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Freedom for Ocalan - Peace in Kurdistan

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FLASH BULLETIN - HINTERGRUND NR. 5 / 9.NOVEMBER 2000

Auf Anfrage von FLASH BULLETIN - HINTERGRUND nahm Rechtsanwalt Irfan Dündar in einem schriftlichen Statement zur eingereichten Klage Abdullah Öcalans Stellung, über dessen Zulassung am 21. November 2000 vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichthof in Strassbourg verhandelt wird. Irfan Dündar ist Mitarbeiter des Istanbuler Rechtsanwaltbüros "Asrin Hukuk Bürosu", dass Abdullah Öcalan in allen rechtlichen Belangen vertritt. Für die deutsche Übersetzung sorgte Oliver Kontny:


Das Verfahren Öcalans vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof lässt sich auf seine Entführung und Auslieferung an die Türkei am 15. Februar 1999 zurückdatieren. Die erste Beschwerde wurde am 16. Februar 1999 eingereicht, um befürchtete Verletzungen des Rechts auf Leben des Antragsstellers vorzubeugen. Bald schon zeigte sich, dass besondere Maßnahmen erforderlich waren, um ein faires Verfahren zu gewährleisten. In diesem Rahmen wurde am 4. März 1999 mit einer einstweiligen Verfügung des Strassbourger Gerichts in das Binnenverfahren in der Türkei eingegriffen. Das Verfahren von Herrn Öcalan vor dem Staatssicherheitsgericht wurde äußerst schnell zwischen dem 31. Mai und dem 23. Juni 1999 abgewickelt. Es endete mit seiner Verurteilung zum Tode nach Artikel 125 des Strafgesetzbuches (Hochverrat). Am 21. Oktober 1999 wurde das Urteil durch das Berufungsgericht bestätigt. Damit war der innere Rechtsweg ausgeschöpft. Aufgrund der anhängigen Beschwerde verfügte der Menschenrechtsgerichtshof am 25. November 1999 eine Suspendierung der Hinrichtung von Abdullah Öcalan bis zum Abschluss des Strassbourger Hauptverfahrens. Der türkische Regierungsspitze erklärte am 12. Januar 2000, diese Verfügung zu respektieren, wenn auch unter besonderen Bedingungen.
Am 21. November 2000 wird das Strassbourger Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung über die Zulässigkeit der Beschwerde entscheiden.
Der Fall Abdullah Öcalan kann sowohl hinsichtlich von Verstößen gegen geltendes türkisches Recht als auch hinsichtlich der Verletzung internationaler und völkerrechtlicher Abkommen als Extremfall bezeichnet werden. Das beginnt mit der Ankunft Öcalans in Europa am 9. Oktober 1998, zieht sich über die rechtswidrige Nichtbehandlung seines Antrages auf politisches Asyl in Griechenland hin bis zu den völkerrechtswidrigen Repressalien gegen ihn und verschiedene Gastländer. Diese Repressalien veranlassten schließlich Italien zur de-facto Ausweisung Öcalans. Auch andere Länder wurden unter Druck gesetzt, was dazu führte, dass sie eine Einreise Öcalans mit teils sehr drastischen Mitteln ablehnten. Zweifelsohne verstößt solches Verhalten nicht nur gegen das von Europa beschworene Wertesystem, sondern auch gegen positive Rechtsabkommen. So wurde beispielsweise der deutsche Haftbefehl just zu dem Zeitpunkt aufgehoben, als sich Öcalan in Italien aufhielt. Und Holland weigerte sich, Öcalans Flugzeug Landeerlaubnis zu erteilen, wofür es keinerlei Rechtsgrundlage im europäischen Recht gibt. Sicherheitsbedenken anzuführen ist unzulässig, weil die Situation nach dem 15. Februar verdeutlichte, dass gerade solche Maßnahmen die Sicherheitslage der betreffenden Länder in Gefahr brachten.
Das türkische Verfahren hingegen wurde von Anfang bis Ende nach einem Plan vollzogen, der vorher schon fertig war. Nicht ein einziger Antrag der Strafverteidigung wurde vom Gericht berücksichtigt. Die Hauptakte von immerhin 17.000 Seiten konnten weder wir Anwälte, noch Herr Öcalan rechtzeitig vor dem Verfahren einsehen. Das Urteil wurde dann unabhängig von der Aktenlage auf Grundlage eines vorher festgelegten Beschlusses gefällt. Als Verteidigung hatten wir keine Möglichkeit, entlastende Beweise einzubringen oder belastende Beweise zu prüfen.
Diese Art Verletzungen internationalen als auch geltenden türkischen Rechts bilden den Hauptgegenstand des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Unsere Beschwerde beinhaltet Verletzungen der Artikel 2, 3, 5, 6, 8, 9, 10, 13, 14, 17 und 34 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wir bemühen uns außerdem, die eingangs erwähnte Beschwerde gegen die Türkei mit einer weiteren Beschwerde zu verbinden, die sich gegen die betreffenden europäischen Staaten richtet.
Am 21. November 2000 wird über die Zulässigkeit der Beschwerde entschieden. Es wird entschieden, ob die Ereignisse, die durch den Antragsteller vorgebracht wurden, tatsächlich Menschenrechtsverletzungen darstellen. Und es wird dann entschieden, gegen welche Artikel der EU-Menschenrechtskonvention die einzelnen Ereignisse verstoßen haben könnten. Auf dieser Grundlage wird anschließend entschieden, ob eine Hauptverhandlung eröffnet werden soll. In einer solchen Hauptverhandlung wird dann die Beweislage geprüft und substantiell entschieden, ob die unter den einzelnen Artikeln zulässigen Beschwerden tatsächlich Menschenrechtsverletzungen darstellen, die eine Verurteilung der betroffenen Länder entsprechend der Konvention erfordern.
Wir möchten betonen, dass Herr Öcalan selbst entweder im Rahmen einer auf Imrali abzuhaltenden Verhandlung oder durch eine schriftliche Einlassung sowohl zu seiner Entführung als auch zu verschiedenen Lösungsansätzen Stellung nehmen wird. Bei unseren Verteidigergesprächen betont er, dass er eine demokratische Lösung der kurdischen Frage im Rahmen der Gewährung von grundlegenden Menschenrechten, sozialen und ökonomischen sowie politischen und kulturellen Rechten für realisierbar hält.
Letztendlich geht es in diesem Verfahren sowohl um das Schicksal von Herrn Öcalan als auch um das Schicksal der Kurdinnen und Kurden. Es handelt sich um ein Verfahren, in dem es auch und vor allem um die Zukunft der Türkei, des Mittleren Ostens und Europas geht. Das Verfahren wird entscheidend sein für Fragen wie die Aufhebung der Todesstrafe in der Türkei, die Demokratisierung der Türkei, die europäische Integration und eine strukturelle Erneuerung, eine Garantie der kulturellen und politischen Rechte der Kurden und Kurdinnen und eine Klärung ihres Status. Wir gehen davon aus, dass das Gericht entsprechend sensibel mit der Materie umgehen wird.