Internationale Initiative Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan
Internationales Koordinationsbüro
Postfach 100511
50445 Köln
Telefon: 0221 1301559 Fax: 0221 1393071
E-Mail: info@freedom-for-ocalan.com
URL: www.freedom-for-ocalan.com


18.05.2000

Zur Wahl des parteilosen Rechtsgelehrten und ehemaligen Verfassungsrichters, Ahmet Necdet Sezer, zum neuen Staatspräsidenten der Türkei, veröffentlichte die oberste Parteiversammlung der PKK am 16.05.2000 eine Stellungsnahme. Aufgrund der aktuellen Entwicklung dokumentieren wir sie ungekürzt und im vollen Wortlaut:

Der neue Staatspräsident muss der Staatspräsident aller Türken und Kurden sein!

Wir wünschen dem neuen Staatspräsidenten der Türkischen Republik, Sezer, viel Erfolg bei dieser wichtigen Aufgabe.
Der vorherige Staatspräsident war der Koordinator des Krieges in Kurdistan. Es war seine vorrangige Aufgabe, den aus dem Krieg sich ableitenden Bedürfnissen zu begegnen. Aus diesem Grund unternahm er große Anstrengungen, den in Kurdistan geführten schmutzigen Krieg und die kurdische Realität, vor der Weltöffentlichkeit zu verheimlichen.
Nicht nur der Staatspräsident, auch alle anderen Institutionen waren über den Krieg definiert. Entsprechend des Krieges gegen die PKK wurde die Politik ausgerichtet und festgelegt. Die Diplomatie hatte die Liquidation der PKK zur grundsätzlichen Aufgabe. Die ökonomischen Quellen wurden vorrangig zur Befriedigung der Bedürfnisse des Krieges verwendet. Unter diesen Bedingungen war das Einstehen für Freiheiten und Demokratie ein Verbrechen, wurde als Verrat gebrandmarkt und mit Gewalt unterdrückt. Zwanzig Jahre lang bestimmten die PKK und der Krieg gegen sie, die Geschehnisse in der Türkei. Als hierbei für die Türkei das gewünschte Ergebnis ausblieb und sich in Folge der Krieg immer mehr auf einen größeren Zeitraum erstreckte, die Gleichgewichte empfindlich gestört wurden, geriet sie auf allen Ebenen in die Krise. Diese Situation zog die Türkei in einen Strudel der Lösungslosigkeit und verschärfte ihre Probleme in der Region und auf dem internationalen Parkett.
Dies hatte wiederum die dauernde Erfolglosigkeit der politischen Führer und Parteien zur Folge. Die Politiker verloren ihr Ansehen und die Hoffnungslosigkeit in der Gesellschaft nahm zu. In seiner Ausweglosigkeit begann das Volk einen Retter zu suchen.
Unsere Parteiführung erkannte die von beiden Seiten ausgehende Ausweglosigkeit des Krieges und rief mehrmals einen Waffenstillstand aus, um eine demokratische und friedliche Lösung der kurdischen Frage zu ermöglichen. Mit realistischen und akzeptablen Forderungen wollte er zu einer Beendigung des Krieges beitragen. Obwohl unsere Partei dazu ernsthaft einen Beitrag leistete, fand bis zur Auslieferung unserer Parteiführung an die Türkei, diese Politik keine Möglichkeit zur Umsetzung. Die eigene Gefangennahme nahm unsere Parteiführung zum Anlass, die lang gereifte Strategie des demokratischen Kampfes zu thematisieren. Mit der Beendigung des Krieges und dem Rückzug unserer Kräfte vom Territorium der Türkei ermöglichte sie einen Ausweg aus der Lösungslosigkeit. So wie der von unserer Partei geführte Krieg, die Politik und das Leben in der Türkei bestimmte, so bestimmt nun die Beendigung des Krieges unsererseits, die Politik und das Leben in der Türkei. So wurde die Türkei von der Atmosphäre des Krieges befreit und in eine Phase des Wandels gedrängt, in der die Probleme auf demokratischen Wege gelöst werden können. Dies hatte zur Folge, dass die vom Krieg geschaffenen Gleichgewichte ins Wanken gerieten und eine Periode begann, in der die Gründung von Gleichgewichten möglich wurde, die sich auf Frieden und Demokratisierung stützen. Auch auf dem Gebiet der Politik und Ökonomie trat eine spürbare Entspannung ein.
In dieser Phase des Wandels wurde Herr Ahmet Necdet Sezer zum Staatspräsidenten gewählt. Gestern wurden diejenigen, die von Menschenrechten und Demokratie sprachen, der Unterstützung des Terrors und des Vaterlandverrats bezichtigt. Wenn der Krieg nicht gestoppt worden wäre, hätte Ahmet Necdet Sezer mit aller Sicherheit nicht Staatspräsident werden können. Die von unserer Partei angeregte demokratische Belebung, hat das Bedürfnis nach einem demokratischen Staatspräsidenten hervorgebracht und Ahmet Necdet Sezer zu seiner jetzigen Aufgabe verholfen und ihm die Mission, den Weg für eine Demokratisierung zu ebnen, aufgetragen. Die Gesellschaft hat mit dem Bewusstsein, dass er als Rechtsgelehrter allen ein Staatspräsident sein wird, dieser Wahl ihre Unterstützung gegeben. Die Werktätigen und das kurdische Volk, wie auch alle anderen demokratischen Kräfte, haben die Wahl Sezer´s zum Staatspräsidenten positiv aufgenommen. Aus diesem Grund wird in der Öffentlichkeit erwartet, dass das kurdische Volk und die türkischen Werktätigen ihn als ihren Staatspräsidenten anerkennen werden.
