Appell
22. JANUAR 2001

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

Fünf kurdische und türkische Vereine und Verbände haben gemeinsam einen Appell bezüglich der Todesfasten und Hungerstreikaktionen in den türkischen Gefängnissen veröffentlicht. Durch die Operation der türkischen Sicherheitskräfte in den Gefängnissen kamen seit dem 19 Dezember 2000 über 30 Gefangene um. Hunderte sind vom Tode betroffen, da sie den am 20. Oktober 2000 begonnen Hungerstreik bzw. Todesfasten nun in den Isolationszellen fortführen. Nach der militärischen Operation in den Gefängnisse und gewaltsamer Verlegung der politischen Gefangenen in die berücktigten Isolationszellen ist das Problem für den türkischen Staat gelöst. Wenn Sie meinen, dass das Menschenleben einen höheren Stellenwert haben müsste, als die Staatsinteressen, dann bitten wir Sie jetzt zu handeln. Morgen könnte es sehr sehr spät sein. Herzlichen Dank.
Mit freundlichen Grüßen Mehmet Sahin

APPELLE AN:
Herrn Saadettin Tantan, Innenminister der Türkei, Innenministerium, Içisleri Bakanligi, TR-06644 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI Telefax: (00 90) 312 418 1795
Herrn Prof.Hikmet Sami Türk, Adalet Bakani, Adalet Bakanligi, TR-06659 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Justizminister) Telefax: (00 90) 312-418 5667; (00 90) 312-417 3954
KOPIEN AN: Herrn Rüstü Kazim Yücelen, Büro des Ministerpräsidenten, Basbakanlik, 06573 Ankara, REPUBLIK TÜRKEI (Beauftragter für Menschenrechtsfragen) Telefax: (00 90) 312 417 0476 Kanzlei der Botschaft der Republik Türkei, Rungestr. 9, 10179 Berlin (S. E. Herrn Osman Taney Korutürk) Telefax: 030-2759 0915 E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de

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Appell an alle, die das Recht auf Leben achten

Handeln Sie, um neue Todesfälle in türkischen Gefängnissen zu verhindern!

Wie Sie wissen, haben am 19. Dezember 2000 bei auf türkische Gefängnisse gerichtete Operationen der türkischen Streitkräfte über 30 Gefangene und zwei Militärangehörige ihr Leben verloren, wurden Hunderte von Gefangenen verletzt, trugen zahlreiche von ihnen bleibende körperliche Schäden bzw. Behinderungen davon. Die Stürmung brachte nicht das Leben, sondern den Tod in die Gefängnisse. Sie führte dazu, dass bestehende Probleme sich nur noch verschärft haben. Mehr als Tausend Inhaftierte und Gefangene, die zwangsweise in die Gefängnisse des Typs F (Hochsicherheitsgefängnisse, die zur Isolation der Gefangenen dienen sollen) verlegt wurden, setzen ihren Hungerstreik oder ihr Todesfasten fort. Sie sind entschlossen, ihren friedlichen Widerstand für die Verbesserung ihrer Haft- , also Lebensbedingungen wenn nötig bis zum Tode fortzusetzen. Obwohl sich die Aktion in ihrer Dauer rapide der Grenze zu irreversiblen Schäden und zum Tod nähert, macht sich sowohl im In- als auch im Ausland eine Besorgnis erregende Stille breit.

Kein Umstand kann, wenn es um Menschenleben geht, ein solches Schweigen rechtfertigen.

Jede/r trägt Verantwortung, dazu beizutragen, dass die Situation in den Gefängnissen nicht zu neuen Katastrophen führt. Wir fordern alle gesellschaftlichen Kreise und Kräfte auf, den Gefangenen beizustehen und ihnen die Hände zu reichen, bevor noch mehr kostbare Zeit verloren wird. Ausgehend von den Prämissen Recht auf Leben und Achtung vor dem Menschen ist die Lösung des Problems die Pflicht der gesamten Gesellschaft, sie ist aber auch die Aufgabe und Verpflichtung der politischen Führung.

In einer Zeit, in der sich viele dafür einsetzen, dass die Haft-, also die Lebensbedingungen von politischen Gefangenen verbessert werden und politische Machthaber zur Achtung des Rechts auf Leben gemahnt werden, sind politische Bewegungen und Initiativen, mehr als andere, gehalten, im Bewußtsein der Achtung vor dem Recht des Menschen auf Leben zu handeln.

Militärische Operationen und gewaltsame Aktionen verschärfen die Anspannung in der gesellschaftlichen und politischen Landschaft in unserem Land und geben antidemokratischen Kräften neue Gelegenheiten in die Hand.

Das bestehende Problem der Gefängnisse kann und muß im Dialog, durch Verständigung und Einigung, gelöst werden.

Wir erwarten deshalb von den politisch Verantwortlichen, die Gespräche mit den Gefangenen wieder aufzunehmen und Schritte in Richtung einer Lösung zu unternehmen, die des Menschen würdig ist.. Wir fordern die türkische und die internationale Öffentlichkeit, allen voran jedoch die Vereinten Nationen und das Europäische Parlament, auf, sich für eine derartige Lösung nach Kräften einzusetzen.

Menschenrechtsverein Türkei/Deutschland e.V. (TÜDAY)

Plattform für Freiheit und Solidarität (ÖDP) - Koordinationsgruppe Deutschland

Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM)

Föderation der ImmigrantInnenvereine aus der Türkei e.V. (GDF)

Alternatives Gesellschaftszentrum e.V. (ATM)