Willkommen beim Kurdistan Informationszentrum Köln
Kaiser-Friedrich-Str. 63, Postfach 12 11 22, 10 605 Berlin 
Tel:  (49) 030–32764023, Fax: (49) 030–32764025 
e-mail:kizkoeln@aol.com 

 

Berlin, 20. September 2000

 

Nationales Friedens- und Einheitsmanifest

Die Menschheit beginnt das 21.Jahrhundert damit, daß sie sich noch besser vorbereitet hat, um für ihre Probleme tragende Lösungen zu finden. Sie ist daher auf dem Weg, ihre Friedens-, Demokratie und Freiheitsabsichten, angelehnt an die Errungenschaften des letzen Jahrhunderts, auf eine entsprechendes Niveau zu heben.

Um nicht noch einmal in die Spannungen und Kriege zurückzufallen, die im 20. Jahrhundert zu so viel Leiden geführt haben, und um ihre erhabene Absichten zu realisieren, sieht die Menschheit einzig den Weg des Dialogs und der Übereinkunft als gangbar an. Sie entwickelt die Strategie, die Taktik und die Planung dafür und bewegt sich bei der Lösung ihrer Probleme entsprechend. Diese Situation bedeutet gleichzeitig den Ausdruck des erreichten Entwicklungsniveaus der Menschheit. Die gegenwärtige Lage des kurdischen Volks und die Art, wie es seine nationalen und gesellschaftlichen Probleme zu lösen versucht, widerspricht jedoch dem sonst auf der Welt erreichten Niveau. Wenn bei der Lösung der nationalen und gesellschaftlichen Probleme die Entwicklung der Menschheit als Maßstab genommen wird, so ist das kurdische Volk offensichtlich in einer rückständige Lage. Die Strategie und Taktik seines Kampfes war für die Lösung nicht ausreichend. Wenn auch der große Kampf auf dieser Basis zu wichtige Entwicklungen geführt hat, so hat er doch nicht die nationalen Freiheit und die Lösung der gesellschaftlichen Probleme erlangt. Als Folge dieser Kämpfe und den durch sie bedingten Entwicklungen zeigte sich jedoch die Erfolglosigkeit der nationalistischen Vernichtungs- und Verleugnungspolitik der herrschenden Staaten und zwang sie zur Entwicklung neuer politischer Strategien.

Aus den genannten Gründen dehnte sich die Suche nach Lösungen für unsere nationalen und gesellschaftlichen Probleme ins 21.Jahrhundert hinein aus. Die wichtigsten Hindernisse für die Lösung der kurdischen Frage, die eines der Hauptprobleme und Grund für die Rückständigkeiten des Mittleren Ostens bedeutet, ist die Verleugnungs- und Vernichtungspolitik der herrschenden Staaten. Diese ist das Produkt aus deren Politik eines reaktionären, einengenden Nationalismus einerseits, andererseits aus Eigeninteressen und Kollaborationen der kurdischen Seite. Diese Art von Politik, die in Verbindung zu äußeren Kräften entwickelt wird, bietet nicht nur keine Lösung, sondern führt im Gegenteil zu ständigen innerkurdischen Auseinandersetzungen. Diese wiederum führen zur starker Zersplitterung und zu einer Schädigung der nationalen Dynamik.

Solange das kurdische Volk diese schmerzhafte Situation nicht beendet und diese die nationale Dynamik beschädigenden Auseinandersetzungen nicht durch inneren Frieden, Demokratie und Einheit ersetzt, wird es kein Problem lösen können. Alle kurdischen Gruppierungen sehen sich der Notwendigkeit gegenüber, diese Auseinandersetzungen zu überwinden und auf diese Weise nationalen Frieden, Demokratie und Einheit zu erreichen. Gegenüber dieser absoluten und zwingenden Realität hat sich gegenwärtig die kurdische nationale Bewegung geteilt. Sie führt Auseinandersetzungen und entwickelt keine Haltung und Annäherung, um diese Situation zu überwinden. Wie am Beispiel des internationalen Komplotts gegen den Freiheitskampf unseres Volkes in der Person unseres Vorsitzenden Abdullah Öcalan zu sehen ist, wird ein Teil der kurdischen Bewegung gegen ein anderen Teil benutzt, um daraus politischen Profit zu ziehen. Diese Art von Verständnis und Haltungen führt zu militärischen und politischen Auseinandersetzung innerhalb der kurdischen nationalen Bewegung. Unsere Partei PKK, die man ebenfalls in eine ähnliche Auseinandersetzung einzubeziehen versucht, lehnt diese Art von Auseinandersetzungen ab, ebenso wie die Politik, die dazu führt, und hält beharrlich an nationalem Frieden, Demokratie und Einheit fest.

