YEK-KOM,
Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.
Düsseldorf, den 14.Februar 2001 Sehr geehrte Damen und Herren, in diesen Tagen gedenken wir Kurdinnen und Kurden in Kurdistan und in der Diaspora voller Zorn und Trauer des zweiten Jahrestages der Verschleppung des Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), unseres hochverehrten Abdullah Öcalan. Am 15. Februar 1999 wurde Herr Öcalan aus der kenianischen Hauptstadt Nairobi, wo er in der griechischen Botschaft für kurze Zeit Aufnahme gefunden hatte, entführt und in einem Flugzeug in die Türkei verschleppt. Wie bereits kurze Zeit danach bekannt wurde, hatten eine Reihe internationaler Geheimdienste bei der Vorbereitung und Durchführung dieser völkerrechtswidrigen Piratenaktion mitgewirkt, die ohne ein seit langem vorbereitetes internationales Komplott unter Einbeziehung mächtiger Staaten nicht hätte durchgeführt werden können. Das kurdische Volk reagierte weltweit mit Entsetzen, Trauer, Zorn und Wut. Kurdische Männer, Frauen und Kinder gingen auf die Straßen und unternahmen spontane Aktionen, um ihre Empörung über die Verschleppung ihres »Serok Apo« zu zeigen, der ihnen Vorbild, Symbol ihrer Identität und Schlüssel für eine politische Lösung und für ein künftiges Leben ohne Repressionen in ihrer Heimat Kurdistan bedeutet. Nach seiner Verbringung in die Türkei wurde Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer isoliert. Von Anfang an wurden seine Anwälte in ihrer Vorbereitungsarbeit auf den Prozess gegen Herrn Öcalan behindert, schikaniert und bedroht. Es gab keine vertraulichen Verteidigergespräche, sondern die seltenen und kurzen Treffen der Verteidiger mit ihrem Mandanten fanden unter Anwesenheit maskierter Staatssicherheitskräfte statt. Im Mai 1999 begann der kurze Prozess, in dem am 29.Juni 1999 das Todesurteil gegen Abdullah Öcalan verhängt wurde. Der kurdische Politiker hatte jedoch, getreu seiner 1993 begonnenen und insbesondere seit dem Beginn des dritten einseitigen Waffenstillstandes der PKK am 1.September 1998 und seit seinem Weg nach Italien im November des selben Jahres stetig verstärkten Friedenspolitik eine überraschende Verteidigungsschrift verfasst. Anstatt sich gegen die von türkischen Staat gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verteidigen, trug er eine umfangreiche Erklärung vor, in der er seine Friedens- und Demokratisierungspolitik für die Türkei und Kurdistan - innerhalb der Grenzen der Türkei - mit ihren zu erwartenden positiven Auswirkungen auf den gesamten mittleren Osten darstellte und erläuterte. Diese Friedenslinie "ihres" Vorsitzenden wurde von der überwältigenden Mehrheit des kurdischen Volkes dankbar begrüßt, denn sie ließ auf eine beidseitige Beendigung der Kämpfe, der unaufgeklärten Verschleppungen und Morde, der Verfolgung und nicht zuletzt auch der enormen wirtschaftlichen Probleme der Region hoffen.. Der türkische Staat ignorierte jedoch weiterhin Waffenstillstand, Rückzug der Guerilla und Erklärungen von Abdullah Öcalan, und das Todesurteil wurde am 29.Oktober vom Kassationsgericht in Ankara bestätigt. Die von Herrn Öcalans Rechtsanwälten erhobene Klage vor dem »Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte« (EGHMR) in Straßburg beantwortete dieser mit einer Eilverfügung, die Türkei möge bis zum Urteil des EGHMR die Vollstreckung des Todesurteils aussetzen; inzwischen wurde auch die Klage selbst vom EGHMR zur Bearbeitung entgegengenommen. Im Januar 2000 beschloss daraufhin ein türkisches Gremium der höchsten Regierungpolitiker, die Todesstrafe bis zum Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs auszusetzen. Verbunden wurde diese Entscheidung jedoch mit Drohungen gegenüber Öcalan und seiner Partei, sie jederzeit zurücknehmen zu können, "wenn Anlass dazu gegeben würde". Während die kurdische Seite viele Schritte unternahm, ihren Friedenswillen zu beweisen, so. z.B. durch die Entsendung von zwei hochrangigen »Friedensgruppen« (deren Mitglieder, die sich freiwillig an die Türkei ausgeliefert hatten, sofort verhaftet und zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt wurden), ferner durch die strikte Einhaltung des Waffenstillstands und den kampflosen Rückzug der Guerilla aus den Grenzen der Türkei und deren Umformung in »Volksverteidigungskräfte«, gab der türkische Staat keinerlei positive Antwort. Zwar wurden die Vorschläge Abdullah Öcalans in der türkischen Öffentlichkeit breit diskutiert, und die Notwendigkeit von Demokratisierung und tiefgreifenden Verfassungsänderungen auch in einflussreichen Kreisen für notwendig erachtet - insbesondere im Zusammenhang mit der Kandidatur der Türkei für eine Aufnahme in die EU. Doch was geschah? NICHTS! Und während sich zunächst eine leichte Entspannung im kurdischen Südosten gezeigt hatte, in einigen Provinzen der Ausnahmezustand ausgesetzt, die Zahl der Kontrollpunkte deutlich reduziert und die Verfolgung der Funktionäre der (legalen) demokratischen Partei HADEP spürbar zurückgegangen war, traten erneut Veränderungen zum Schlechten ein. Die Türkei marschierte seit dem Herbst 2000 immer wieder in Südkurdistan ein und setzte sich schließlich mit rund 10.000 Mann dort fest, um mit Hilfe der südkurdischen Partei PUK die (nach wie vor den Waffenstillstand einhaltenden und sich nur bei Angriffen verteidigenden) PKK-Kämpfer, wie von der Türkei angekündigt, "endgültig zu vernichten". Die Verfolgung der HADEP erreicht erneut ein unerträgliches Ausmaß, mit Verhaftungen, Razzien, Verurteilungen, Verschleppungen und im vergangenen Monat wieder ersten Fällen von "Verschwinden-Lassen". Erinnert sei auch an das Massaker an politischen Gefangenen im Dezember 2000, bei dem 32 Menschen den Tod fanden. Eine erneute Friedensbotschaft von Abdullah Öcalan, verbreitet von seinen Anwälten, wurde im vergangenen Monat in bewußter Verdrehung und Verzerrung als "Drohung gegen die Türkei" interpretiert, und er wurde seinerseits mit Dunkelhaft und möglicher Vollstreckung des Todesurteils bedroht. In der Türkei sind offensichtlich zur Zeit die faschistischen und antidemokratischen Kräfte erneut auf dem Vormarsch, und der türkische Beitritt in die EU scheint in immer weitere Ferne zu rücken. Wenn Europa keine großen Anstrengungen macht, demokratische Kräfte in der Türkei zu unterstützen, besteht höchste Gefahr für den Frieden in der gesamten Region. Die türkische Militärpräsenz, angeblich gegen die PKK gerichtet, zielt in Wirklichkeit auf Annektion der Erdölgebiete von Kirkuk und Mossul - ein solcher Schritt könnte einen Flächenbrand mit unabsehbaren Ausmaßen verursachen. Wir fordern, dass die EU und die einzelnen europäischen Regierungen sowie die Regierung der USA ihren Einfluss wahrnehmen mögen, ehe es zu spät ist: Freiheit
für Abdullah Öcalan! |