Berlin, 11. Dez. 2000
An die Redaktionen In- und Ausland / Türkei / Kurdistan
/ Mittlerer Osten
Europavertretung der PKK nimmt zu den Gefechten zwischen
PUK und PKK Stellung
Noch immer dauern in Süd-Kurdistan (Nord-Irak) die
Gefechte zwischen der PUK und der PKK an. Aus diesem aktuellen
Anlass dokumentieren wir ungekürzt und in deutscher Übersetzung
ein Statement, dass die Europavertretung der Arbeiterpartei
Kurdistans (PKK) am 7. Dezember veröffentlichte:
"An die Öffentlichkeit
Das kurdische Volk und seine Befreiungsbewegung sieht sich
einer umfassenden Angriffskampagne ausgesetzt. Die von der
YNK begonnene Auseinandersetzung in Südkurdistan ist
ein Zeichen dieser Angriffswelle.
Auf diese Weise soll die Befreiungsbewegung des kurdischen
Volkes, welche die Fähigkeit erlangt hat, die gesamte
Region zu beeinflussen, in einer Auseinandersetzung neutralisiert
werden.
Mit dem Angriff auf die Guerilla und die PKK, soll ihr auf
Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung abzielende Lösungsvorschlag
jeglicher Chance einer Umsetzung beraubt werden.
Das die YNK diese Rolle übernommen hat ist nicht verwunderlich,
da sie bekanntermaßen für regionale und internationale
Kräfte als Werkzeug fungiert. Deshalb müssen diese
Angriffe als ein Teil eines regionalen Planes begriffen und
eine dementsprechende Position eingenommen werden. Niemand
sollte sich dabei etwas vormachen. Die Angriffe der YNK werden
auch von der Türkei aktiv unterstützt. Gemäß
dem Umfang dieser Angriffe wird unsere Partei entsprechende
Antworten geben.
So beabsichtigt die YNK, eine Ausweitung der türkisch-kurdischen
Auseinandersetzung zu erreichen. Wiederrum wird diese Angriffspolitik
von den Kriegsprofiteuren in der Türkei aktiv unterstützt.
Aufgrund der Lösungspolitik unser Partei wurde die Türkei
in einen tiefgreifenden Entscheidungsprozess gedrängt.
Die Möglichkeit von Diskussionen über die EU-Mitgliedschaft
und Demokratisierung ist immer eng mit der kurdischen Frage
verbunden. Jedoch hat der türkische Staat zu diesem Thema
noch keine ernste und feste Entscheidung getroffen. Die Wurzel
der Diskussionen um die EU-Mitgliedschaft, die Situation in
den Gefängnissen und um eine Amnestie sind klar erkennbar.
Die Unentschlossenheit der Türkei wird zumeist durch
Kriegsprofiteure genutzt, welche wichtige Stellungen innerhalb
des Staates einnehmen, um vorhandene Lösungsansätze
und die daraus entstehenden positiven Entwicklungen umzukehren
sowie erneute Auseinandersetzungen zu schaffen. Der aktuelle
Angriff durch die YNK ist der bisher umfassendste und bedrohlichste
dieser Art von Bemühungen. Wenn dieser Prozess nicht
gestoppt wird, kann ab dem nächsten Frühling mit
Auseinandersetzungen in der gesamten Region gerechnet werden.
Die negative Haltung des türkischen Staates gegenüber
der kurdischen Frage, ist nicht nur gegen unsere Partei gerichtet,
sondern wirkt sich auch auf alle anderen demokratischen Entwicklungen
negativ aus. Parallel zu den Angriffen auf die Guerilla zeichnen
sich in der Türkei auch andere negative Entwicklungen
ab. Die Bedrohung der Gefangenen durch die neuen F-Typ Gefängnisse,
die Amnestie - als grundlegende Voraussetzung eines gesellschaftlichen
Friedens - deren Sinn vollständig entleert wurde und
das Beharren auf der Todesstrafe, sind klare Anzeichen der
vorhandenen Ausweglosigkeit. Die Türkei steht an einem
Scheidepunkt: Entweder nimmt sie eine lösungsorientierte
Haltung ein oder ist gezwungen, ihre langjährige Politik
der Unterdrückung und Verleugnung fortzuführen.