Um die kurdische nationale Frage mit den herrschenden Ländern auf der Grundlage der Friedens-, Demokratie- und Einheitsstrategie lösen zu können, die inzwischen sowohl auf der Grundlage der internationalen positiven Entwicklungen als auch der wichtigen Erfahrungen und des Wissens, die unsere demokratische nationale Bewegung geschaffen hat, möglich erscheint, bedarf es dringend des inneren, nationalen Friedens, der nationalen Demokratie und Einheit. Unsere Partei, die sich ihrer Verantwortung bei der Lösung der nationalen und gesellschaftlichen Probleme voll bewußt ist, glaubt daran, daß der nationale Frieden, die nationale Demokratie und Einheit auf der Grundlage der Prinzipien und dringenden Maßnahmen, die im folgenden angeführt sind, erreicht werden können, und sie wird für die Realisierung der nachstehend ausgeführten Punkte alles in ihrer Macht stehende unternehmen.


A- Für die Verwirklichung des kurdischen nationalen Friedens:

1- Solange mit der Förderung und Unterstützung der äußeren Mächte die herrschenden Staaten ihre Vernichtungs- und Verleugnungspolitik gegenüber dem kurdischen Volk fortführen, ist es zwingend und legitim, daß die Kurden als Voraussetzung für die Verteidigung und Entwicklung ihrer nationalen Interessen bewaffnete Kräfte unterhalten.

2- Die bewaffneten Kräfte unterschiedlicher kurdischer Organisationen, Institutionen und Persönlichkeiten haben in ihrer Funktion nach außen gerichtet zu sein und sollen nach Möglichkeit in Form von gemeinsamen nationalen Kräften vereinigt werden. Diese Kräfte, in Kooperation mit äußeren Kräften oder für individuelle Interessen in internen Konflikten gegeneinander auszuspielen, wird als ein Vergehen gegen die Nation angesehen und entsprechend durch Sanktionen geahndet.

3- Die Gründe, die zu Verletzungen des nationalen Friedens und zu Auseinandersetzungen führen, sind die Vernichtungs- und Verleugnungspolitik der herrschenden Staaten sowie die Interessen- und Kollaborationspolitik der feudalen Clangruppen. Damit der nationale Frieden erreicht werden kann, ist es zwingend notwendig, daß alle kurdischen nationalen Kräfte diese Art von Politik ablehnen und statt dessen auf der Grundlage politischer Annäherung den Frieden stützen.

4- So, wie ohne nationalen Frieden keine nationale Demokratie erlangt werden kann, so kann auch ein nationaler Frieden, der sich nicht auf die Demokratie stützt, nicht echt und beständig sein. Daher ist es unumgänglich um einen beständigen nationalen Frieden zu erreichen, daß die nationale Freiheit gewonnen und ein demokratisches System entwickelt wird. Das ist die Hauptaufgabe, die allen kurdischen nationalen Kräften bevorsteht.

5- Damit ein nationaler Frieden auf Dauer erreicht wird, ist es wichtig, daß sich eine Friedenskultur entwickelt und das Volk, angelehnt an demokratische Maßstäbe, mit einer derartigen Friedenskultur ausgerüstet wird. Dafür müssen alle kurdischen nationalen Kräfte in ihre Programme die Entwicklung einer Friedenskultur aufnehmen und intensiv auf dieser Grundlage arbeiten.

6- Die Lösungen der immer wieder zu Auseinandersetzungen führenden Probleme sollte nicht auf der Basis der Interessen oder der Politik einer Gruppe gesucht werden, sondern in nationaler Übereinstimmung und im Rahmen nationaler Interessen.


B- Um die kurdische nationale Demokratie zu schaffen und zu entwickeln:

1- Die Hauptvoraussetzung für die Umsetzung des demokratischen Zusammenlebens auf nationaler Ebene ist die Überwindung feudaler Clanstrukturen, durch die jegliche Art von Geteiltsein und Eigeninteressen begründet sind. Jede kurdische nationale Kraft sollte, um in richtigen Sinne eine nationale Kraft werden zu können, eine zutiefst demokratische Annäherung zur Grundlage nehmen und jegliche feudale Beziehungs- und Lebensform sowie den aus ihr resultierenden Despotismus ablehnen und aktiv dagegen ankämpfen.

