Newroz
2001 in Kurdistan: Frieden - Demokratie - Freiheit - Brüderlichkeit
der Völker
Weitgehend
unbeachtet von der Weltöffentlichkeit beteiligten sich allein in
Diyarbakir mehr als 500.000 Kurdinnen
und Kurden an der diesjährigen Newroz-Veranstaltung, die unter dem
Motto "Frieden-Demokratie-Freiheit-Brüderlichkeit der Völker"
stand. Während sich die Polizei angesichts der gewaltigen Menschenmenge
im Hintergrund hielt, ließ die türkische Armee demonstrativ
2 NATO-Kampf-Jets über die Veranstaltung donnern. Die Menge blieb
davon jedoch unbeeindruckt, und Hunderttausende zum Siegeszeichen geformte
Finger reckten sich gen Himmel, während Parolen skandiert wurden,
die Abdullah Öcalan hochleben ließen.
Unsere
14köpfige Delegation aus Hamburg und Schleswig-Holstein besuchte
unter Schirmherrschaft des Landesvorstandes des SSW Schleswig -Holstein
und der Regenbogenfraktion im Hamburger Landesparlament eine Woche lang
kurdische Gebiete, um sich ein Bild zu machen und Bericht zu erstatten,
wie sich die menschenrechtliche Situation und insbesondere die der kurdischen
Bevölkerung im Osten der Türkei seit dem einseitigen vor zwei
Jahren von der PKK verkündeten und seither bedingungslos eingehaltenen
Waffenstillstand und der damit verbundenen Friedensinitiative entwickelt
hätte.
Zunächst erfuhren wir in Ankara von Vertretern der HADEP, dass die
schwere Finanzkrise der Türkischen Republik und die damit einhergegangene
mehr als 30%ige Abwertung der Türkischen Lira gegenüber Euro
und Dollar dazu führten, dass nun nach und nach die Preise - insbesondere
für Importartikel und/oder solche die vom Erdöl abhingen - in
ähnlichem Ausmaß anzusteigen begännen, während Weltbank
und IWF an die Erstattung weiterer Kredite an die TR (aktuell ginge es
um 5 Mrd. US-$) u.a. die Auflage geknüpft hätten, dass es keine
Lohn- und Gehaltserhöhungen, oder vielmehr Anpassungen, geben dürfe.
Gegen diese Politik war es in Ankara am Tage unserer Ankunft zu Protesten
von seiten der größten Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes
KESK und heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen, da eine
derartige Absenkung der ohnehin sehr niedrigen Einkommen absolut unerträglich
und unhinnehmbar wäre. Um wie viel mehr diese Auswirkungen im noch
viel ärmeren Osten der Türkei zum tragen kämen, läge
auf der Hand. Im übrigen habe sich gegen diese Politik eine alle
Gewerkschaften umfassende Aktions-Front gebildet.
Am nächsten Morgen landeten wir frühmorgens in der nördlichsten
kurdischen Stadt Kars nahe der georgischen Grenze. An dem Kleinstflughafen
außerhalb der Stadt erwartete uns vor der Abfertigungsbaracke eine
Delegation der örtlichen HADEP, die von Soldaten allerdings daran
gehindert wurde, uns bereits in dem Flughafengebäude zu begrüßen.
Daraufhin stellten sich die etwa 40 Personen draußen in einer Reihe
auf, vorne etwa 20 Frauen in festlichen traditionellen Gewändern,
die jedem von uns eine rote Nelke und eine Karte mit den Fotos von zwei
vor mehreren Wochen von den Sicherheitskräften entführten und
seitdem verschwundenen HADEP-Funktionären aus der kurdischen Stadt
Silopi überreichten. Nach einigen Begrüßungsworten wurden
wir unter den Augen des Militärs in einem Kleinbus nach Kars zum
Parteibüro der HADEP gebracht. Dort
hatten sich, es war ein Sonntagvormittag, der 18.3.01, weitere HADEP-Mitglieder
eingefunden, die uns mit Applaus, Rosenwasser, Bonbons und Tee aufs herzlichste
begrüßten. Der Regionsvorsitzende der Partei, die Vorsitzende
des Frauenkomitees und ein Vertreter der Jugendorganisation berichteten
über ihre Lage. Sie wiesen daraufhin, dass ihr Land, Mesopotamien,
die Wiege der menschlichen Kultur sei und dass unzählige Kulturen
dort seit altersher nebeneinander existiert hätten, insbesondere
hätten sie mit den Armeniern bis zu deren Vernichtung und Vertreibung
1915 immer friedlich zusammengelebt und wollten, dass dies wieder so sein
könne. Sie wollten den Staats-Slogan Atatürks "glücklich,
wer sich ein Türke nennen dürfe", nicht durch das Wort
"Kurde" ersetzen, sondern wollten die Brüderlichkeit aller
Völker in Frieden und Freiheit. Dies allerdings müsse zumindest
beinhalten, dass ihre Kinder in der kurdischen Muttersprache unter Vermittlung
des kurdischen Kulturgutes unterrichtet werden könnten und die Schulen
nicht länger zur türkischen Assimilierung missbraucht werden
dürfe. Trotz aller Unterdrückung würden sie aber weiterhin
für Frieden, Demokratie und Brüderlichkeit eintreten. Gewissermaßen
zum Beweis führten sie uns zu einer Reihe von armenischen Kirchen,
die von den Türken zu Moscheen umgebaut wurden. Wenn sie dürften,
würden sie diese Moscheen wieder zu Kirchen restaurieren und den
Armeniern zurückgeben. Schließlich ginge es hier nicht nur
um Religion, sondern um gemeinsame Kulturgüter, die für alle
erhalten werden müssten.
