UNERTRÄGLICHE ZUSTÄNDE IN DEN F-TYP GEFÄNGNISSEN

23.01.2001

Am letzten Freitag haben Mitglieder der Ärztekammer der Türkei (TBB) mit Rechtanwälten zusammen das erste Mal seit der Erstürmung der türkischen Gefängnisse am 19.November.2000 mittlerweile 20-30 in F-Typ Gefängnisse verschleppte Gefangene besuchen können. Sie stellten u.a. fest, daß sich die meisten der Gefangenen in einem kritischen gesundheitlichen Zustand befinden. Das gilt im Besonderen für die Gefangenen im Todesfasten. Nach langem Hin und Her bekamen sie am Donnerstag die Zustimmung vom türk. Justizministerium für diesen einen Besuch. Ärzte, die der türkischen Ärztekammer angehören, die insgesamt ca. 300 000 eingetragene Mitglieder zählt, kontrollierten schon seit Anfang des Hungerstreiks, vor fast 100 Tagen den gesundheitlichen Zustand der Gefangenen. Zwischen der Erstürmung der Gefängnisse, die über 30 Gefangenen das Leben kostete, fand keinerlei unabhängige medizinische Kontrolle der Gesundheit der Gefangenen statt. Stattdessen wurde, wie von Angehörigen und Anwälten berichtet, der Folter gleichzusetzende Zwangsernährungsmaßnahmen bei einigen der Gefangenen durchgeführt, nachdem die Gefangenen eine medizinische Versorgung in den Militärkrankenhäusern und die Wiederaufnahme von Nahrung verweigerten. Die Ärzte berichteten weiter, das die Gefangenen im F-Typ Gefängnis von Edirne bisher keinerlei Hofgang, außerhalb ihrer Zellen wahrnehmen können. Die Ärzte waren, nach den Angehörigen und den Anwälten der Gefangenen, die nächsten, denen vorgeworfen wird, sie würden die Gefangenen in ihrem Tun unterstützen und Ermutigen. Dies obwohl sie nur ihrer ärztlichen Selbstverpflichtung nachgehen wollten. Angehörige berichten des weiteren von Mißhandlungen der Gefangenen. Angefangen von fehlender Kleidung, ausgestellten Heizungen in den Zellen, bis zu offenen Schlägen vor den Augen der BesucherInnen und von Gefangenen berichteten Vergewaltigungen (mit Knüppeln). Täglich kommen die Gefängniswärter nun schon mehr als dreimal zu Zählungen. Hierbei werden die Gefangene grundlos geschlagen und verprügelt. Die Gegenstände, die die Familien bringen, werden den Gefangenen nicht übergeben. Das Wasser, was ihnen zu trinken gegeben wird ist verschmutzt.Die Gefangene Semra Askeri, die zuvor mehr als eine Woche verschwunden war, wurde von Angehörigen in einem Gefängnis wiedergefunden. Sie benimmt sich jetzt wie ein vierjähriges Kind. Sie kann sich an überhaupt nichts mehr erinnern.

Besuche bei den Gefangenen sind nur unter äußerst beschwerlichen Bedingungen möglich. Alle Autos müssen mindestens einen Kilometer vor den Gefängnissen abgestellt werden. Den Rest der Strecke müssen auch die teilweise schon älteren Angehörigen zu Fuß zurücklegen. Auf dem Weg zum Gefängnis müssen sie drei Kontrollpunkte passieren, an denen sie die Pässe kontrolliert und körperlich durchsucht werden. An einem weiteren Kontrollpunkt, schon im Gefängnis, werden ihre Fingerabdrücke gescannt, Was wiederum in einem anderen Gebäude des Gefängnisses mit den Personalien abgeglichen wird. Die BesucherInnen können ihre Angehörigen nur in einem Meter abstand hinter einer Trennscheibe sehen. Sie können und dürfen sie nicht berühren. Die Kommunikation läuft über ein Telefonsystem. Wer mehr als persönliches Bespricht geht die Gefahr ein, daß der Besuch abgebrochen wird und sie eine zwei bis dreimonatige Besuchssperre auferlegt bekommen. Die wachhabenden Soldaten dienen als Zensoren, so daß immer wieder Besuche wegen Kleinigkeiten abgebrochen werden. Meistens dauern die Besuche nur fünf bis fünfzehn Minuten. Zu den Besuchen sind außerdem nur Verwandte ersten Grades zugelassen, so das noch nicht einmal CousInnen ihre Angehörigen sprechen können. Maximal drei Gefangene werden in den Besuchsraum gelassen. Dies aber auch nur wenn sie in der gleichen Zelle inhaftiert sind. Gefangene aus anderen Zellen dürfen sie generell nicht sehen und sprechen. Es gibt einige Gefangene die keinen Besuch bekommen dürfen. Die Gefangenen haben nichts, außer einem Wasserkocher und Fernseher auf den Zellen. Die Kosten dafür, müssen von den Angehörigen übernommen werden.

WIR FORDERN EIN ENDE DIESER ZUSTÄNDE

Nachdem die Gefangenen in ihrer letzten Erklärung klargemacht haben, daß das Todesfasten solange weitergeht bis sie wieder zusammenkommen können und Folter und Gewalt aus den Gefängnissen verschwindet, ist es notwendig das , auch auf internationaler Ebene Druck auf den türkischen Staat ausgeübt wird, damit dieser zur Einsicht gelangt, daß er diesen Konflikt nicht durch Folter und Isolation beenden kann.

Notwendig ist: * Das Zusammenkommen der Gefangenen in den Gefängnissen * Eine unabhängige umfangreiche medizinische Versorgung aller Gefangener durch Ärzte der TBB (türk. Ärztekammer) * Ein Ende der Kriminalisierung der Angehörigen, Anwälte und Ärzte durch den türkischen Staat * Die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit VertreterInnen der Gefangenen durch den türkischen Staat

Mit freundlichen Grüßen C. Ondreka (Komitee gegen Isolationsfolter,IKM)

Pressemitteilung des IKM Komitee gegen Isolationshaft Kreuzweg 12 - 20099 Hamburg