2- Die unverzichtbare Grundlage der Demokratie ist die Meinungs- und Organisierungsfreiheit. Jede kurdische nationale Kraft sollte diese Grundannäherung der Demokratie umsetzen und die Tendenzen der Verbotsmentalität, die aus der nationalen Verleugnungs- und Vernichtungspolitik der herrschenden Staaten resultieren sowie die antidemokratische Haltungen, die durch feudale Clanstrukturen verursacht sind, unbedingt überwinden. Überall in Kurdistan sollten neben einer totalen Meinungs- und Artikulationsfreiheit auch die Bedingungen geschaffen werden, daß alle kurdische Parteien und Organisationen sich frei organisieren und arbeiten können. Jede kurdische nationale Partei und Organisation sollte sich diesen demokratischen Grundprinzipien verpflichtet fühlen und sie umsetzten.

3- Alle kurdischen nationalen Parteien und Organisation sollten sich auf der Grundlage, daß sie ihre Vielfalt darstellen können, dem Prinzip demokratischen Zusammenlebens verbunden fühlen. Sie sollten ferner danach streben, das Trennende so weit zu überwinden, dass sie auf der Grundlage vielschichtiger Beziehungen gemeinsame politische, kulturelle, diplomatische und wirtschaftliche Vereinigungen organisieren und sie durch Institutionalisierung dauerhaft gestalten.

4- Jede kurdische Partei und Organisation sollte es als nationale Aufgabe ansehen, die kurdische Demokratie selbst und die demokratischen Kräfte zu verteidigen, wenn sie von äußeren, antidemokratischen Kräften angegriffen werden.

5- Jede kurdische Partei und Organisation sollte bei ihren Kritik- und Meinungsäußerungen innerhalb eines demokratischen Rahmens aufbauend wirken und sich bloßstellender und provozierender Äußerungen enthalten.


C- Wie die Beziehungen zu herrschenden Gesellschaften und Staaten auf derrichtigen Grundlage geordnet werden können:

1- In den Beziehungen zu allen Gesellschaftsschichten und staatstragenden Kräften in denjenigen herrschenden Staaten, die die nationalen demokratischen Rechte des kurdischen Volkes akzeptieren, sollten Frieden und Freundschaft als Basis gemeinsamen Lebens und Handelns gelten. Auf der Grundlage demokratischen Wandels und der demokratischen Lösung der kurdischen Frage sollte ein freies und freiwilliges Zusammenleben angestrebt werden.

2- Die Beziehungen zur den herrschenden Staaten sollten auf dem Grundsatz der Lösung der kurdischen Frage, eines demokratischen System und freiwilligen Zusammenlebens angegangen werden. Politische Bestrebungen, die Kurden als taktische Kräfte anzusehen und sie gegeneinander auszuspielen, sollten abgelehnt werden.

3- Die kurdische nationale Bewegung wird nicht die Probleme, die die herrschenden Staaten untereinander haben, verstärken oder in die Ausweglosigkeit führen, sondern zu deren Lösung beitragen und versuchen, diese Staaten einander näher zu bringen, um schließlich eine demokratische Union des Mittleren Ostens zu erreichen.

4- Wenn eine kurdische Partei oder Organisation Beziehungen zu einem der herrschenden Staaten aufbaut, sollte sie nicht eine Haltung einnehmen, die sich gegen eine andere kurdischen Partei oder Organisation richtet. Es sollte als nationales Vergehen angesehen und entsprechend sanktioniert werden, Kontakte zum Nachteil anderer einzugehen. Alle nationalen kurdischen Kräfte sollten in ihren Kontakten zu benachbarten Gesellschaften und Staaten eine gemeinsame Haltung einnehmen.


D- Damit die internationalen Kontakte reorganisiert und entwickelt werden:

1- Internationale Kontakte einer kurdischen Organisation zum Schaden einer anderen Organisation sollten als Vergehen gegen die gesamte Nation betrachtet und entsprechende Sanktionen angewandt werden.

2- Nach Möglichkeit sollten die kurdischen Parteien und Organisationen in den internationalen Beziehungen eine gemeinsame Haltung anstreben und sich gegenseitig über ihre internationale Kontakte informieren.

