Berlin, 20. September 2000
An die Redaktionen:
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Seit über eine Woche geht die Patriotische Union Kurdistans
PUK in Südkurdistan (Nordirak) gegen PKK-Guerillas militärisch
vor. Nach Informationen gibt es Verlusten, Verletzte und in
Kriegsgefangenschaft geratene Kämpfer. Am 18. September
2000 veröffentlichte der Parteirat der Arbeiterpartei
Kurdistans einen "Nationalen Friedens- und Einheitsmanifest".
Zu diesen Entwicklungen gab am heutigen Tag die Kurdische
Demokratische Volksunion YDK eine Stellungnahme ab. Im Anschluss
dokumentieren wir einige Auszüge in deutscher Übersetzung:
"An die Öffentlichkeit!
Der unglückliche Plan, der in der Geschichte unseres
Volkes unzählige Male praktiziert wurde, soll erneut
umgesetzt werden. Den mit großen Schwierigkeiten entwickelten
nationalen Willen des kurdischen Volkes versucht man mit allen
Mitteln zu vernichten. Das gegen unseren Kampf in der Person
der nationalen Führung des Vorsitzenden Abdullah Öcalan
gerichtete internationale Komplott wird seit zwei Jahren beharrlich
fortgeführt. Die internationalen Träger dieses Komplotts,
die es entwickelt und umgesetzt haben, die Regionalmächte
im Mittleren Osten sowie die Kollaborateure haben innerhalb
der letzten zwei Jahre alle Stützen unseres Kampfes,
in erste Linie den Vorsitzenden Abdullah Öcalan, erbarmungslos
angegriffen.
Der Vorsitzende Öcalan hat mit der von ihm entwickelten
neuen Strategie die Versuche, den nationalen Willen zu vernichten,
erfolgreich abgewendet. Das kurdische Volk hat mit seinen
Institutionen und Organisationen die neue Strategie angenommen
und mit deren konsequent erfolgten Entwicklungen ist eine
neue und wichtige Phase begonnen worden. Das kurdische Volk
hat mit seinen prächtigen Aktivitäten die wichtige
Basis für die Friedensphase geschaffen. Die Entwicklung
des vergangenen Jahres hat deutlich gemacht, dass die nationale
demokratische Linie, die von der PKK-Führung entwickelt
worden ist, der einzige Lösungsweg ist, der unser Volk
zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit dem Zeitalter verbinden
wird.
Es ist jedoch offensichtlich, dass diese Entwicklung wie
auch die Tatsache, dass die Avantgarde der kurdischen Nationalbewegung,
die PKK, mit großem Erfolg ihre Einheit aufrecht halten
konnte, gegenwärtig umfassende Angriffe der Gegner zur
Folge hat. Diese Angriffe werden in erste Linie von den internationalen
Komplottkräften geführt. Die engen nationalistischen
Vorstellungen der herrschenden Staaten und der rückständige
Nationalismus, der aus feudalen Clanstrukturen resultiert,
sind ebenfalls Träger dieser Angriffe. Diese drei Kräftegruppierungen
sind wenn auch in unterschiedlicher Weise - an den Angriffen
gegen die nationale demokratische Entwicklung unseres Volkes
beteiligt.
Besonders gegenwärtig steht der kurdische nationale
und demokratische Wille solchen Attacken gegenüber. Die
letzten Angriffe in Südkurdistan beweisen das. Das Abkommen
von Washington von 1998 (zwischen den USA und u.a. den südkurdischen
Kräften), das zugleich den Grundstein für den internationalen
Komplott gelegt hat, ist erneut aktiv. 1998 wurde die KDP
und PUK in Washington zusammen gebracht und ein Abkommen auf
der Grundlage der Vernichtung der PKK, d.h. des kurdischen
nationalen Willens, getroffen. Das nach diesem Abkommen praktisch
entwickelte Komplott endete am 15. Februar 1999 mit dem Resultat
des Anteils des türkischen Staates. Die Haltung des Vorsitzenden
Abdullah Öcalan und der PKK nach dem 15.Februar hinderte
allerdings die internationalen Kräfte des Komplotts daran,
ihr Ziel zu erreichen.
Vor allem die Newrozfeierlichkeiten in diesem Jahr in Amed
(Diyarbakir) wie auch die Großdemonstration am 24. Juni
in Düsseldorf und das Festival am 2. September in Köln,
ebenfalls in diesem Jahr, das bereits mit einem erfolgreichen
Parteikongress begonnen wurde, haben bewiesen, das das kurdische
Volk hinter der neuen Phase steht.
