Karawane - Flüchtlingskongress vom 21. April - 1. Mai in JenaKongress-Deklaration Der Karawane Flüchtlingskongress begann am 20. April und endet heute mit einer internationalen 1. Mai Demonstration. Dieser historische Kongress in Jena hat über 11 Tage stattgefunden und wurde von mehr als 600 Menschen besucht, mit einer durchschnittlich täglichen Teilnahme von 200-250 Menschen. Er wurde von internationalen Gästen, MenschenrechtsaktivistInnen, Flüchtlingen und MigrantInnen aus über 40 verschiedenen Ländern aus allen Teilen der Welt besucht. Der Kongress wurde von der Flüchtlingsorganisation "The Voice - Africa Forum" initiiert und veranstaltet. Schon zu Beginn des Kongresses wurden wir damit konfrontiert, daß viele Flüchtlinge, die an diesem Kongress teilnehmen wollten, durch die Bestimmung der Residenzpflicht davon abgehalten wurden. Trotz eines Schreibens der Bundesausländerbeauftragten Marie-Luise Beck, das den Ausländerbehörden empfahl, die Teilnahme an dem überaus wichtigen Flüchtlingskongress in Jena zu gestatten, verweigerten viele Ausländerämter die Reisegenehmigung zum Teil verbunden mit Einschüchterungsversuchen, Starfandrohungen wie der Drohung, daß eine Teilnahme am Kongress die Abschiebung beschleunigen würde. In Rathenow und Cottbus lag den Ausländerbehörden sogar ein Rundbrief des Brandenburger Innenministeriums vor, mit dem sie aufgefordert wurden, keine Erlaubnis für eine Teilnahme auszustellen. Dieses Gesetz der Residenzpflicht, daß seit 1982 Asylsuchenden in Deutschland untersagt, den Landkreis in dem sie leben, ohne Erlaubnis der zuständigen Ausländerbehörde zu verlassen, existiert europaweit lediglich in Deutschland und drückt exemplarisch die extreme Art der Behandlung von Flüchtlingen in Deutschland aus. Es stellt eine gravierende Verletzung menschlicher Grundrechte dar und wird von uns KongressteilnehmerInnen als Form von politischer Verfolgung betrachtet, da Flüchtlinge ihrer Rechte beraubt sind, sich frei zu bewegen und sich politisch auszudrücken. Die Karawane bedeutet, wie der Name schon sagt, Bewegung. Daher wurde von Beginn des Kongresses an durch alle 11 Tage hindurch, eine Kampagne mit der Forderung nach Aufhebung der Residenzpflicht entwickelt, denn eine Karawane, die sich nicht bewegt, ist keine Karawane. Mit einem Schreiben begannen wir sofort mit der Sammlung von Unterschriften, um gegen dieses Gesetz vorzugehen. Eine Serie von bundesweit koordinierten Protestaktivitäten wird den Höhepunkt am 3. Oktober, am Tag der Wiedervereinigung Deutschlands finden, an dem wir mit einer Kampagne des zivilen Ungehorsams nicht nur bundesweit, sondern auch international die Aufmerksamkeit auf die scheinbar unsichtbaren Menschenrechtsverletzungen in Deutschland lenken werden. Aktivitäten, Faxkampagnen und Demonstrationen vor diversen deutschen Botschaften innerhalb und außerhalb Europas versichern eine internationale Öffentlichkeit für unsere Kampagne. Die TeilnehmerInnen des Kongresses haben sich entschieden, einen unmißverständlichen
Brief an die deutsche Regierung in Berlin zu schreiben, in dem die Aufhebung
der Residenzpflicht gefordert wird und der die verantwortlichen Politiker
darüber informiert, daß die Karawane eine friedliche, würdevolle
aber dennoch kräftige Kampagne gegen dieses Gesetz beginnt, die
solange andauert, bis die Residenzpflicht abgeschafft wird. Der Slogan "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört"
drückt eine der zentralen Positionen der Karawane für die
Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen aus, denn die Probleme
mit denen Flüchtlinge konfrontiert sind, haben zwei Gesichter. Die deutsche Regierung führt den Kampf für ein Europa an,
in dem die Grenzen für politische Flüchtlinge geschlossen
