amnesty international
Urgent Action

UA-Nr: UA-010/2001
AI-Index: EUR 44/003/2001
Datum: 16.01.2001

SORGE UM SICHERHEIT / GEWALTLOSE POLITISCHE GEFANGENE

Türkei: Frau Nimet Tanrikulu, Mitglied des "Türkischen Menschenrechtsvereins" (IHD)

Erdal Karahanli, stellvertretender Vorsitzender der "Freiheits- und Solidaritätspartei" (ÖDP)

Sabahattin Ugras, Vorstandsmitglied der ÖDP Sinan Tutan, führendes ÖDP-Mitglied in Istanbul und weitere Menschenrechtler sowie Unterstützer hungerstreikender Häftlinge Eine Menschenrechtsverteidigerin und drei führende Politiker sind festgenommen worden, weil sie gegen die Erstürmung von Gefängnissen durch türkische Sicherheitskräfte, bei der mindestens 30 Häftlinge ums Leben gekommen waren, protestiert hatten. amnesty international betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene und ist in Sorge um ihre Sicherheit. Die Organisation fürchtet auch, dass weitere Personen festgenommen werden könnten, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen und die türkischen Behörden wegen ihres Vorgehens gegen Menschenrechtsverteidiger kritisiert haben.
Die vier oben genannten Personen wurden am 7. Januar 2001 festgenommen, als sie an einer Kranzniederlegung gegen die Gefängniserstürmungen vom 19. Dezember 2000 vor der Zentrale der "Demokratischen Linkspartei" (DSP) in Istanbul teilnahmen. Berichten zufolge hat die Polizei Demonstranten geschlagen. Mehr als 30 Personen wurden festgenommen, von denen die meisten jedoch am 8. Januar 2001 wieder freigelassen worden sind. Die oben genannten vier Personen werden indes weiterhin in Gewahrsam gehalten und sind wegen Verstoßes gegen das Demonstrationsrecht unter Anklage gestellt worden. Ihr Gerichtsverfahren soll am 6. Februar 2001 beginnen.
Nimet Tanrikulu, Mitglied des "Türkischen Menschenrechtsvereins" (Insan Haklari Dernegi - IHD) soll sich im Frauen- und Kindergefängnis Bakirkoy in Istanbul befinden. Sie ist eine bekannte Menschenrechtsverteidigerin, die an den wöchentlichen Mahnwachen der "Samstagsmütter" teilnimmt. Diese Gruppe demonstriert seit Jahren für Personen, die während ihrer Haftzeit "verschwunden" sind.
Erdal Karahanli, Sabahattin Ugras und Sinan Tutan wurden ins Sondergefängnis Bayrampasa in Istanbul gebracht. Sie sind Mitglieder der "Freiheits- und Solidaritätspartei" (ÖDP), einer legalen Oppositionspartei, die die Pläne der Regierung zur Reform des Gefängnissystems kritisiert hatte.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Am 19. Dezember 2000 stürmten Angehörige der türkischen Sicherheitskräfte eine große Anzahl von Gefängnissen, um die Häftlinge daran zu hindern, ihren Hungerstreik gegen die geplanten Änderungen im Gefängnissystem fortzusetzen. Während der Aktion kamen mindestens 30 Häftlinge und 2 Gendarmen ums Leben. Häftlinge, die bereits in die neuen Gefängnisse des Typs F verlegt wurden, sind Berichten zufolge geschlagen und gefoltert worden. Mehr als 1.000 Häftlinge befinden sich weiterhin auf unbestimmte Zeit im Hungerstreik und fast 400 sind entschlossen, bis zu ihrem Tod zu hungern, d.h. sie nehmen nur Wasser und geringe Mengen an Salz und Zucker zu sich. Viele hungern schon seit über 70 Tagen. (s.a. UA 385/00, 20 Dezember 2000 und 11. Januar 2001). Menschenrechtler und Unterstützer der Gefangenen, die sich im Hungerstreik befinden, sind in den vergangenen Monaten unter erheblichen Druck geraten, weil die türkische Regierung versucht, die Kritik an der Gefängnisreform einzudämmen. Viele von ihnen wurden eingeschüchtert, geschlagen oder festgenommen und die Behörden haben darauf hingewiesen, dass Kritik am neuen Gefängnissystem als eine Straftat angesehen werden könnte. Einige Menschenrechtsgruppen, unter anderem fünf IHD-Zweigstellen, wurden geschlossen, und die Polizei ist wiederholt mit exzessiver Gewalt gegen Demonstranten vorgegangen. (s.a. UA 378/00, vom 13. und 21. Dezember 2000). Die türkischen Behörden haben inzwischen etwa 1.000 Häftlinge in die neuen Gefängnisse des Typs F verlegt, wo sie in kleinen Zellen und nicht mehr in Schlafsälen untergebracht sind. Dies hat zu den Befürchtungen geführt, dass sich die Häftlinge in größerer Gefahr befinden, gefoltert zu werden, wenn sie alleine oder in kleinen Gruppen untergebracht sind, oder dass sie gar isoliert werden könnten. Es wird vermutet, dass weitere Häftlingen verlegt werden, sobald die noch im Bau befindlichen Gefängnisse fertiggestellt sind. amnesty international hat die Behörden angeschrieben, um ihre Befürchtungen über die mögliche Isolationshaft zum Ausdruck gebracht und auf die Gefahr der Misshandlung und Folter hingewiesen.

