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Berlin, 20.4.00
Pressemitteilung
SOJA SCHATZ NACH 61 TAGEN IM HUNGERSTREIK AUS DER ABSCHIEBEHAFT
ENTLASSEN
Ohne weitere Angabe von Gründen wurde Soja Schatz gestern
am späten Abend "aus der Abschiebehaft und aus dem Haftkrankenhaus"
(Entlassungszettel) entlassen. Völlig entkräftet aber
mit großer Erleichterung kam sie sofort in ein Berliner Krankenhaus
und wurde dort umgehend mit Infusionen behandelt.
WETTLAUF MIT DER ZEIT
Nachdem es Soja Schatz in den letzten Tagen zunehmend schlechter
ging und es immer mehr Hinweise darauf gab, daß die verantwortlichen
Ärzte im Haftkrankenhaus und auch die politisch Verantwortlichen
auf das Eintreten der Bewußtlosigkeit warteten, liefen die
Bemühungen um die Freilassung von seiten der UnterstützerInnen,
der Rechtsanwältin und medizinischen BeraterInnen auf Hochtouren.
Noch gestern vormittag war Hartwig Berger (migrationspolitischer
Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus)
im Haftkrankenhaus und bezeichnete es als "Akt großer
Unmenschlichkeit, diese Frau seit nunmehr sechs Monaten hinter Gitter
zu sperren". Für heute hatte Carsten Hübner (menschenrechtspolitischer
Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion und Obmann im Bundestagsausschuß
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe) seinen Besuch
angekündigt. Auch Ralph Giordano hatte abermals in persönlichen
Briefen an Innensenator Werthebach und Bürgermeister Diepgen
dringend die Freilassung der beiden noch in Haft befindlichen Frauen
gefordert. Zeitgleich versuchte eine Gruppe von UnterstützerInnen
ein Gespräch mit Innensenator Werthebach zu erwirken und entrollte
ein Transparent am Eingang der Senatsverwaltung für Inneres.
Gestern abend um 17 Uhr fand die erste von täglich geplanten
Kundgebungen zur Freilassung von Soja Schatz und Lyudmyla Orlova
direkt vor dem Haftkrankenhaus statt.
Soja Schatz hatte in einem der bisher längsten Hungerstreiks,
die in Berliner Abschiebegefängnissen stattfanden, unter Einsatz
ihrer Gesundheit und ihres Lebens für ihre Freilassung gekämpft.
Nachdem sie ihren Protest am 19. Februar begonnen hatte, schlossen
sich ihr einige Tage später weitere vier gefangene Frauen an.
Als sich die Frauen am 5. März bei der Antirassistischen Initiative
meldeten und um Unterstützung baten, hatten alle fünf
Frauen keine Rechtsbeistände. Das ist keine Ausnahme, sondern
die Regel, denn Menschen in Abschiebehaft können sich aufgrund
ihrer Armut keine Rechtsbeistände leisten.
Die Frauen saßen alle seit Monaten in Abschiebehaft ohne
erkennbare Chance auf Entlassung. Der richterliche Beschluß
für die Begründung der Haft: keine gültigen Papiere
für dieses Land zu besitzen.
DAS LEBEN - EINE FRAGE DER LABORWERTE ?
Nachdem bei Soja Schatz noch bis zum 11. April kontinuierlich deutlich
erniedrigte Kaliumwerte (gemessen im öffentlichen Krankenhaus
Moabit) festgestellt wurden, wurden am folgenden Tag im JVA-Haftkrankenhaus
Werte im "Normalbereich" gemessen. Vor allem auch diese
"normalen" Werte veranlaßten die Haftärzte
noch bis gestern, Soja Schatz für haft- und reisefähig
zu halten. Die jüngsten gemessenen Kaliumwerte - heute nacht
in einem öffentlichen Krankenhaus gemessen - wurden wieder
als deutlich zu niedrig bewertet. Damit wird der von Fachärztinnnen
geäußerte Verdacht auf das Vorliegen von technischen
Meßfehlern im Haftkrankenhaus offensichtlich. Kalium-mangel
kann zu schweren und plötzlichen Herzrhythmusstörungen
führen und somit lebensgefährlich werden.
VON URSPRÜNGLICH FÜNF HUNGERSTREIKENDEN FRAUEN SIND
JETZT VIER FRAUEN ENTLASSEN
LYUDMYLA ORLOVA (22 Jahre alt), befindet sich heute noch im Abschiebegefängnis
Kruppstraße. Psychisch und körperlich am Ende, versuchte
sie vor einer Woche, ihren Hungerstreik nach 48 Tagen abzubrechen.
Schon die Aufnahme von Obstsäften nach wochenlangem Wasserverzehr
verursachte ihr schwerste Magen-Darm-Probleme. Anstatt sie wenigstens
jetzt in ein Krankenhaus zubringen, in dem sie kontrolliert und
vorsichtig aufgebaut werden könnte, bleibt sie sich selbst
überlassen. Auch die während des Hungerstreiks häufigen
Blutkontrollen hörten schlagartig auf. Lyudmyla O. leidet weiterhin
unter starken Nieren- und Kopfschmerzen. Obwohl die Haftärzte
der Kruppstraße ihr auf ihre Bitten hin eine Schonkost zugesagt
haben, bekommt sie diese nur sporadisch. Stattdessen allerdings
regelmäßig: ein Psychopharmakon.
ANASTASIA POLJAKOVA (19 Jahre alt) nach 29 Tagen Hungerstreik am
22. März aus gesundheitlichen und formalen Gründen entlassen.
NATALJA BAZARJA (33 Jahre alt) am 13. April, aus formalen Gründen
entlassen, denn sie saß offensichtlich aufgrund eines Verschuldens
der Ausländerbehörde monatelang in Haft.
DANA WLASENKO (24 Jahre alt) nach 52 Tagen Hungerstreik - aus gesundheitlichen
Gründen am 14. April entlassen.
SOJA SCHATZ (37 Jahre alt) nach 61 Tagen Hungerstreik ohne Begründung
entlassen.
* SOFORTIGE ENTLASSUNG LYUDMYLA ORLOVA AUS DER ABSCHIEBEHAFT
UND VERLEGUNG IN EIN ÖFFENTLICHES KRANKENHAUS!
* SOFORTIGE ABSCHAFFUNG ALLER ABSCHIEBEGEFÄNGNISSE!
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Antirassistische
Initiative
- Telefon 030-785 72 81