werden. Die international geladenen SprecherInnen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und dem Mittleren Osten stellten in ihren Berichten das genaue Gegenteil dar - mit der freien Marktwirtschaft ist die Zerstörung unserer Heimatländer angewachsen. Für die Flüchtlinge wird die EXPO 2000 eine verstörende Erfahrung werden. Die Regime aus denen wir fliehen mußten, sei es Nigeria oder Nepal...werden sich als Demokratien ausgeben und eine Menge Wirtschaftsverträge werden dort abgeschlossen werden. Auf dem Karawane-Kongress wurde beschlossen, daß an den speziellen Tagen, an denen die einzelnen Länder zur Schau gestellt werden, aus denen Flüchtlinge gezwungen sind zu fliehen, jeweils zu dem entsprechenden Land, die betroffenen Flüchtlinge gemeinsam mit dem Karawane-Bündnis, die wahren und grausamen Realitäten darstellen werden. Während des Kongresses offenbarten sich die großen Informationslücken über die Vorgänge in Afrika. Wir beschlossen ein Informationsarchiv über Afrika aufzubauen, daß darlegen wird, wie der Diamantenhandel, die Öl- und Phosphatgewinnung und die Rivalitäten zwischen Mächten, wie der USA, Großbritannien und Frankreich, den Kontinent zerstören und die Grundsteine legen für Kriege, Armut und die Verursachung von Fluchtgründen. Die überwiegende Mehrheit der KongressteilnehmerInnen aus den 40 verschiedenen Ländern sind ehemalige politische Gefangene, oder davon bedroht politische Gefangene zu werden, wenn sie in Abschiebegefängnisse eingeschlossen werden und wenn sie in Verfolgerstaaten abgeschoben werden und Folter, Erniedrigung und Isolation entgegensehen. TeilnehmerInnen des Kongresses haben es sich zur Aufgabe gemacht, die prekäre und oftmals verschwiegende Situation von politischen Gefangenen in Ländern wie Kamerun, Chile und der Türkei an die Öffentlichkeit zu bringen und gemeinsam für die Rechte der politischen Gefangenen einzutreten. Die in Deutschland entwickelte Isolationshaft, die weltweit nicht als Foltermethode anerkannt ist, wird in unsere Heimatländer importiert und als adäquate Behandlung von politischen Gefangenen propagiert - dieser Entwicklung werden wir entgegengehen. "Festung Europa" Die Vereinheitlichung und Verschärfung der europäischen Migrations- und Asylpolitik zielt mittlerweile auch direkt auf die Herkunftsländer. Entsprechend der EU-Aktionspläne werden alle ökonomischen und politischen Mittel eingesetzt, um die Herkunfts- und Transitstaaten in die Zerschlagung der Fluchtwege einzubinden und Rückübernahmeabkommen zu erzwingen. Die Bekämpfung der sogenannten illegalen Migration, die Koordinierung
der Abschiebemaßnahmen und eine zunehmende Entrechtung prägen
die Lebensbedingungen von Flüchtlingen und Nicht-EU-MigrantInnen
in ganz Europa.
Das Plenum und die Arbeitsgruppen zu diesem Thema gaben einen Überblick und eine detailierte Analyse der behördlich angeordneten permanenten Polizeikontrollen von Flüchtlingen und Migranten als direktes Ergebnis des rassistischen Asylbewerberleistungsgesetzes. Mit dem Vorwand nach Drogen zu suchen werden Flüchtlinge in Zügen auf Bahnhöfen und in ihren Häusern, ohne nur den geringsten Respekt ihrer Menschenrechte, kontrolliert. In manchen Fällen wurden unschuldige Flüchtlinge in Handschellen gelegt und verhaftet, ohne daß Drogen bei ihnen gefunden wurden. Der Kongress hat deshalb beschlossen, eine Reihe von Aktionen durchzuführen, einschließlich Demonstrationen in Bahnhöfen, um in den kommenden Wochen diese Übergriffe öffentlich zu machen. Polizeikontrollen und behördlicher Rassismus sollen mittels umfassender Fragebögen dokumentiert werden. Das in den niedersächsischen Städten Oldenburg und Braunschweig
praktizierte Projekt X, führt einem die schrecklichsten Beispiele
für Ausgrenzung und Repression gegen Flüchtlinge in Deutschland
vor Augen. Die Menschen dort bekommen nichts als ein paar Mahlzeiten
und ständige diskriminierende und beschämende Verhöre,
nur weil der Staat nicht in der Lage ist, sie abzuschieben. Jegliche
soziale Unterstützung wird ihnen verwehrt. Basierend auf den verschiedenen Schritten, seitens der TeilnehmerInnen an dem Kongress, gibt es den Beschluss, eine Broschüre zu Überlebensstrategien in der Illegalität in Deutschland zu erstellen. Dieses Handbuch soll illegalen Flüchtlingen in Deutschland Ratschläge und Möglichkeiten bieten, die erzwungene Illegalisierung in Deutschland besser bewältigen zu können. Frauen und Flucht/Migration Der Begriff des individuell politisch Verfolgten, wie er im deutschen
Asylrecht vorkommt ist ein Konstrukt, das Frauen und ihre spezifischen
Gründe zur Auswanderung meistens ausschließt. Die Karawane hat von Anfang an die Teilnahme von asylsuchenden Frauen
angestrebt und gefördert. Tatsächlich haben Frauen, die geflüchtet
sind, in der Vorgeschichte der Karawane eine zentrale Rolle dabei gespielt,
die Grundlagen für die Entwicklung der Karawane-Idee zu schaffen.
