Amnesty international UA 186/00-1 ai-Index: EUR 44/60/00
22. November 2000 SORGE UM SICHERHEIT Türkei: Frau K.Ö., 50 Jahre alt Die 50-jährige Kurdin K.Ö. (der vollständige Name ist amnesty international bekannt, wird zum Schutz der Person jedoch nicht genannt) ist erneut von Polizisten gefoltert worden. In diesem Monat sind bereits zwei Mal Männer, bei denen es sich um Polizisten handeln soll, bei ihr zu Hause erschienen. Beim zweiten Mal drangen sie am 15. November 2000 spät abends gewaltsam in das Haus ein, schlugen Frau K.Ö. mit dem Kopf gegen die Wand und traktierten sie mit Schlägen. Den Angaben von Frau K.Ö. zufolge durchsuchten die Männer das Haus und wollten sie zwingen ein Dokument zu unterzeichnen, das sie jedoch nicht lesen konnte, weil sie Analphabetin ist. Die Männer verbanden ihr dann die Augen und fuhren rund zwei Stunden mit ihr umher. Dann bedrohten die Männer Frau K.Ö. und sagten: "Du wirst weder zu den Büros der HADEP [prokurdische "Demokratiepartei des Volkes"] noch zum IHD [Türkischer Menschenrechtsverein] oder zu den Zeitungen gehen, und Du wirst auch keine Klage gegen uns einreichen." Die Männer drohten damit, sie und ihre Kinder zu töten, falls sie der Presse oder dem IHD etwas über die Geschehnisse berichten würde. Danach ließen die Männer sie auf einem Feld aus dem Auto. Von dort brauchte sie drei Stunden für den Weg nach Hause. Frau K.Ö. war Berichten zufolge am 19. November 1999 in ihrem Haus von Polizisten gefoltert und vergewaltigt worden. Danach ist sie immer wieder angegriffen worden; allerdings nahmen die Schikanierungen ab, nachdem amnesty international am 29. Juni 2000 eine Eilaktion eingeleitet hatte. Die türkischen Gerichte haben bislang alle Versuche von Frau K.Ö. zurückgewiesen, ein Verfahren gegen die Polizisten einzuleiten. Ihre Rechtsanwälte bereiten derzeit eine Eingabe an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor. Der Staatsanwalt und das Gericht, die die Anzeige von Frau K.Ö. gegen die Polizisten abgelehnt hatten, weigerten sich zudem, ein psychiatrisches Gutachten, das sie in diesem Zusammenhang vorgelegt hatte, zu berücksichtigen. Dieses Gutachten wurde vom Zentrum für psychosoziale Traumata an der medizinischen Fakultät Çapa der Universität Istanbul erstellt worden und belegt, dass Frau K.Ö. an den Folgen eines Traumas leidet. HINTERGRUNDINFORMATIONEN In den vergangenen Jahren hat amnesty international in der Türkei zahlreiche Fälle von Vergewaltigung und sexuellen Misshandlungen, die von Angehörigen der Sicherheitskräfte begangen wurden, dokumentiert. Frauen wie Männer, die sich ohne Kontakt zur Außenwelt in Polizei- oder Gendarmeriegewahrsam befinden, werden routinemäßig gezwungen, sich auszuziehen. Zu den Foltermethoden gehören Elektroschocks, Schläge auf Genitalien und Brust, sexuelle Misshandlungen und Vergewaltigung bzw. Androhung von Vergewaltigung. Seit nunmehr drei Jahren unterstützt ein Rechtshilfeprojekt in Istanbul Frauen, die von Angehörigen der Sicherheitskräfte vergewaltigt worden sind oder andere sexuelle Folterungen erleiden mussten. Ein Ziel dieses Projekts ist es, die Täter strafrechtlich zu verfolgen. Über 130 Frauen, vor allem Kurdinnen, haben sich bislang um Hilfe durch dieses Projekt bemüht; 46 von ihnen haben Vergewaltigungen angezeigt, 65 sexuellen Missbrauch. Die mutmaßlichen Täter sind in den meisten Fällen Polizisten, andere sind Gendarmen, Soldaten, Dorfschützer oder ehemalige Angehörige bewaffneter Oppositionsgruppen, die jetzt als Informanten der Sicherheitskräfte fungieren. Die Täter werden nur in Ausnahmefällen ermittelt und vor Gericht gestellt. Nach Einschätzung von amnesty international herrscht generell Straffreiheit für Folterer in der Türkei. Die medizinischen Gutachten, die in der Türkei in diesen Fällen erstellt werden, beweisen nur in Ausnahmefällen zweifelsfrei, dass tatsächlich eine Vergewaltigung verübt worden ist. Es ist auch sehr schwierig, derartige Gutachten zu erhalten, vor allem, wenn seit der Vergewaltigung einige Zeit vergangen ist. Zudem erwähnen die von den Behörden beauftragten Gerichtsmediziner in ihren Gutachten keine Anzeichen für Folterungen. Die türkischen Justizbehörden weigern sich außerdem immer wieder, psychiatrische Gutachten als Beweise zuzulassen. EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe, Telegramme oder Luftpostbriefe, in denen Sie * die türkischen Behörden auffordern, wirksame Maßnahmen einzuleiten, um die Sicherheit von Frau K.Ö. (Name geändert) zu garantieren, die am 19. November 1999 von Polizisten gefoltert und vergewaltigt wurde und seitdem wiederholt bedroht und schikaniert worden ist; * darum bitten, über die eingeleiteten Schutzmaßnahmen informiert zu werden; * fordern, dass umfassende und unabhängige Ermittlungen der Folterung und Vergewaltigung eingeleitet und dabei die relevanten psychiatrischen Gutachten berücksichtigt werden; * bei den Behörden darauf dringen, dass die Täter vor Gericht gestellt werden; * die Behörden auffordern, alle Beamten mit Polizeibefugnissen anzuweisen, dass Vergewaltigung eine Form der Folter darstellt und strafrechtlich verfolgt wird. APPELLE AN: Herrn Prof. Hikmet Sami Türk, Adalet Bakanligi, Adalet Bakanligi, 06659 Ankara REPUBLIK TÜRKEI (Justizminister) Telegramm: adalet bakani, ankara, türkei Telefax: (00 90) 312-418 5667 Herrn Saadettin Tantan, Içisleri Bakanligi, 06644 Ankara REPUBLIK TÜRKEI (Innenminister der Türkei) Telegramm: interior minister, ankara, türkei Telefax: (00 90) 312-418 1795 KOPIEN AN: Herrn Rüstü Kazim Yücelen, Büro des Ministerpräsidenten, Basbakanlik, 06573 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Minister und Beauftragter für Menschenrechtsfragen) Telegramm: basbakanlik, ankara, türkei Telefax: (00 90) 312-417 0476 Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9, 10179 Berlin - (S. E. Herrn Tugay Uluçevik) Telefax: 030-275 85 700; 030-275 90 915 E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in urgent actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 3. Januar 2001 keine Appelle mehr zu verschicken. RECOMMENDED ACTION: Please send telegrams/faxes/express/airmail letters in English or your own language: - urging the Turkish authorities to take steps to ensure the safety of the woman known as K.Ö., who was reportedly raped and tortured in Adana, and asking what action they have taken to protect her; - calling for the investigation into K.Ö.'s allegations of rape on 19 November 1999, torture and continuing harassment to be conducted in an independent and thorough manner, including an evaluation of relevant psychiatric evidence, and for the perpetrators to be brought to justice; - calling on the Turkish authorities to instruct law enforcement personnel that rape in custody is an act of torture and will not be tolerated. |