Internationale Initiative Freiheit für Abdullah
Öcalan - Frieden in Kurdistan
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18.05.2000
Zur Wahl des parteilosen Rechtsgelehrten und ehemaligen Verfassungsrichters,
Ahmet Necdet Sezer, zum neuen Staatspräsidenten der Türkei,
veröffentlichte die oberste Parteiversammlung der PKK am 16.05.2000
eine Stellungsnahme. Aufgrund der aktuellen Entwicklung dokumentieren
wir sie ungekürzt und im vollen Wortlaut:
Der neue Staatspräsident muss der Staatspräsident aller
Türken und Kurden sein!
Wir wünschen dem neuen Staatspräsidenten der Türkischen
Republik, Sezer, viel Erfolg bei dieser wichtigen Aufgabe.
Der vorherige Staatspräsident war der Koordinator des Krieges
in Kurdistan. Es war seine vorrangige Aufgabe, den aus dem Krieg sich
ableitenden Bedürfnissen zu begegnen. Aus diesem Grund unternahm
er große Anstrengungen, den in Kurdistan geführten schmutzigen
Krieg und die kurdische Realität, vor der Weltöffentlichkeit
zu verheimlichen.
Nicht nur der Staatspräsident, auch alle anderen Institutionen
waren über den Krieg definiert. Entsprechend des Krieges gegen
die PKK wurde die Politik ausgerichtet und festgelegt. Die Diplomatie
hatte die Liquidation der PKK zur grundsätzlichen Aufgabe. Die
ökonomischen Quellen wurden vorrangig zur Befriedigung der Bedürfnisse
des Krieges verwendet. Unter diesen Bedingungen war das Einstehen
für Freiheiten und Demokratie ein Verbrechen, wurde als Verrat
gebrandmarkt und mit Gewalt unterdrückt. Zwanzig Jahre lang bestimmten
die PKK und der Krieg gegen sie, die Geschehnisse in der Türkei.
Als hierbei für die Türkei das gewünschte Ergebnis
ausblieb und sich in Folge der Krieg immer mehr auf einen größeren
Zeitraum erstreckte, die Gleichgewichte empfindlich gestört wurden,
geriet sie auf allen Ebenen in die Krise. Diese Situation zog die
Türkei in einen Strudel der Lösungslosigkeit und verschärfte
ihre Probleme in der Region und auf dem internationalen Parkett.
Dies hatte wiederum die dauernde Erfolglosigkeit der politischen Führer
und Parteien zur Folge. Die Politiker verloren ihr Ansehen und die
Hoffnungslosigkeit in der Gesellschaft nahm zu. In seiner Ausweglosigkeit
begann das Volk einen Retter zu suchen.
Unsere Parteiführung erkannte die von beiden Seiten ausgehende
Ausweglosigkeit des Krieges und rief mehrmals einen Waffenstillstand
aus, um eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen
Frage zu ermöglichen. Mit realistischen und akzeptablen Forderungen
wollte er zu einer Beendigung des Krieges beitragen. Obwohl unsere
Partei dazu ernsthaft einen Beitrag leistete, fand bis zur Auslieferung
unserer Parteiführung an die Türkei, diese Politik keine
Möglichkeit zur Umsetzung. Die eigene Gefangennahme nahm unsere
Parteiführung zum Anlass, die lang gereifte Strategie des demokratischen
Kampfes zu thematisieren. Mit der Beendigung des Krieges und dem Rückzug
unserer Kräfte vom Territorium der Türkei ermöglichte
sie einen Ausweg aus der Lösungslosigkeit. So wie der von unserer
Partei geführte Krieg, die Politik und das Leben in der Türkei
bestimmte, so bestimmt nun die Beendigung des Krieges unsererseits,
die Politik und das Leben in der Türkei. So wurde die Türkei
von der Atmosphäre des Krieges befreit und in eine Phase des
Wandels gedrängt, in der die Probleme auf demokratischen Wege
gelöst werden können. Dies hatte zur Folge, dass die vom
Krieg geschaffenen Gleichgewichte ins Wanken gerieten und eine Periode
begann, in der die Gründung von Gleichgewichten möglich
wurde, die sich auf Frieden und Demokratisierung stützen. Auch
auf dem Gebiet der Politik und Ökonomie trat eine spürbare
Entspannung ein.
In dieser Phase des Wandels wurde Herr Ahmet Necdet Sezer zum Staatspräsidenten
gewählt. Gestern wurden diejenigen, die von Menschenrechten und
Demokratie sprachen, der Unterstützung des Terrors und des Vaterlandverrats
bezichtigt. Wenn der Krieg nicht gestoppt worden wäre, hätte
Ahmet Necdet Sezer mit aller Sicherheit nicht Staatspräsident
werden können. Die von unserer Partei angeregte demokratische
Belebung, hat das Bedürfnis nach einem demokratischen Staatspräsidenten
hervorgebracht und Ahmet Necdet Sezer zu seiner jetzigen Aufgabe verholfen
und ihm die Mission, den Weg für eine Demokratisierung zu ebnen,
aufgetragen. Die Gesellschaft hat mit dem Bewusstsein, dass er als
Rechtsgelehrter allen ein Staatspräsident sein wird, dieser Wahl
ihre Unterstützung gegeben. Die Werktätigen und das kurdische
Volk, wie auch alle anderen demokratischen Kräfte, haben die
Wahl Sezer´s zum Staatspräsidenten positiv aufgenommen.