Die Tamilin Nalini, die eine führende Rolle bei der Organisation
einer Reihe von sehr erfolgreichen Demonstrationen in Bremen gegen die
Abschiebung von TamilInnen nach Sri Lanka spielte, erläuterte die
Gründe dafür. Fatma, Vertreterin des kurdischen Frauenbüros für Frieden, berichtete über die Gründung einer neuen, kurdischen Frauenpartei und die Errungenschaften der Frauen seit Beginn der kurdischen Befreiungsbewegung. Iranische Frauen berichteten über den Kampf des iranischen Frauenkommitees 8. März gegen die Unterdrückung der Frauen. Dieser ist zu einem integralen Bestandteil der Karawane geworden. Iranische Frauen wurden von deutschen Ausländerbehörden zwangsweise verschleiert, um die Abschiebung zu ermöglichen, da ausnahmslos alle Frauen im Iran genötigt werden, das Zeichen ihrer Unterdrückung zu tragen.. Die Karawane brachte die Kollaboration Deutschlands mit der islamischen Republik Iran, sowie die sexistische Gewalt, die Frauen in ihrem Zufluchtsland durch erneute Zwangsverschleierung mit ihrem Verfolgungstrauma konfrontierte, offensiv an die Öffentlichkeit. Ausgerechnet die Behörde des Landes, in dem sie Schutz vor politischer Verfolgung suchen, setzen die frauenfeindliche Politik des islamischen Regimes fort! Die iranischen Frauen berichteten, daß im Zuge der Annäherung
Deutschlands an die islamische Republik Iran, die Menschenrechtssituation
im Iran zunehmend beschönigt und die systematische Unterdrückung
der Frauen ignoriert wird, obwohl sich an der islamistischen Gesetzgebung
nichts verändert hat. So ist beispielsweise Auspeitschung wegen
unvollständiger Verschleierung oder Steinigung von Frauen wegen
außerehelicher sexueller Kontakte nach wie vor geltendes Recht.
Die Kampagne gegen Apartheid in der deutschen Familienpolitik ist ein
großer Schritt vorwärts für die Karawane, weil sich
erstmals Frauen der deutschen ArbeiterInnenklasse beteiligen. Diese
Einheit wurde möglich, weil diese Frauen, die Beziehungen zu afrikanischen
Flüchtlingen eingingen, die soziale Isolation gebrochen haben,
die Asylsuchenden aus der "3. Welt" vom rassistischen Staat
Deutschland systematisch auferlegt wird. Gemeinsam gegen Abschiebungen Abschiebung an sich stellt eine eklatante Menschenrechtsverletzung dar, nicht nur weil durch diese, Flüchtlinge, die vor Folter und Tod geflohen sind, in zynischer Weise ihren Verfolgern ausgehändigt werden, sondern auch weil diese ausführend dazubeitragen, den Spalt zwischen den reichen westlichen Industrieländern und dem Trikont zu vergrößern und unüberwindliche Grenzen zu ziehen. Auf dem Kongress wurden Beispiele gegeben, wie Flüchtlinge und
illegalisierte Personen von der drohenden Abschiebung tagtäglich
terrorisiert werden. Deutsche Behörden und die Botschaften der
Herkunftsländer kollaborieren, um Personen, die um ihr Überleben
und für ihre Menschenrechte kämpfen, duch z.T. Massenabschiebungen
loszuwerden. Um gegen die neokoloniale Politik europäischer Regierungen Druck
auf Dritte Welt Länder auszuüben und ihre Botschaften zu bezahlen,
damit diese die schmutzige Arbeit erledigen, nämlich Papiere für
die Abschiebung auszustellen, vorzugehen, wurde für den 31. Juli
ein gemeinsamer Aktionstag vor verschiedenen Botschaften in Bonn beschlossen.
Eine Delegation des Kongresses besuchte das Thüringische Abschiebegefängnis
in Untermaßfeld, aus dem nachfolgenden Bericht, betonten die KongressteilnehmerInnen
einmal mehr die Forderung nach Schließung dieser und aller anderen
Abschiebehaftanstalten. Auf dem Kongress gab es viele Flüchtlinge, die direkt von Abschiebungen in Länder, in denen ihr Leben in Gefahr ist, bedroht sind. Auch viele Aktivisten der Karawane droht die Abschiebung, obwohl sie wegen ihrer politischen Aktivitäten ihren Herkunftsländern und in Deutschland, in ihren Herkunftsländern grossen Gefahren ausgesetzt sind. Dringende Aktionen wie Unterschriftensammlungen, Fax Kampagnen und Briefe an die Behörden, wurden initiiert, um diese Personen zu unterstüzen. Kongress Ko-ordination:
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