Berlin, 6. Oktober 2000
An die Redaktionen:
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YDK zum Jahrestag des Komplottes gegen PKK-Vorsitzenden Abdullah
Öcalan
Anlässlich der zweiten Wiederkehr des 9.Oktober 1998,
des Tages, an dem ein Attentat auf Abdullah Öcalan geplant
war, dokumentieren wir einen Beitrag der »Kurdischen
Demokratischen Volksunion«, YDK vom 5. Oktober 2000,
zu den Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre und der gegenwärtigern
Lage.
"Der Mittlere Osten, als Wiege der Zivilisation und
ältestes Ansiedlungsgebiet in der Geschichte, zog von
jeher die Aufmerksamkeit aller Kräfte auf sich, die Machtkämpfe
führten - nicht nur regional, sondern auch international.
Auch im 20. Jahrhundert behielt der Mittlere Osten diese Bedeutung
auf Grund seiner reichhaltigen Energiequellen und seiner strategischen
Lage.
Die Eingriffe internationaler Kräfte in dieser Region
wirkten sich stets negativ auf die Völker des Mittleren
Ostens aus. So wurde der 20. Jahrhundert für den gesamten
Mittleren Osten ein Jahrhundert der Teilungen und der vehementen
Auseinandersetzungen. Insbesondere, als die imperialistische
Politik internationaler Kräfte mit den religiösen
oder ultra-nationalistischen Haltungen regionaler Kräfte
zusammentraf, trugen die ansässigen Völker dieser
Region die stärksten Schäden davon. Ein klares Beispiel
dafür bildet das kurdische Volk. Dieses war während
des gesamten 20. Jahrhunderts Teilungen und weiteren negativen
Auswirkungen von chauvinistischem Nationalismus ausgesetzt,
und die Folgen davon blieben nicht nur auf Kurdistan beschränkt.
Diese unerträglichen Bedingungen erstreckten sich sogar
auf die Regionen, in die die Kurden in Folge von Unterdrückungen
geflüchtet und ausgewandert waren. Das führte dazu,
daß im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts nicht nur
das kurdische Volk, sondern auch die herrschenden Staaten
der Region und sogar ein Vielzahl internationale Kräfte
einer »kurdischen Frage« gegenüber standen.
Das kurdische Volk, das das 20. Jahrhundert in diesem Zustand
beenden musste, sollte jedoch zuletzt noch einem der schwersten
Angriffe seiner Geschichte ausgesetzt werden. Die Phase, die
im September 1998 damit begann, dass der türkische Staat
seine Angriffe auf Syrien verstärkte, war Teil eines
internationalen Angriffs. Diese Realität ist heute deutlicher
zu erkennen als zuvor. Man beabsichtigte, nachdem ein arabisch-israelischer
Frieden im Mittleren Osten in die Wege geleitet worden war,
sich nun dem nächsten Hauptproblem der Region, der kurdischen
Frage, zuzuwenden. Hierbei wurden die PKK und ihr Vorsitzender
Abdullah Öcalan als die größte Bewegung und
die stärkste Führung des kurdischen Volkes zum Angriffsziel
gemacht. Der Grund, warum Syrien als Schauplatz dafür
ausgesucht wurde, liegt darin, dass die beiden Hauptprobleme
- das arabische und das kurdische - gemeinsam behandelt werden
sollten.
Als Maßnahme gegen dieses Komplott, bei dem die Komplottmächte
auch bereit waren, einen Krieg in Kauf zu nehmen, begab sich
Abdullah Öcalan nach Europa und versuchte friedliche
und politische Lösungsmethoden für die kurdische
Frage in die Wege zu leiten. Aber wie klar zu erkennen ist,
war schon von Beginn des Komplotts an der Plan der internationalen
Kräfte, allen voran der europäischen Staaten, das
kurdische Selbstbewusstsein durch die Liquidierung der PKK
zu zerschlagen.
Das wird durch die Haltungen der europäischen Staaten
gegenüber dem PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan deutlich
bewiesen. Die europäischen Staaten lehnten entgegen allen
Werten wie Menschenrechte und Demokratie den PKK-Vorsitzenden
mitsamt seiner demokratischen und friedlichen Lösung
ab. Zusätzlich beteiligten sie sich an den Maßnahmen,
die zur Verhaftung des PKK-Vorsitzenden führten, in dem
sie ihre Verantwortung, die sich aus den internationalen Abkommen
ergeben, bei Seite schoben und alle Regeln und Prinzipien
der Wahrung von Menschenrechten und Demokratie verletzten.
Diese Haltung, die selbstverständlich als Mittäterschaft
bei den Liquidierungsplänen, gegenüber dem Vorsitzenden
des kurdischen Volkes zu verstehen ist, bedeutet gleichzeitig
eine Ausweglosigkeit in der kurdischen Frage.