Daraufhin wurden im Herbst Vorbereitungen für einen
neuen Angriff getroffen. Diesmal war es die PUK, die aktiv
agierte. Sie begann die Stützpunkte der PKK-Guerilla
militärisch zu belagern, das Krankenhaus, in dem die
Verletzten behandelt wurden, zu schließen, die Kultur-
und Presseeinrichtungen zu verbieten. Zudem lehnte sie die
Dialogaufrufe der PKK jedesmal ab. All diese Angriffsvorbereitungen
wurden nach den Gesprächen der PUK-Führung in Washington,
Ankara, Teheran und Damaskus begonnen. Die PUK, durch deren
Maßnahmen sich während des Sommers die Situation
immer mehr zugespitzt hatte, ging in der vergangenen Woche
gegen unsere Guerillakräfte militärisch vor. Gegenwärtig
finden in verschiedenen Regionen Südkurdistans zwischen
der angreifenden PUK-Mitgliedern und den sich verteidigenden
PKK-Guerilla Gefechte statt.
Unmittelbar nach dem Beginn der militärischen Auseinandersetzung
hat die PKK, sich an den Aufruf des "Friedenskomitee
zwischen den Kurden" haltend, zum einen erklärt,
sie sei bereit, einen Waffenstillstand zu schließen,
während sie zum anderen mit ihrem »Nationalen Friedens
und Demokratieprojekt« einen weiteren wichtigen Schritt
für die Lösung der innerkurdischen Probleme unternommen
hat. Die PUK richtet hingegen auch nach dem Beginn der Gefechte
ihre Kräfte auf kriegerische Handlungen aus. Das deutet
darauf hin, daß die Auseinandersetzungen sich noch mehr
ausweiten werden. Somit wird versucht, die Friedensstrategie
der PKK, die die Zukunft Nord- und Südkurdistans festigen
will, zu sabotieren und die kurdische Frage erneut in Ausweglosigkeit
zu führen. Es ist notwendig, gegenüber solchen Plänen,
die gegen das kurdische Volk geschmiedet werden, aufmerksam
zu sein. Diese Lage sollte nicht nur als eine Auseinandersetzung
zwischen zwei Gruppen gesehen werden. Vielmehr geht es hierbei
um ein Plan, der die Zukunft der Interessen des kurdischen
Volkes gefährdet. Die PUK, die versucht, aus dem Blut
des kurdischen Volkes Profit zu ziehen, ist eigentlich bemüht,
den türkischen Staat nach Südkurdistan zu holen
und ihn dort ansässig zu machen. Dieser Plan sieht zudem
eine Aufbau in Erbil vor, das von Turkmenen beherrscht werden
soll. Somit wird der kurdische nationale Wille vernichtet
und die Region direkt unter die Kontrolle der Türkei
und der USA gestellt. Das würde den nationalen Willen,
der in Südkurdistan zu entwickeln versucht wird, vernichten,
und in Norden wird sie die Friedens- und die Demokratiephase,
die sich auf die Anerkennung der nationalen Identität
stützt, sabotieren. Eine solche Entwicklung wird sich
auf die Kurden ebenso wie auch auf die anderen Völker
in der Region negativ auswirken. Deshalb rufen wir alle demokratischen
Kräfte zur mehr Aufmerksamkeit auf!
An das gesamte kurdische Volk, in erste Linie an das kurdische
Volk in Südkurdistan:
Die Friedensphase und das nationale Friedens- und Demokratieprojekt,
die durch die PKK entwickelt wurden, stellen für unser
Volk und für unsere Region einen wichtige Chance dar.
Jeder Versuch, diese zu verhindern, wird weiter gehende negative
Folgen haben, als selbst die der Kollaboration. Es ist an
der Zeit, dass das Volk seinen nationale Forderungen Nachdruck
verleiht. Es ist an der Zeit, die Auseinandersetzungen sofort
einzustellen und das 21. Jahrhundert mit der Errichtung der
nationalen Einheit und mit Frieden auf der Grundlage der Demokratie
zu beginnen. Daher laßt uns die Einstellung der Angriffe
der PUK in Südkurdistan gegen unser Volk fordern! Alle
Patrioten und Demokraten sollten alles in ihrer Macht Stehende
dafür einsetzen, dass die PUK ihre Angriffe einstellt
und der Weg für den Dialog geöffnet wird."