ERKLÄRUNG ZUR ANKLAGE

Hamburg, 20.03.2000


Aufgrund des in den letzten 20 Jahren in unserem Land geführten Krieges und den damit verbundenen Zerstörungen auch des gesamten politischen und sozialen Lebens sind hunderttausende Kurdinnen und Kurden als politische Flüchtlinge in die Bundesrepublik gekommen und leben hier. Wir sind dankbar dafür, dass diese Menschen, den diese Situation von der türkischen Regierung aufgezwungen wurde, in ihrem Land aufgenommen wurden.

Der Großteil der Menschen aus Kurdistan, die bis hierher gekommen sind, sind mit dem nationalen Befreiungskampf, der in Kurdistan unter der Führung der PKK (Arbeiterinnenpartei Kurdistans) geführt wird, verbunden. Es sind Menschen, die für die politischen, sozialen und kulturellen Selbstbestimmungsrechte einstehen und deshalb von dem türkischen Staat angegriffen wurden. Es sind Menschen, deren Dörfer niedergebrannt wurden, deren Familienmitglieder erschossen wurden, die Folter erleiden mußten, Menschen, die ständig Gefahr liefen selbst ermordet zu werden.

Für diese Menschen ist es ein tiefes Bedürfnis, ihr Volk und dessen Kampf auf politischer, ökonomischer und kultureller Ebene zu unterstützen. Für uns bedeutet die Übernahme solcher Aufgaben eine Frage des Gewissens. Es sind so menschliche Aufgaben, dass jeder Kurde und jede Kurdin sie freiwillig und gerne übernimmt. Um diese Aufgaben zu übernehmen, ist die Mitgliedschaft in einer Organisation oder Partei nicht notwendig. Parteien und Organisationen sind vergänglich. Unvergänglich ist jedoch das Recht der Völker auf eine politische, soziale und kulturelle Identität und das Recht auf eine eigene Sprache. Jeder Mensch möchte diese Rechte für sich in Anspruch nehmen und schützen. Dies hat für alle Völker dieser Erde Gültigkeit. Es ist auch für uns so. Wir sind der Meinung, dass auch den Kurden in dieser Phase zu Beginn des neuen Jahrhunderts diese Rechte zugestanden werden sollten.

Leider ist es so, dass wir den unterschiedlichsten Anschuldigungen gegenüberstehen, sobald wir uns für die Erlangung dieser Rechte einsetzten und versuchen unserem Volk beizustehen. Es muß akzeptiert werden, dass die PKK die größte Bewegung in den letzten 20 Jahren ist, die das kurdische Volk vertritt. Der PKK ist es gelungen, eine Basis und Unterstützung im Volk zu gewinnen, wie sie bisher noch eine andere Organisation oder Partei in der Geschichte Kurdistans gewinnen konnte. Trotz der antidemokratischen Stimmungsmache bei den Wahlen im April 1999 wählten 70% der Menschen in Kurdistan ihre eigenen Volksvertretung. Dieses Ergebnis ist der Beweis dafür, dass das kurdische Volk sich durch den Befreiungskampf der PKK zu einer demokratischen Kraft entwickelt hat. Die kurdische Bewegung hat sich trotz aller Angriffe zu einer Kraft entwickelt, die vom Volk als ihre Vertretung anerkannt wird.

In der Vergangenheit wurde diese Tatsache in der BRD nicht im vollem Umfang erkannt und so wurde vor sieben Jahren die PKK verboten. Menschen, die sich für ihre demokratischen Rechte und Menschenrechte einsetzen, werden mit diesem Verbot konfrontiert. Dieser gegen uns geführte Prozeß ist hierfür ein Beispiel. Die politische Entscheidung des Verbotes ist, obwohl mehrere Jahre vergangen sind und obwohl es so viel sinnloses Leid zur Folge hatte, nicht aufgehoben worden. Nur aufgrund dieses Verbotes sehen wir uns immer wieder damit konfrontiert, wegen des selbstverständlichsten politischen, sozialen, kulturellen oder ökonomischen Engagements vor Gericht zu stehen.

In der Geschichte der unterdrückten Völker gibt es Phasen, in denen sie um ihre nationale Befreiung gekämpft haben. Ihre materiellen Bedürfnisse haben sie sich in diesen Phasen selbst erarbeitet. Dies ist auch für uns so. Der Großteil der kurdischen Bevölkerung im Exil begreift die Linderung der größten Notlagen unseres Volkes und die Unterstützung ihres Kampfes als seine Aufgabe. Daher werden überall auf der Welt, auch in Deutschland, Opfer gebracht, Spenden gesammelt und nach Kurdistan geschickt. Diejenigen, die sich dafür einsetzten sind die KurdInnen selbst und ihre Freundinnen. Sie tun dies freiwillig und jeder Kurde und jede Kurdin hilft seinem Volk in seinem Kampf gern.