WEITERE EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe, in denen Sie
- die Behörden auffordern, die Sicherheit der gewaltlosen politischen Gefangenen Nimet Tanrikulu, Erdal Karahanli, Sabahattin Ugras und Sinan Tutan zu garantieren;
- fordern, dass die vier Personen sofort und bedingungslos freigelassen werden und alle Anklagen gegen sie fallengelassen werden;
- die Behörden auffordern, die Festnahme von Menschenrechtsverteidigern zu stoppen;
- verlangen, dass die Zweigstellen des "Türkischen Menschenrechtsvereins" (IHD) wieder geöffnet werden dürfen;
- darauf dringen, dass Menschenrechtsverteidiger ungehindert ihr legitimes Engagement bei der Überwachung der Menschenrechtssituation und der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen fortsetzen dürfen, wie es in der "Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern" der Vereinten Nationen vereinbart worden ist;
- die Behörden auffordern, wirksame Maßnahmen einzuleiten, um zu gewährleisten, dass alle Beamten und Angehörigen der Sicherheitskräfte die Legitimität der Arbeit der Menschenrechtsverteidiger anerkennen.

APPELLE AN:
Herrn Saadettin Tantan, Innenminister der Türkei, Innenministerium, Içisleri Bakanligi, TR-06644 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI Telefax: (00 90) 312 418 1795
Herrn Prof.Hikmet Sami Türk, Adalet Bakani, Adalet Bakanligi, TR-06659 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Justizminister) Telefax: (00 90) 312-418 5667; (00 90) 312-417 3954
Ankara Emniyet Müdürü, Emniyet Müdürlügü, Ankara, TÜRKEI (Polizeichef von Ankara)
Istanbul Emniyet Müdürü, Istanbul Emniyet Müdürü, Istanbul Emniyet Müdürlügü, Vatan Caddesi, Istanbul, REPUBLIK TÜRKEI (Polizeichef von Istanbul)

KOPIEN AN:
Herrn Rüstü Kazim Yücelen, Büro des Ministerpräsidenten, Basbakanlik, 06573 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Beauftragter für Menschenrechtsfragen) Telefax: (00 90) 312 417 0476
Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9, 10179 Berlin (S. E. Herrn Osman Taney Korutürk) Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. Februar 2001 keine Appelle mehr zu verschicken.

RECOMMENDED ACTION: Please send telegrams/telexes/faxes/express/ airmail letters in English or your own language:
- urging the authorities to guarantee the safety of prisoners of conscience Nimet Tanr2kulu, Erdal Karahanl2, Sabahattin U-raÕ and Sinan Tutan, calling for their immediate and unconditional release and to drop all charges against them;
- urging the authorities to stop the detention and arrest of human rights defenders;
- asking for the Human Rights Association's [IHD] branches to be reopened;
- requesting that human rights defenders are allowed unhindered to pursue their lawful role of monitoring and reporting human rights matters as set out in the United Nations (UN) Human Rights Defenders Resolution;
- calling on the authorities to take effective action to ensure that all public servants recognize the legitimacy of the work of human rights defenders.