Abdullah Öcalan wurde nach Kenia gebracht, nachdem er
aus Europa ausgestoßen worden war. Von dort wurde er
durch eine internationale Piratenaktion in die Türkei
verschleppt. Dieses Geschehen hätte ohne weiteres zu
einer noch größeren und blutigeren Auseinandersetzung
zwischen dem türkischen und kurdischen Volk führen
können. Diese mögliche Katastrophe wurde nur dadurch
verhindert, daß der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan
die friedliche und demokratische Lösung, die er bereits
zuvor angestrebt hatte, in dieser schwierigen Situation und
unter schlechtesten Bedingungen noch entschlossener und umfassender
vorantrieb.
In den vergangenen anderthalb Jahren hat Abdullah Öcalan
seine Friedenshaltung zur Hauptstrategie für das kurdische
Volk entwickelt und somit eine epochale Lösungsmöglichkeit
geschaffen. Das kurdische Volk beweist mit seiner täglich
zunehmenden Entschlossenheit und aktiven Beteiligung, gemeinsam
mit seinen nationalen Institutionen und Organisationen, dass
es sich mit der neuen Strategie identifiziert.
Trotz einer Reihe negativer Ereignisse wurden vor allem während
des vergangenen Jahres wichtige Schritte unternommen. Entwicklungsmöglichkeiten
für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage
entstehen außer in der Türkei und in Nordkurdistan
(türkischer Teil) auch im Iran, Irak und in Syrien. Die
einzige Alternative zu solchen Entwicklungen wären weitere
Auseinandersetzungen und noch mehr Blutvergießen und
Zerstörungen. Das kurdische Volk hat mit seiner friedlichen
und demokratischen Lösungsannäherung seinen Wunsch
und seine Fähigkeit bewiesen, dass es sich in die weltweiten
Entwicklungen sowie in das neue Zeitalter zu integrieren in
der Lage ist.
Gegenwärtig gibt es jedoch Kräfte, die das internationale
Komplott auch und gerade in der neuen Situation aktiv weiterführen
möchten. Somit besteht das Komplott nach wie vor. Auch
die negativen Entwicklungen der letzten Zeit sind ein Werk
dieser Kräfte. Die Intensität ihres Wirkens führt
dazu, dass die Friedensphase von Zeit zu Zeit bedauerliche
Rückschritte erleidet und gelegentlich sogar gefährliche
Situationen geschaffen werden. So agieren regionale und internationale
Kräfte, die von Beginn an diesem Komplott beteiligt waren
weiterhin, ebenso wie auch einige "kurdische" Kreise
und Personen. Ihr gemeinsamer Nenner besteht in dem Wunsch
nach der Liquidierung der PKK und der Person Abdullah Öcalans.
Das kurdische Volk lehnt solche Versuche empört ab, wohl
wissend, dass die Liquidierung der PKK und des Vorsitzenden
Abdullah Öcalan seiner eigenen Vernichtung gleichkämen.
Bedauerlicherweise zeigt die internationale Öffentlichkeit
lediglich geringes Interesse gegenüber der Friedenshaltung
des kurdischen Volkes, die dieses entwickelt hat und mit konkreten
Schritten voran bringt. Der Wunsch und die Forderung des kurdischen
Volkes, innerhalb der bestehenden Grenzen die aus der universellen
Demokratie resultierenden Grundrechte in Bezug auf seine Identität
einzufordern, wurden bis jetzt nicht in angemessener Weise
beantwortet, und die Angriffe gegen das kurdische Volk und
seine Vertretungen und Institutionen halten weiterhin auf
allen Ebenen an. Wir in der europäischen Diaspora lebenden
Kurdinnen und Kurden sind entschlossen, für unsere Rechte
solange zu kämpfen, bis diese garantiert sind und wir
auf dieser Basis unsere nationale Identität sichern und
entwickeln können.
An diesem Tag, dem 2. Jahrestag der ersten schweren Auswirkungen
des internationalen Komplotts, fordern wir, dass jegliche
Angriffe gegen unseren Vorsitzenden sowie gegen die nationalen
Institutionen des kurdischen Volkes sofort eingestellt werden,
sowie die Aufklärung aller entsprechenden Vorfälle
der vergangenen Jahre. Wir verlangen, für diese Aufklärung
den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
der im November auch die Klage Abdullah Öcalans behandelt
wird, einzuschalten.
Dringend rufen wir außerdem alle europäischen
Staaten, allen voran Deutschland, dazu auf, ihre Haltung gegenüber
der PKK, den kurdischen nationalen Institutionen sowie gegenüber
dem kurdische Volk zu überdenken und deren zahlreiche
Friedensschritte positiv zu beantworten. Die vergangenen anderthalb
Jahre haben deutlich gemacht, dass das internationale Komplott
keinen Erfolg haben wird.
Das kurdische Volk ist fest entschlossen, sich auf der Grundlage
seiner Rechte in Kurdistan, im Mittleren Osten und auch in
Europa als eine wirksame und dynamische Kraft am gesellschaftlichen
Leben im System der jeweiligen Länder zu beteiligen,
in denen Kurdinnen und Kurden leben. Mit den daraus resultierenden
positiven Entwicklungen wird es möglich sein, die Ziele
dieser Phase, Frieden und Demokratie, zu erreichen. Das wiederum
ist im Interesse aller. Daher fordern wir, dass die großen
Anstrengungen des kurdischen Volkes für Frieden und Demokratie
positiv beantwortet werden.