Die Türkei, von den aktuellen sozialen und gesellschaftlichen
Entwicklungen in die Enge gedrängt, scheint sich mit
dem Angriff auf unsere Guerillakräfte in Süd-Kurdistan
für den zweiten Weg entschieden zu haben.
Auch die inakzeptable Haltung gegenüber dem Todesfasten
in den Gefängnissen, der Amnestie und der Todesstrafe
zeigt, dass die Türkei die Ausweglosigkeit bevorzugt.
In keiner Weise ist es hinnehmbar, dass anstatt einer Amnestie
eine Entlassung auf Bewährung eingeleitet wird, die insbesondere
kurdische und andere politische Gefangene explizit ausschließt.
Absolut inakzeptabel sind die Bestrebungen, anstatt die Todesstrafe
allgemein aufzuheben, das Urteil gegen unseren Vorsitzenden
Abdullah Öcalan nicht mit einzubeziehen. Diese Annäherung,
welche die Probleme verstärkt und einer Lösung gänzlich
abträglich ist, wird vom kurdischen Volk und allen anderen
demokratischen Friedenskräften abgelehnt.
Anstelle von Täuschungen sollte eine generelle wie ausnahmslose
Amnestie ausgerufen, alle Todesstrafen aufgehoben, die Einführung
der F-Typ Gefängnisse gestoppt und die Forderungen der
Gefangenen akzeptiert werden. Dies würde den Weg für
Frieden und Demokratie ebnen.
Niemand sollte sich von einer Atmosphäre der Konfrontation,
die mit den Angriffen der YNK geschaffen werden soll, einen
allzu großen Vorteil versprechen.
Die Guerillakräfte sind gegenüber solchen Angriffen
militärisch wie ideell gewappnet und sind fähig,
entsprechend darauf zu antworten. Ihr Vorgehen der letzten
vier Tage belegt das.
Auch wenn es schmerzt, dass Kurden für diese Angriffe
missbraucht werden, so besteht die aus unserer Verantwortung
gegenüber dem Volk und der Geschichte entspringende Notwendigkeit,
kollaborierende Kräfte wie die YNK in eine Lage zu bringen,
in der sie nicht mehr zu weiteren Angriffen fähig sind.
Neben der Türkei provozieren auch andere Kräfte
im Mittleren Osten die Angriffe gegen unsere Partei.
Wir erneuern unseren Aufruf an sie, von Unterdrückung
und Konfrontation Abstand zu nehmen. Stattdessen sollten sie
den Weg für Demokratie und einen zukünftigen Frieden
einschlagen.
Hierbei fällt dem kurdischen und den anderen Völkern
der Region die größte Rolle zu. Unsere Bevölkerung
muss wissen, dass die Angriffe gegen unsere nationale Existenz
und die langjährige Befreiungsbewegung gerichtet sind.
Wenn dem heute kein Einhalt geboten wird, steht im kommenden
Frühling eine Konfrontation bevor, die alle bisher erreichten
Errungenschaften und unsere nationale Existenz in Gefahr bringen
kann.
Deshalb muss unser Volk die Angriffe und anderen Entwicklungen
in Südkurdistan höchst sensibel beobachten und eine
dementsprechende Haltung einnehmen.
Insbesondere rufen wir die Intellektuellen, Künstler
und Politiker unseres Volk und seine Freunde dazu auf, die
Angriffe der YNK zu verurteilen und dies mit demokratischen
Formen zum Ausdruck zu bringen.
Vergessen wir nicht, dass die Guerilla, als der Pfeiler unserer
Zukunft, Freiheit und nationaler Existenz, scharfen Angriffen
ausgesetzt ist.
Deshalb ist es die vorrangige patriotische Aufgabe, noch stärker
unsere nationale Einheit und unseren nationalen Widerstand
zu demonstrieren.
Nieder mit dem nationalen Verrat!
Es lebe der Kampf unseres Volkes für Frieden und Freiheit!"