesämter reagierten
schnell: Nur zwei Wochen nach den Ereignissen, wurden bereits
6 namentlich bekannte Personen in die Türkei abgeschoben.
Nur einen Tag später berichtet die Presse über deren
Festnahme in der Türkei.
Inzwischen ist eine Reihe von Prozessen des vergangenen
Jahres abgeschlossen. Die meisten Kurdinnen und Kurden sind nach
monatelanger U-Haft entlassen und durchgängig zu relativ
hohen Bewährungs- oder Haftstrafen verurteilt worden. Erfreulicherweise
wurden einige Angeklagte freigesprochen.
Ein Jahr nach den Aktionen wirft der Berliner Rechtsanwalt
Ratzmann der Polizei schlampige Ermittlungen vor und kritisiert,
dass es immer noch entlastende Augenzeugen gebe, die weder ermittelt
noch vernommen worden seien. So habe ein Mitarbeiter des Bundesumweltamtes
die Aktion vor dem israelischen Generalkonsulat fotografiert und
ein anderer die Ereignisse beobachtet. Doch sei ein entsprechender
Videofilm der Polizei bei den Ermittlungsakten nicht aufgetaucht.
Vor wenigen Tagen wurde auch bekannt, dass eine
Beamtin auf Anweisung des Leiters der Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit
in Hessen Videoaufzeichnungen einer kurdischen Demonstration im
Februar 1999 in Gießen manipuliert hat. Außerdem haben
die Polizisten eine Falschaussage gemacht, um einen Kurden vor
Gericht zu bringen. Noch anhängige Verfahren sollen nun eingestellt
bzw. bereits abgeschlossene Verfahren wieder aufgenommen werden.
Die Staatsanwaltschaft hat gegen vier Angehörige der Polizei-Einheit
Ermittlungen aufgenommen.
Diese wenigen Beispiele zeigen die dogmatische Haltung von Politik,
Polizei und Justiz gegenüber der kurdischen Bevölkerung
und ihrem politischen Anliegen. Ziel ist offenbar, die kurdische
Bewegung in die Knie zu zwingen, sie mundtot und gefügig
zu machen. Scheinbar ist auch die rot/grüne Bundesregierung
herzlich wenig daran interessiert, den durch die PKK eingeleiteten
Friedensprozess, für den diese bisher enorme Vorleistungen
erbracht hat, zu unterstützen und positiv zu begleiten. Was
ist mit der seinerzeit ausgegebenen Parole der Grünen, dass
sie "Außenpolitik als Friedenspolitik" verstehen?
Wir fordern
· die Einstellung aller Verfahren gegen
politisch aktive Kurdinnen und Kurden
· die Freilassung aller politischer Gefangenen
· die Aufhebung des PKK-Verbots
· den sofortigen Abschiebestopp in die Türkei
· eine Entschuldigung bei den Angehörigen der Toten
in Berlin
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