3- Die Lösung der kurdischen Frage sollte sowohl für Kurdistan generell als auch konkret für die jeweiligen Teilen Kurdistans betrachtet werden, und zum Erreichen einer Lösung auf diese Basis sollte eine gemeinsame Diplomatie angestrebt werden.
4- Um den Kampf des kurdischen Volkes für Freiheit und Demokratie allen Völkern der Erde nahe zu bringen und ihre Unterstützung zu erhalten, sollte eine gemeinsame, breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt werden


E- Für die Entwicklung der nationalen Einheit:

1- Jede auf der Teilung Kurdistans basierende Haltung und alle Annäherungen, die aus enger Interessebezogenheit resultieren, die die nationale Entwicklung und Einheit verhindern und deren Quellen feudale Clanstrukturen sind, jede Art von Geteiltsein, selbstsüchtigen Annäherungen, regionalen Haltungen und ausschließlich regionalen Bezügen sollten überwunden werden.

2- Ohne die nationale Einheit zu erreichen, kann kein nationaler Frieden entwickelt werden. Aus diesem Grunde sollten, um die Teilung und Zersplitterung zu überwinden und den nationalen Frieden zu erreichen, alle nationalen Kräfte sich einheitlich bewegen und gemeinsame Aktivitäten durchführen.

3- Die Demokratisierung der herrschenden Staaten und Gesellschaften hängt mit der demokratischen Lösung der kurdischen Frage auf der Grundlage des freien Zusammenlebens zusammen. Es ist trotz bestehender Grenzen möglich, die kurdischen nationale Kontakte und eine kurdische Einheit zu entwickeln; jede kurdische Partei und Organisation sollte die nationale Entwicklung und Einheit auf der Grundlage dieser Grundsätze anstreben.

4- Der Kurdistan Nationalkongress (KNK) sollte zum höchsten Willens- und Beschlußorgan der Nation entwickelt werden. Keine nationaler Gruppe sollte außerhalb dieses Kongresses stehen. Alle Gruppen sollten ihre Vertretung ausreichend in diesem Kongress finden, und diejenigen Gruppen, die außerhalb des Kongresses bleiben, sollten nicht als legitim angesehen werden.

5- Unter der Initiative des Kurdistan Nationalkongresses sollte eine nationale Friedenskonferenz durchgeführt werden. Diese Konferenz sollte auf der Grundlage der Gemeinsamkeit der kurdischen Nationalbewegung eine demokratische Lösung anstreben und diese für einen dauerhaften nationalen Frieden und für ein demokratischen Lebenssystem institutionalisieren.


Kurzfristig notwendige Maßnahmen, damit die Auseinandersetzungen beendet werden können:

1- Um die Atmosphäre für die Lösung der Probleme mittels politischem Dialog zu entwickeln, muß zwischen alle Kräften, die sich in einer militärischen Auseinandersetzung befinden, allen voran zwischen der KDP, PUK und PKK, ein Waffenstillstand erreicht, Verhandlungen aufgenommen und ein gegenseitiger Nicht-Angriffspakt unterzeichnet werden.

2- Alle Kräfte müssen ihre Propagandakriege zur Bloßstellung und Provokation der anderen einstellen und alle Propagandamittel, vor allem Presse und Medien, sollten in den Dienst des nationalen Friedens gestellt werden.

3- Die Parteien und Organisationen müssen ihre Existenz gegenseitig respektieren und sich von Haltungen und Annäherungen fernhalten, die als Eingriff in inneren Angelegenheiten erscheinen.

4- Als Geste des guten Willens und als Beitrag für die Entwicklung der Atmosphäre des nationalen Friedens sollten alle Gefangenen bedingungslos freigelassen werden.

Schluß:
Während wir unser Projekt für nationalen Frieden, Demokratie und Einheit, in dem wir die Voraussetzungen, Prinzipien und notwendigen Maßnahmen dargelegt haben, allen nationalen Kräften, unserem Volk und weiteren interessierten Kreisen zukommen lassen, möchten wir erneut unterstreichen, daß unsere Partei jedes Opfer bringen wird, dieses Projekt umzusetzen, das sicher unter Beteiligung der genannten Zielgruppen noch weiter vervollständigt werden kann. Wir rufen den Kurdistan Nationalkongress auf, den Inhalt dieses Projektes anzunehmen und sich auf dieser Grundlage noch aktiver als bisher zu bemühen.

11. September 2000
Der Parteirat der
Arbeiterpartei Kurdistans, PKK