Ahmet Necdet Sezer ist ein Staatspräsident, der von 150 Jahre Modernisierung und einer 40ig jährigen schmerzlichen demokratischen Revolution hervorgebracht wurde. Deshalb wird erwartet, dass er sich seiner Mission gemäss verhält. Nun hat er die Ehre, die Türkei auf den Weg des demokratischen Wandels zu bringen. Wenn er sich auf den demokratischen Aufwind in der Türkei und Kurdistan stützt, so ist sicher, dass man ihn als einer Persönlichkeit gedenken wird, welche die Geschichte positiv prägte. So wie unsere Partei die Bedingungen für einen demokratischen Wandel in der Türkei geschaffen hat, so wird sie auch weiterhin mit ihrem Friedensprojekt, ihrer Verantwortung gegenüber der Demokratisierung nachkommen. Sie wird jeden Schritt des Staatspräsidenten hin zu einer Demokratisierung unterstützen. Für unsere Partei sind alle demokratischen Kräfte, die eine Demokratisierung wünschen, ein natürlicher Bündnispartner. Wir werden jede Initiative und jeden Schritt hinsichtlich einer Demokratisierung unterstützen. So wie wir an der Seite aller Schichten stehen, die für Menschenrechte und Demokratie eintreten, so sind wir bereit, alle dafür notwendigen Schritte zu unternehmen.
Es ist bekannt, dass das kurdische Volk lediglich nur seine natürlichen demokratischen Rechte einfordert. Dies ist für alle politischen Führer ersichtlich. Die Kräfte, welche die Demokratie und den Wandel wünschen, führen zwecks Gewinnung von Unterstützung politische Rundreisen in Kurdistan durch. So wie die Kurden in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts nationale Streitkräfte waren, so sind sie heute die Streitkraft für die Demokratie.
Die Entwicklung des letzten Jahres, hat die Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit des kurdischen Volkes und der PKK hinsichtlich der Demokratie offen gezeigt. Es ist notwendig, dass die verantwortlichen Kräfte in der Türkei, von ihrer misstrauischen Annäherung an das kurdische Volk und an die PKK Abstand nehmen. Mit Misstrauen und Angst zu leben ist nicht möglich. Mit einem unbegründeten Misstrauen lassen sich für die Türkei keine Schritte hin zur Zukunft unternehmen. Die Türkei besitzt die demokratische und politische Fähigkeit, auf ihr Selbstvertrauen bauend, die Probleme zeitgemäß zu lösen. Wenn sich Herr Ahmet Necdet auf den demokratischen Aufwind des Wandels stützt und für die Lösung der kurdischen Frage, als grundsätzliches Problem für eine Demokratisierung, den Weg freimacht, dann wird er in dieser historischen Phase, als erfolgreicher Staatspräsident seine Rolle spielen. Das kurdische Volk und die PKK wird in dieser Hinsicht behilflich sein und für eine Beschleunigung der Demokratisierung sorgen. Das kurdische Volk und die PKK fordern nichts anderes als die Anwendung der universellen rechtlichen Normen. Es will nichts anderes als die Akzeptanz ihrer universalen menschlichen Rechte und das Recht auf eine kulturelle Identität. Es hat keine andere Absicht, als im Rahmen einer verfassungsgeschützten Staatsbürgerschaft, in Freiheit seine Sprache zu gebrauchen und mit seiner kulturellen Identität zu leben. Es will mit der Anerkennung ihrer kulturellen Identität, in einem gemeinsamen Vaterland und einer demokratischen Republik leben. Für einen Rechtsgelehrten wie Ahmet Necdet Sezer sind dies verständliche und unverzichtbare Rechte.
Wir glauben, dass der neue Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer, den wir als einen prinzipienfesten Rechtsgelehrten kennen, während seiner Amtsperiode diese Rechte verteidigen wird. Unsere Partei wird einen Staatspräsidenten, der die Existenz des kurdischen Volkes anerkennt und für die rechtliche Verankerung seiner sprachlichen und kulturellen Rechte kämpft, als einen Staatspräsidenten des kurdischen Volkes akzeptieren und im demokratischen Kampf jegliche Unterstützung gewähren.
Unsere Partei ist für eine Vereinigung mit einer demokratisierten Türkei bereit. Mit dem Glauben, dass der neue Staatspräsident den Kampf um die Demokratisierung führt, wünschen wir ihm nochmals eine erfolgreiche Durchführung seiner Aufgabe.