Dialog-Kreis: "Krieg in der Türkei -
Die Zeit ist reif für eine politische Lösung"

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Offener Brief an die Rot-Grüne Bundesregierung

22. Februar 2000

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr Aussenminister,
der 15-jährige türkisch-kurdische Krieg ist durch die kurdische Seite einseitig beendet worden. Der Krieg wurde besiegt - ein großer Erfolg! Jetzt gilt es jedoch, einen demokratisch strukturierten Frieden zu gewinnen, der allen, auch allen Kurden, ihre legitimen Rechte sichert. Gelingt dies nicht, könnte sich die Nachkriegszeit schnell zur Vorkriegszeit wandeln.
Wie groß diese Gefahr ist, erhellt blitzartig die Verhaftung von drei kurdisch-stämmigen Oberbürgermeistern von den süd-ost-türkischen Städten Diyarbakir, Siirt und Bingöl, die in Deutschland an der Dritten Europäischen Konferenz über Zukunftsbeständige Städte und Gemeinden in Hannover teilgenommen hatten. Ihnen werden Kontakte zur PKK, also der Partei, die gerade einseitig den Krieg beendet hat, vorgeworfen. Offensichtlich ist Ankara nicht friedensbereit, obwohl ihm der Status eines EU-Kandidaten übertragen worden ist. Es blockiert den Friedensprozess.
In einem Appell vor 5 Jahren erklärten wir: "Freundschaft zur Türkei kann in dieser historischen Situation nur heißen, ihrer großen Gesellschaft aus Türken, Kurden, Armeniern, aus Moslems, Christen und vielen anderen Völkern und Religionen beizustehen, um Gespräche und Verhandlungen für das künftige friedliche Zusammenleben endlich beginnen zu lassen."
Diese Worte, die auch von jetzigen Mitgliedern ihrer Regierung mitgetragen wurden, gilt es einzulösen. Wir bitten Sie deshalb die folgenden Schritte zu bedenken:
- Sich gegen die Festnahmen der Bürgermeister zu wenden und deren Freilassung zu verlangen. Anklagen müssen in rechtsstaatlichen Verfahren geklärt werden und nicht in einschüchternden, überfallartigen Aktionen. Die Kurden dürfen nicht wiederum daran gehindert werden, ihre Interessen in legalen Formen zu vertreten.
- Ein wichtiges friedenspolitisches Zeichen wäre, die Rechte, die den Kurden in der Türkei verwehrt werden, hier in vollem Maße anzuerkennen und die hier lebenden Kurden anderen Immigranten-Gruppen gleichzustellen. Dies kann erfolgen, ohne daß dadurch der Status als türkische Staatsbürger berührt würde. Gegenwärtig verhält sich Deutschland, als kämen aus der Türkei nur Türken zu uns. Dies bedeutet die Fortsetzung der türkischen Zwangsassimilierung der Kurden im Ausland. Das kann doch nicht die Absicht der Bundesregierung sein. Wer für die Gewährung von Minderheitenrechten eintritt, muß diese auch im eigenen Lande gewähren. Darum bitten wir Sie!
- Wir erbitten von Ihnen eine friedenspolitische Initiative. Für die Stabilisierung des Friedensprozesses in der Türkei bedarf es dringend eines Amnestie-Gesetzes für die direkt und indirekt Beteiligten an der türkisch-kurdischen Auseinandersetzung. Gäbe es dies, könnten Kurden aus vielen Teilen der Welt in ihre Heimat zurückkehren. Verhindert würden damit aber auch derartige friedensschädliche Verhaftungen, wie die der kurdischen Bürgermeister. Bitte, setzen Sie sich für eine wirksame Amnestie in der Türkei ein.
- Ebenfalls fordern wir Sie auf, einen Schlußstrich unter die Verfolgung der PKK zu setzen. Dies hat nichts mit Sympathie oder Antipathie dieser Organisation gegenüber zu tun. Jedoch jede friedenspolitische Strategie muß auf einen Dialog der Kontrahenten setzen. Die Kriminalisierung aber verhindert den Dialog und behindert damit schwerwiegend den unverzichtbaren Friedensprozess. Die aktuelle gesteigerte politische Verfolgung dieser kurdischen Organisationen in der Bundesrepublik ist geradezu friedensschädlich. Das ist dringend zu ändern.


Mit vorzüglicher Hochachtung
gez. Prof. Dr. Andreas Buro, Koordinator des Dialog-Kreises