Resolution des 26. Feministischen Juristinnentages (12.-14. Mai in Leipzig)

Am 06.05.2000 hat sich Naimah H. aus Algerien in der Flüchtlingsunterkunft des Frankfurter Flughafens das Leben genommen, nachdem sie 2 Tage zuvor aus der Abschiebehaft dorthin zurückgebracht worden war. Naimah H. war in Algerien mehrfach von staatlichen Sicherheitskräften vergewaltigt worden.

Ihr Asylantrag war u.a. deswegen abgelehnt worden, weil sie sich nicht mehr an das genaue Datum ihrer ersten Vergewaltigung erinnern konnte' ihr Vorbringen wurde sowohl vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch vom Verwaltungsgericht als unglaubhaft bewertet.

Sexualisierte Gewalt einschließlich Vergewaltigung durch staatliche Kräfte werden in den meisten Fluchtländern systematisch als Mittel der Unterdrückung gegen Frauen eingesetzt. Diese Form sexueller Repression führt zu tiefer Traumatisierung mit der Folge, daß die meisten Frauen nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sind, über das Erlebte zu sprechen.

Die Bedingungen, auf die sie in den Exilländern treffen, wie z.B. - Lager und Sammelunterkünfte, der Offenbarungsdruck bei der Anhörung im Asylverfahren sowie fehlende Vertrauensbeziehungen - führen oft zu einer Retraumatisierung.

Die Glaubwürdigkeitskriterien ( Detailreichtum, Freiheit von Widersprüchen, lebensnahe Darstellung etc. ) werden von den Bundesämtern und den Gerichten oftmals schematisch auf traumatisierte Flüchtlinge angewandt. Sie berücksichtigen in keinster Weise die psychische Verfassung der Flüchtlinge bei der Anhörung.

Bedingungen, wie sie das Flughafenverfahren schafft, in dem die Flüchtlinge bis zur Entscheidung über den Asylantrag bei Reduzierung ihrer rechtlichen Möglichkeiten im Transitbereich des Flughafens eingesperrt werden, verschärfen die Auswirkungen der Traumatisierung noch zusätzlich.

Wir fordern deshalb:

- die Abschaffung des Flughafenverfahrens; - den staatlich geförderten Ausbau muttersprachlicher Therapie- und Beratungsstellen für traumatisierte Flüchtlinge; - den sofortigen Zugang neu ankommender Flüchtlinge zu Therapie und juristischen Beratungsstellen; - die Anerkennung der von Folter und staatlich praktizierter oder geduldeter sexueller Gewalt betroffenen Flüchtlinge auf der Grundlage medizinisch - psychologischer Gutachten ohne Anhörung.

14.5.2000