Britisches Parlament gegen Buergschaft fuer Ilisu-Staudamm

Bundesregierung in Erklaerungsnotstand

(Bonn, 17.7.2000) Zu einem vernichtenden Urteil ueber den Ilisu-Staudamm kommt ein juengst veroeffentlichter Bericht des entwicklungspolitischen Ausschusses im britischen Unterhaus. Der Staudamm in der Suedosttuerkei soll den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und dem Irak aufstauen. Unter anderem britische und deutsche Exportkreditversicherungen (Hermesbuergschaften) sollen das Projekt ermoeglichen. Der britische Parlamentsbericht kommt zu dem Schluss, dass bei der Planung des Ilisu- Damms von Anfang an internationale Standards verletzt wurden und diese nach wie vor nicht erfuellt werden. Eine Buergschaftsuebernahme wird daher eindeutig abgelehnt. Insbesondere sprechen sich die Parlamentarier gegen das Vorgehen der Exportkreditversicherungen aus, menschenrechtlichen und oekologischen Bedenken durch Auflagen in letzter Minute begegnen zu wollen. Diese koennten nicht ernst genommen werden. Zudem kritisiert der Bericht, dass die britische Regierung die Auswirkungen des Dammbaus auf die Friedensaussichten und die Rechte der marginalisierten Bevoelkerung nicht untersucht habe.

"Durch den britischen Parlamentsbericht kommt auch die Bundesregierung in Erklaerungsnotstand", bewertet Heike Drillisch von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation WEED das vorliegende Dokument. "Die einzig moegliche Konsequenz ist die sofortige Ablehnung des Hermes-Antrags." Seit zwei Jahren prueft die Bundesregierung einen Antrag der Ravensburger Firma Sulzer, Turbinenlieferungen fuer den Ilisu-Staudamm mit Hermesbuergschaften abzusichern. Gemeinsam mit den uebrigen Exportkreditversicherungen erwaegt sie bisher eine Bewilligung unter Auflagen.

Im deutschen Bundestag wurde erst kuerzlich ein Antrag der PDS, keine Hermesbuergschaften fuer den Ilisu-Staudamm zu gewaehren, mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Ein von SPD und Buendnis 90 / DIE GRUeNEN angekuendigter eigener Antrag kam vor der Sommerpause nicht mehr zustande. "Im Gegensatz zum britischen Parlament nimmt der Bundestag seine Aufgabe als Kontrollorgan der Bundesregierung offensichtlich wenig ernst. Wir erwarten dringend, dass Menschenrechte und Friedenspolitik endlich Vorrang vor Wirtschaftsinteressen und der Ruecksichtnahme auf die tuerkische Regierung erhalten", kommentiert Drillisch.

Zum Hintergrund:

Der Ilisu-Staudamm stellt das bedeutendste Projekt dar, das derzeit von Exportkreditversicherungen geprueft wird. Neben Grossbritannien und Deutschland sind die Schweiz, die USA, Italien, Schweden, Oesterreich, Japan und Portugal beteiligt. Erstmalig haben sich die beteiligten Laender auf eine gemeinsame Projektpruefung geeinigt.

Umwelt- und Entwicklungsorganisationen bemaengeln, dass der Staudamm zur Vertreibung zehntausender Kurden und Kurdinnen, zur Ueberflutung bedeutender Kulturschaetze und zur Verschaerfung des Wasserkonflikts in Nahost fuehren wuerde. Die oekologischen Folgen von Grossstaudaemmen dieser Art seien nicht zu kompensieren. Auch in der Tuerkei sind Klagen gegen das Projekt anhaengig. Vor Ort protestierten am 10. Juni 2000 tausende Betroffene mit einem Kulturfestival gegen die drohende Vernichtung der antiken Stadt Hasankeyf.

Vor dem entwicklungspolitischen Ausschuss hatte bereits der Handels- und Industrieausschuss des britischen Unterhauses das Vorgehen der Regierung stark kritisiert. Das britische Handelsministerium hatte im Dezember seine Bereitschaft signalisiert, eine Buergschaft fuer den Staudamm zu uebernehmen. Im Auftrag der britischen Regierung erstellte Studien zur Umweltvertraeglichkeitspruefung und zu Umsiedlungsfragen werfen jedoch massive Bedenken gegen das Projekt auf.

Der Sechste Bericht des International Development Committee im House of Commons "ECGD, Developmental Issues and the Ilisu Dam" ist im Internet unter www.parliament.uk/commons/selcom/indhome.htm verfuegbar.

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