Berlin, 21. Februar
2000
An die Redaktionen:
Aktuelles / Ausland / Inland / Mittlerer Osten / Türkei
(Gesamtseitenzahl=2)
Die Türkei verhaftet die Möglichkeit zur Demokratisierung
und Lösung
Am 19. Februar 2000 verhafteten die türkischen Sicherheitskräfte
drei HADEP-Oberbürgermeister aus Diyarbakir, Siirt und
Bingöl mit dem Vorwurf Kontakte zur Arbeiterpartei Kurdistans
(PKK) zu unterhalten und sich mit ihr politisch betätigt
zu haben. Staatliche Repressionen gegen HADEP-Funktionäre
halten seit ihrer Gründung an. So wurde z.B. im Jahre
1999 zwischen dem 20. Februar und dem 20. März tausende
Mitglieder, Funkionäre und Kandidaten willkürlich
festgenommen und Parteibüros durchsucht.
Die HADEP (Demokratische Partei des Volkes) wurde 1994 gegründet.
Bei den Kommunalwahlen im April 1999 erhielt sie in den kurdischen
Gebieten bis zu 65% der Wählerstimmen und konnte 36 Bürgermeister
aufstellen. Mit den Wahlergebnissen hat sie bewiesen, dass
sie der politische Wille des kurdischen Volkes ist.
Das Vorgehen gegen die drei Oberbürgermeister erinnert
an 1994, damals sind sechs Abgeordnete der DEP darunter auch
Leyla Zana mit den gleichen Vorwürfen verhaftet und zu
jeweils 15 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt wurden.
Seit dem letzten Jahr bahnen sich positive Entwicklungen in
bezug auf die Lösung der kurdischen Frage und auf die
Demokratisierung der Türkei an. Es ist nicht von der
Hand zu weisen, dass dies auf die politische Initiative der
PKK zurückgeht. Inzwischen hat die PKK offiziell beschlossen,
den bewaffneten Kampf einzustellen und eine Lösung innerhalb
des Projektes "Demokratischen Republik" zu entwickeln.
Im weiteren erklärte sie ihren Willen, sich zu legalisieren,
um den politischen Kampf führen zu können. Dies
weckte Hoffnungen auf eine Lösung des Konfliktes bei
der kurdischen und türkischen Bevölkerung. Diesen
Entwicklungen und Hoffnungen wurde mit den Verhaftungen der
Oberbürgermeister ein Schlag versetzt.
Das Vorhaben bekundeten die Regierungsvertreter der Koalitionsparteien
bei ihrer Versammlung schon bereits am 12. Januar 2000. Gemeinsam
erklärten sie, dass die Hinrichtung Abdullah Öcalans
solange ausgesetzt sei, bis eine Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofes vorliegt. Unmittelbar nach dieser Veröffentlichung
warnten sie die kurdischen Organisation, u.a. auch die HADEP,
sich politisch nicht zu betätigen, da sonst gegen sie
vorgegangen würde. Auch die Verschärfung der Haftbedingungen
des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan stehen in diesem
Zusammenhang. Mit dem Festhalten an den bisherigen Methoden
der Verleugnung und Vernichtung wird versucht, den politischen
Kurs wieder auf eine gewaltsame Konfrontation zu lenken.
Trotz dieser gefährlichen Entwicklungen ist es bestürzend,
wie der US-Präsident und andere westlichen Regierungsvertreter
die Situation in der Türkei loben. Zwar haben hochrangige
türkische Regierungsvertreter in den letzten Monaten
verbal wichtige und positive Erklärung zur Lösung
der kurdischen Frage abgegeben, aber ihre politische Praxis
steht damit im Widerspruch. Die Vergangenheit hat aber gezeigt,
dass Lippenbekenntnisse weder eine Garantie sind, noch eine
wirkliche Veränderung bringen. Wir rufen die EU dazu
auf, die Einhaltung der formulierten Bedingungen von Helsinki
konsequent von der Türkei einzufordern.
Wir fordern die sofortige Freilassung von Feridun Celik,
Selim Özal und Feyzullah Karaaslan. Wir fordern eine
uneingeschränkte politische Betätigungsfreiheit
für kurdische Parteien und Organisationen.