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Berlin, 19. April 2000

  • Tausende PKK-Gefangene und Gefangene anderer Organisationen sind seit dem 15. April in einen zehntägigen Hungerstreik gegen die Zellen-Typ-Gefängnisse getreten.

In allen Gefängnissen der Türkei sind die PKK-Gefangenen und Gefangene anderer Organisationen seit dem 15. April in einen zehntägigen Hungerstreik gegen die F-Typ (Zellentyp) Gefängnisse getreten.

Sabri Ok und Muzaffer Ayata gaben in Namen aller PKK-Gefangenen eine Erklärung zur neuerlichen Provokation durch die Einführung der F-Typ Gefängnisse ab.

Es wurde erklärt, daß auf dem Weg nach Dialog und Frieden, eine Generalamnestie und demokratische Reformen von der türkischen Regierung erwartet werden. Es ist jedoch provozierend, daß in diesem Moment, statt dessen Zellen-Typ-Gefängnisse eingeführt werden sollen. In der Erklärung hieß es dazu: "Wir erklären, daß diese Anstrengungen zu einer neuen Provokation vollkommen inakzeptabel sind und wir vom 15. April an in einen 10tägigen Hungerstreik treten werden. Wir rufen unser Volk und interessierte Kreise auf, gegen die Zellen-Typ-Gefängnisse aktiv zu werden."

Wir dokumentieren die aus der türkischen Sprache übersetzte Erklärung der Gefangen aus dem Gefängnis in Bursa/Türkei.

  • Erklärung der Gefangenen von: PKK, TDKP, TKEP, PRK/ Rizgari, DHP und TDP im Spezialgefängnis in Bursa vom 11.04.00

An die Presse und Öffentlichkeit

Es ist bekannt, das Gefängnisse eine der chronischen Probleme einer Gesellschaft sind.
Seit jeher denkt man zuerst an die Gefängnisse, wenn von Menschenrechtsverletzungen die Rede ist. Diese Situation ist natürlich kein Zufall. Denn es ist nichts dafür getan worden, dass diese Probleme, diese blutende Wunde verheilt.
Dieser Zustand ist das Ergebnis einer bewußten Politik. Bisher haben die politischen Parteien immer wieder versprochen, in den Gefängnissen für Verbesserungen zu sorgen. In diesen Rahmen haben sie Vorkehrungen getroffen, die für die Gefangenen immer mehr Verbote und Eingrenzungen bedeuteten. Dies hatte zur Folge, dass aus den Gefängnissen Orte der Folter, der Menschenrechtsverletzungen und Todes gemacht worden sind. Die Unmenschlichkeit, die heutzutage herrscht, ist vergleichbar mit der Zeit des 12. September Putsches. Ebenfalls die Grundrechte, die die Besuche von Anwälten und Familienangehörigen regeln, werden nicht eingehalten. In vielen Gefängnissen werden weiterhin Gefangene zu Geständnissen erpresst.
Diese Vorkommnisse, die ihre Ursache im "Staat" haben, werden in den Medien als Streitereien zwischen Mafia-Banden dargestellt um von den eigentlichen Zuständen in den Gefängnissen abzulenken.
Parallel zu diesen Ablenkungsmanövern, werden Trillionen für den Bau von F-Typ Gefängnissen ausgegeben, die als Lösung der Probleme vorgeführt werden. Diese Annäherung hat überhaupt keinen Bezug zur Realität. Der Hintergrund für die Einführung dieser Gefängnisse liegt in der Demonstration ihrer Macht und hat mit der Lösung der eigentlichen Probleme nichts zu tun. Im Gegenteil, diese Herangehensweise wird die vorhandenen Probleme nur noch verstärken und in eine Sackgasse führen.
In einer Zeit, wo die kurdische Frage mit all ihrer Freiheit, Gleichheit zur Lösung ansteht, stellt sich die herrschende Front hin und sagt, "mit dem Eintritt in die Europäische Union wird mehr Demokratie, Menschenrechte und Freiheit eintreten." Gleichzeitig werden die menschenverachtenden F-Typ Gefängnisse weitergebaut. Das ist nichts anderes als Doppelzüngigkeit.
Mit diesen F-Typ Gefängnis kann noch so oft mit Begriffen wie Doppelzimmer etc. geworben werden, sie bleiben doch Isolationskerker. Menschen zu verurteilen Jahre in Isolation zu leben bedeutet doppelte Bestrafung. Die wichtigste Eigenschaft eines Menschen ist, dass er ein soziales Lebewesen ist der unter allen Umständen aktiv und produktiv handeln will. Die F-Typ Gefängnisse sind ein Unmittelbarer Angriff gegen die Natur des Menschen. Diese Wirklichkeit, die mit Nachdruck übersehen wird, muß bemerkt werden. Der Zustand in den Gefängnissen eines Landes ist der unmittelbare Ausdruck für den Entwicklungsstand des jeweiligen Landes. Der Übergang von Großraumzellen zum System der Einzelhaft bedeutet nur noch mehr Verbote und Unterdrückung. Es wird die Probleme nicht lösen, sondern wird sie im Gegenteil nur vertiefen. Diese Praxis steht dem Geiste der universellen Menschenrechte entgegen.
Lösung der Probleme aber, bedeutet eine Demokratisierung und Respekt vor der Freiheit und der Menschenrechte. Auch wir glauben, dass auf der Grundlage von Demokratie, Gesetz, Menschenrechten und Freiheit eine Reform in den Gefängnissen notwendig ist. In diesen Sinne ist die Demokratisierung der Türkei nicht von den Problem in den Gefängnisse zu trennen. Diese hängen vielmehr zusammen. In der Kette von Problemen ist das wichtigste Glied alle sozialen und politischen Gefangenen bedingungslos und ohne Zeit zu verschwenden freizulassen.

Wir, die Gefangenen des Bursa - Spezial Typ Gefängnisses von den Organistaionen PKK, TDKP, TKEP, PRK/ Rizgari, DHP und TDP fordern auf der Grundlage der oben beschriebenen Situation:

Beendigung der Vorbereitungen für die Einführung der Kleinzellen-Kerker

Die Aufhebung der Todesstrafe und die Aufhebung des letzten Dreier Protokolls

Die bedingungslose Freilassung aller sozialen und politischen Gefangenen.

Wir wollen noch einmal unterstreichen, dass das Ziel des Systems der F-Typ Gefängnisse ist, die Grundeigenschaften des Menschen zu zerstören.

Wir fordern die Öffentlichkeit auf sensibel zu sein und nicht zum Werkzeug der einseitigen demagogischen Medien zu werden.

Demokratie und Menschenrechte gelten für jeden und sind gleichzeitig das Maß für die Modernisierung einer Gesellschaft.

Die Gefängnisse als eine blutende Wunde in der Gesellschaft müssen entfernt werden.

Bursa ÖzelTip Cezaevi 11.April 2000
Cafer Solgun, Raif Demirel- Haydar Güne- Zeki Yas- Ahmet Güven- Ali Güvendik