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Düsseldorf, 14.03.2000

Er starb, weil man ihn zum Spitzel machen wollte

Brennend, gleich einer lebenden Fackel, lief am vergangenen Mittwochnachmittag, dem 8.März 2000, der 28jährige Kurde Hamza Polat vor den Augen von Abgeordneten, Besuchern und Passanten die breite Treppe des Berliner Reichstagsgebäudes bis zur Rampe hinauf, wo er sterbend zusammenbrach. Jegliche Hilfe kam zu spät; auf dem Weg zum Krankenhaus erlag er seinen schweren Brandverletzungen.

Tief erschüttert stehen wir Kurdinnen und Kurden in Deutschland vor dieser verzweifelten Tat, diesem Fanal, mit dem ein junger Freund von uns sein Leben selbst beendet hat. Seine Handlung setzte den endgültigen Schlusspunkt nach jahrelangem Druck, dem er durch die menschenverachtende Praxis deutscher und türkischer Geheimdienstmethoden ausgesetzt war.

Es begann Newroz 1994, als Hamza Polat in den Blickpunkt deutscher Behörden geriet. Er gehörte damals zu den kurdischen Frauen und Männern, die aus Protest gegen das Verbot ihrer Newrozfeiern die Autobahn bei Augsburg blockiert hatten. Bald darauf wurde der türkische Pass eines seiner Verwandten auf Grund eines Gerichtsverfahrens beschlagnahmt; im Interesse seines Cousins musste Hamza Polat deswegen mehrfach das zuständige türkische Konsulat aufsuchen.

Sowohl Angehörige des deutschen wie des türkischen Geheimdienstes versuchten seit damals immer wieder, ihn dafür zu gewinnen, seine kurdischen Landsleute auszuhorchen und zu bespitzeln. Dafür waren alle Mittel Recht: Versprechungen finanzieller Art oder selbst die eines (türkischen) Diplomatenpasses, auf der anderen Seite aber auch Erpressung, Drohungen und Einschüchterungen.

Die Wahl des Ortes seiner Selbstverbrennung, das bundesdeutsche Parlamentsgebäude, weist darauf hin, dass er damit vor allem die deutschen Politikerinnen anklagen wollte, die solche Praktiken durch Gesetze decken. Auch eine Aussage seiner Mutter weist in diese Richtung: Sie macht in erster Linie den deutschen Staat für den Tod ihres Sohnes verantwortlich und erklärte, die Familie habe versucht, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in dieser Sache einzuschalten, es habe sich jedoch kein Rechtsanwalt für ein solches Verfahren bereit gefunden..

Vor wenig mehr als zwei Jahren hatte sich bereits ein junger Kurde selbst verbrannt, der der deutschen Polizei und den Staatsanwaltschaften jahrelang als »Kronzeuge« gedient hatte, und der dadurch seine persönliche Ehre und das Recht zu leben verloren zu haben glaubte.

Zwar ist die »Kronzeugenregelung« in deutschen Gerichtsverfahren - außer in Bezug auf Drogendelikte - inzwischen gesetzlich abgeschafft worden. Spitzel, Agenten und Provokateure werden jedoch weiterhin angeworben, auch von deutschen Dienststellen. Und die Machenschaften des türkischen Geheimdienstes (MIT) in der Bundesrepublik werden geduldet, wie schmutzig sie auch immer sein mögen.

Wie viele Menschenleben, auch wenn deren Ende sich nicht so flammend in der Öffentlichkeit abgespielt hat, sind auf solche Weise schon zerstört worden?

Hamza Polat wird uns stets unvergessen bleiben, als ein hoffnungsvoller junger Mensch, der durch die Unmenschlichkeit staatlicher Erpressungssysteme in den Tod getrieben wurde.

Düsseldorf, 14.03.2000

YEK-KOM Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.