ANTIRASSISTISCHE INITIATIVE E.V. ANTIRASSISTISCHES TELEFON
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Berlin, 03.04. 2000

 

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Betreff: Hungerstreik seit 45 Tagen im Abschiebegefängnis Berlin-Moabit, Kruppstraße

Liebe Freundinnen, liebe Freunde,

am 19. Februar begann Soja Schatz einen Hungerstreik aus Protest gegen ihre Inhaftierung im Abschiebegefängnis und aus Protest gegen die angedrohte Abschiebung. Am 23. und 24. Februar - also vor 40 Tagen - schlossen sich ihr Anastasia Poljakova, Dana Wlasenko, Lyudmyla Orlova und Natalja Bazarja an. Die Frauen protestieren gegen ihre Haft, die ausschließlich gegen sie verhängt wurde, weil sie keine gültigen Aufenthaltspapiere haben. Sie sitzen seit vier bzw. fünf Monaten im Gefängnis, können aus formalrechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden und wollen endlich frei gelassen werden.

Am 22. März - an ihrem 29. Hungerstreik-Tag - hatte Anastasia Poljakova einen regulären Haftprüfungstermin, der mit ihrer Freilassung endete. Die Richterin begründete die sofortige Entlassung mit folgenden Worten: "Angesichts der Dauer ihres Hungerstreiks und der Möglichkeit, nunmehr bei ihrem Bekannten zu wohnen, ist die Anordnung der weiteren Haft unverhältnismäßig".

Den anderen Frauen geht es inzwischen gesundheitlich sehr schlecht und wir machen uns große Sorgen um das Leben der Frauen. Sie haben Krämpfe in Armen und Beinen und sie leiden unter Kreislaufstörungen bis zur Ohnmacht. Sie haben Magenkrämpfe und Nierenschmerzen. Sie können nur noch langsam und gestützt gehen. Sie liegen meistens und schlafen. Sie sind sehr schwach und haben erhebliche Gewichtsverluste (15 - 17 kg). Am 01.04. brach Soja Schatz zusammen und lag ca. 40 Minuten auf dem Boden des Flures im Erdgeschoß der Haftanstalt. Ein Sanitäter setzte ihr eine Sauerstoffmaske auf das Gesicht, bis es ihr wieder besser ging.

Eine der Schlüsselfiguren, die diesen Hungerstreik offensichtlich auszusitzen versuchen, ist Dr. Thalemann, ranghoher Mitarbeiter des Polizeiärztlichen Dienstes, dessen Dienstherr Innensenator Dr. Werthebach ist.

Anstatt die Frauen wegen offensichtlicher Haftunfähigkeit zu entlassen, werden regelmäßig Blutkontrollen im Krankenhaus Moabit durchgeführt. Die Frauen verweigern die vorgeschlagenen Infusionen und Kalium-Tabletten, um den Hungerstreik nicht zu verlängern. Nachts kommen jetzt zweistündlich die Wachbeamten in die Zelle der Frauen und kontrollieren, ob die Frauen noch auf Ansprache und Berührung reagieren.

Wir haben für die Frauen Rechtsanwältinnen gefunden, die auf juristischem Wege versuchen, eine Freilassung zu erwirken. Karin Hopfmann (PDS) und eine Woche später Hartwig Berger (Bündnis 90/ Grüne), beide Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses, besuchten die Frauen, sprachen mit Verantwortlichen und setzten sich für ihre Freilassung ein. Eine Untersuchung der Gefangenen durch unabhängige Ärzte oder Ärztinnen wird derzeit verweigert.

Die Ärztekammer, die normalerweise auf Kammerangehörige einwirken könnte, hat auf Ärzte, die beim Polizeiärztlichen Dienst angestellt sind, keinen Einfluß, weil sie dem Innensenat unterstellt sind. Der Polizeiärztliche Dienst Berlin steht aufgrund seines Verhaltens seit langem in der Kritik. Zuletzt hat das Behandlungszentrum für Folteropfer schwere Vorwürfe bezüglich deren Gutachtertätigkeit bei traumatisierten Flüchtlingen erhoben. Das Verwaltungsgericht Berlin hat bis dato in diesem Zusammenhang über 20 Gutachten durch Gegengutachten überprüfen lassen.

Nachdem es Abschiebegefangenen in Berlin immer wieder gelungen ist, durch entschlossene Hunger- oder auch Durststreiks aus der Haft entlassen zu werden, scheint bei den Frauen nun ein Exempel statuiert zu werden.

Als Antirassistische Initiative kämpfen wir gegen jegliche Gefangenschaft von Menschen ohne gültige Papiere und fordern seit Jahren die Abschaffung aller Abschiebegefängnisse. In diesem besonderen Fall bitten wir darum, sich für die Freilassung der Frauen stark zu machen.

Wir bitten Euch, an die Verantwortlichen zu schreiben.

Bitte richtet Protest-Faxe an:

Herrn Dr. Eckart Werthebach, Senator für Inneres FAX 030 - 9027 2715
Herrn Dr. Thalemann, Polizeiärztlicher Dienst FAX 030 - 240 560 898
Herrn Gerhard Schröder, Bundeskanzler FAX 030 - 4000 2357
Herrn Eberhard Diepgen, Regierender Bürgermeister von Berlin FAX 030 - 9026 3019

Bitte schickt auch eine FAX-Kopie an unser Büro, FAX 030 - 786 99 84

Auf Wunsch können wir unsere Pressemitteilungen noch einmal zuschicken. Für nähere Informationen stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Danke und viele Grüße!

ARI