In der Vergangenheit versuchte die Propaganda des türkischen Staates diese Tatsache zu verzerren. Türkische staatsnahe Organisationen stifteten ihre Mitglieder dazu an, Anzeigen zu erstatten, die jeder Grundlage entbehren. Die Spenden werden freiwillig und gerne gegeben. Eine solche Unterstützung
auf der Grundlage der Gewaltandrohung oder Unfreiwilligkeit hätte auch keine Bedeutung und keinen Wert. Daher erwarten wir von den Justizbehörden, daß sie uns bei der Aufklärung dieser falschen Anschuldigungen behilflich sind.
Es gab und gibt keine Gründe das Verbot gegen die PKK aufrechtzuerhalten. Vor kurzem hat die PKK den bewaffneten Kampf eingestellt und erklärt, dass sie einen politischen, demokratischen und legalen Kampf führen wird. Auf dieser Grundlage hat sie ihre Umstrukturierung begonnen. Wir sind der Ansicht, dass diese neue Entwicklung eine Möglichkeit des Dialogs mit dem in der Bundesrepublik lebenden kurdischen Volk eröffnet hat. Wir glauben, dass die neu begonnene demokratische Friedensphase auch hier ihre Wirkung zeigen wird. Wir als Volk haben die Erwartung, das auch die deutsche Regierung diese Friedensphase unterstützen wird.

Die Probleme der Vergangenheit liegen in den Kriegsbedingungen begründet, deren chauvinistische und nationalistische Propaganda sich auf jede einzelne Person des türkischen Volkes ausgewirkt hat und sich sogar in diesem Verfahren widerspiegelt. Da einige Menschen, die aus der Türkei stammen, dazu gebracht wurden, die Kurden als Feinde zu sehen, entstanden daraus Angriffe und falsche Beschuldigungen. Wir sind überzeugt, daß bei einer genaueren Betrachtungsweise die wahren Beweggründe dieser Personen deutlich werden. Der türkische Geheimdienst MIT versucht seit Jahren, Konflikte zwischen Türken und Kurden auch hier in der BRD zu schüren, oder auch Falschinformationen über die kurdische Bewegung an die deutschen Behörden weiterzugeben. Sie schrecken noch nicht einmal davor zurück Verbrechen zu begehen, die dann der PKK in die Schuhe geschoben werden sollen. Derartige Machenschaften wurden vor kurzem erneut aufgedeckt und führten zur Ausweisung von vier Mitgliedern des MIT, die offiziell als Mitarbeiter des türkischen Konsulats galten.

In den deutschen Medien, besonders im Fernsehen wurde offen für die reaktionäre UCK geworben, es wurde dazu aufgerufen Gelder zu spenden und sich als freiwillige Kämpfer zu beteiligen. Der türkische Staat führte im Staatsfernsehen TRT-INT die Spendenkampagne "Hand in Hand mit den Mehmetciks" durch, in der dazu aufgerufen wurde, die türkische Armee bei der Bekämpfung des kurdischen Befreiungskampfes finanziell zu unterstützen. Wir beklagen die Doppelmoral der Bundesregierung, die dies ermöglicht und sogar die türkischen Militärs jahrzehntelang finanziell, politisch und militärisch unterstützt.
Laut UNO- Definition hat ein Volk, gegen das von einer Kolonialnacht Gewalt ausgeübt wird, das Recht sich zur Wehr zu setzen. Dies gilt auch für die PKK, die von anerkannten Völkerrechtlem als legitime Vertretung des kurdischen Volkes anerkannt wird. Daher ist es nicht akzeptabel, daß uns durch das PKK-Verbot verweigert wird uns für das Anliegen des kurdischen Volkes einzusetzen.

Da wir als Volk und Gesellschaft in den vergangenen hunderten von Jahren viel Unrecht erlebt haben, konnten wir nicht wie andere Völker in gesellschaftlich geordneten Bahnen und unter menschenwürdigen Bedingungen leben. Hieraus ergab sich, dass wir tiefgreifende gesellschaftliche Probleme erlebt haben. Wir sind hoffnungsvoll, dass der neue Weg auf den sich das kurdische Volk, das einen großen Kampf und viel Verzicht erfahren mußte, begeben hat, von allen Staaten und Völkern verstanden wird. Es muß als eine humanistische Aufgabe jedes Menschen und jeder Instanz begriffen werden, die sich neu entwickelnde demokratische Lösungsphase des politischen Dialogs zu fördern. Wir sind der Überzeugung, dass auch ihr Gericht mit einer richtigen Entscheidung in dieser Sache zur Lösung unserer Probleme beitragen wird.

Wir erwarten, daß das Gericht dieses Verfahren in diesem Sinne interpretiert und uns freispricht.