Aus diesem Grund wird in der Öffentlichkeit erwartet, dass das
kurdische Volk und die türkischen Werktätigen ihn als ihren
Staatspräsidenten anerkennen werden.
Ahmet Necdet Sezer ist ein Staatspräsident, der von 150 Jahre
Modernisierung und einer 40ig jährigen schmerzlichen demokratischen
Revolution hervorgebracht wurde. Deshalb wird erwartet, dass er sich
seiner Mission gemäss verhält. Nun hat er die Ehre, die
Türkei auf den Weg des demokratischen Wandels zu bringen. Wenn
er sich auf den demokratischen Aufwind in der Türkei und Kurdistan
stützt, so ist sicher, dass man ihn als einer Persönlichkeit
gedenken wird, welche die Geschichte positiv prägte. So wie unsere
Partei die Bedingungen für einen demokratischen Wandel in der
Türkei geschaffen hat, so wird sie auch weiterhin mit ihrem Friedensprojekt,
ihrer Verantwortung gegenüber der Demokratisierung nachkommen.
Sie wird jeden Schritt des Staatspräsidenten hin zu einer Demokratisierung
unterstützen. Für unsere Partei sind alle demokratischen
Kräfte, die eine Demokratisierung wünschen, ein natürlicher
Bündnispartner. Wir werden jede Initiative und jeden Schritt
hinsichtlich einer Demokratisierung unterstützen. So wie wir
an der Seite aller Schichten stehen, die für Menschenrechte und
Demokratie eintreten, so sind wir bereit, alle dafür notwendigen
Schritte zu unternehmen.
Es ist bekannt, dass das kurdische Volk lediglich nur seine natürlichen
demokratischen Rechte einfordert. Dies ist für alle politischen
Führer ersichtlich. Die Kräfte, welche die Demokratie und
den Wandel wünschen, führen zwecks Gewinnung von Unterstützung
politische Rundreisen in Kurdistan durch. So wie die Kurden in den
20iger Jahren des letzten Jahrhunderts nationale Streitkräfte
waren, so sind sie heute die Streitkraft für die Demokratie.
Die Entwicklung des letzten Jahres, hat die Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit
des kurdischen Volkes und der PKK hinsichtlich der Demokratie offen
gezeigt. Es ist notwendig, dass die verantwortlichen Kräfte in
der Türkei, von ihrer misstrauischen Annäherung an das kurdische
Volk und an die PKK Abstand nehmen. Mit Misstrauen und Angst zu leben
ist nicht möglich. Mit einem unbegründeten Misstrauen lassen
sich für die Türkei keine Schritte hin zur Zukunft unternehmen.
Die Türkei besitzt die demokratische und politische Fähigkeit,
auf ihr Selbstvertrauen bauend, die Probleme zeitgemäß
zu lösen. Wenn sich Herr Ahmet Necdet auf den demokratischen
Aufwind des Wandels stützt und für die Lösung der kurdischen
Frage, als grundsätzliches Problem für eine Demokratisierung,
den Weg freimacht, dann wird er in dieser historischen Phase, als
erfolgreicher Staatspräsident seine Rolle spielen. Das kurdische
Volk und die PKK wird in dieser Hinsicht behilflich sein und für
eine Beschleunigung der Demokratisierung sorgen. Das kurdische Volk
und die PKK fordern nichts anderes als die Anwendung der universellen
rechtlichen Normen. Es will nichts anderes als die Akzeptanz ihrer
universalen menschlichen Rechte und das Recht auf eine kulturelle
Identität. Es hat keine andere Absicht, als im Rahmen einer verfassungsgeschützten
Staatsbürgerschaft, in Freiheit seine Sprache zu gebrauchen und
mit seiner kulturellen Identität zu leben. Es will mit der Anerkennung
ihrer kulturellen Identität, in einem gemeinsamen Vaterland und
einer demokratischen Republik leben. Für einen Rechtsgelehrten
wie Ahmet Necdet Sezer sind dies verständliche und unverzichtbare
Rechte.
Wir glauben, dass der neue Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer,
den wir als einen prinzipienfesten Rechtsgelehrten kennen, während
seiner Amtsperiode diese Rechte verteidigen wird. Unsere Partei wird
einen Staatspräsidenten, der die Existenz des kurdischen Volkes
anerkennt und für die rechtliche Verankerung seiner sprachlichen
und kulturellen Rechte kämpft, als einen Staatspräsidenten
des kurdischen Volkes akzeptieren und im demokratischen Kampf jegliche
Unterstützung gewähren.
Unsere Partei ist für eine Vereinigung mit einer demokratisierten
Türkei bereit. Mit dem Glauben, dass der neue Staatspräsident
den Kampf um die Demokratisierung führt, wünschen wir ihm
nochmals eine erfolgreiche Durchführung seiner Aufgabe.