Mittags fuhren wir dann mit einem Kleinbus entlang der armenischen Grenze
bis nach Dogubeyazit, wo wir ebenso herzlich im dortigen HADEP-Büro
begrüßt und in ähnlicher Weise informiert wurden.
Hinzu kam die Besonderheit, dass die Stadt unmittelbar an der iranischen
Grenze liegt und bisher vorwiegend von dem diesbezüglichen Handel
gelebt habe. Um die Stadt nun wegen ihres eindeutigen Wahlverhaltens bezüglich
der HADEP zu bestrafen, habe man den Handel nach Iran unterbunden und
die Grenze nach Dogubeyazit geschlossen. Danach besuchten wir das Bürgermeisteramt,
wo uns der Vertreter der HADEP-Bürgermeisterin empfing und über
die schwierige Lage ihrer Verwaltung berichtete. Sie bekämen so wenig
Geld vom Staat zur Verfügung gestellt, dass viele kommunale Arbeiten
entweder gar nicht oder nur ehrenamtlich getätigt werden könnten.
Die von Ankara aus erfolgende und nicht in kommunaler Regie liegende Krankenversorgung
existiere fast gar nicht; sie hätten lediglich organisieren können,
dass einmal pro Woche ein Arzt - mal ein Zahnarzt, mal ein Internist,
mal ein Gynäkologe - aus weit entfernt gelegenen Städten wie
Agri, Van oder Igdir kommen und einen Tag lang praktizieren würde.
Bei komplizierteren Behandlungen müssten die Patienten sich allerdings
auf eigene Kosten dorthin oder in den Iran begeben. Internationale Hilfe
hätten sie auf eigene Faust durch einen Kontakt zur Kommunalverwaltung
der italienischen Stadt Ancona zugunsten einer Gesundheitsstation organisiert;
allerdings sei es den Bürgermeistern, die für keine politischen,
sondern nur für Verwaltungsaufgaben zuständig seien, nicht erlaubt,
ohne Genehmigung und Vermittlung von Ankara selbständig Kontakte
ins Ausland zu knüpfen und Projekte einzuleiten. Halb illegal wären
sie es aber trotzdem angegangen, man müsse sehen, was daraus würde.
Begleitet von 2 Autos mit offen sich zu erkennen gebender Polizei sowie
einem Militärfahrzeug mit 10 Soldaten fuhren wir in die Berge oberhalb
Dogubeyazits zu einer imposanten Burg- und Moscheenanlage, die teilweise
aus antiker Zeit stammt und im 17. Jahrhundert von kurdischen Fürsten
(Ishak Pascha) in der heute noch existierenden Form errichtet wurde. Die
offiziellen Informationstafeln geben die gesamte Anlage als osmanisch
aus, was im äußeren Sinne zwar stimmt, da das Gebiet vom 15.
-20. Jhdt. unter osmanischer Kontrolle stand, aber das kurdische Element
völlig leugnet. Oberhalb der Burganlage besuchten wir das Grabgebäude
des kurdischen Dichters und Philosophen Ahmedi Hani.
Die Weiterfahrt führte uns in einem Halbkreis um das förmlich
über den Wolken schwebende Gebirgsmassiv des Ararat herum und - nun
an der iranischen Grenze entlang - in ungefähr 1500 bis 2000 m Höhe
durch schneebedeckte Gebirgsketten und Pässe nach Van. Nach mehreren
Kontrollen - wechselweise durch Polizei und Jandarma - gerieten wir bei
der Einfahrt in die Provinz Van in eine Militärkontrolle, die uns
mangels Passierscheines zunächst die Weiterfahrt verwehren wollte.
Nach mehreren Telefonaten mit dem Sekretariat der deutschen Botschaft,
deren zuständige Herren sich - offenbar ohne Handy - unansprechbar
in einer zweistündigen Mittagspause befanden, sowie unserem Beharren
darauf, dass wir unsere Reise zwei Wochen zuvor über das Auswärtige
Amt angemeldet hätten, ließ man uns plötzlich weiterfahren.
Nach zahlreichen weiteren, zumindest für uns unproblematischen Kontrollen,
kamen wir in Van an, wo der HADEP-Bürgermeister uns empfing.
Dieser berichtete, dass seine für 100.000 Einwohner ausgelegte Stadt
in den vergangenen Jahren infolge der Flüchtlinge des 15jährigen
Krieges auf weit über 500.000 Einwohner angeschwollen sei, von denen
viele nicht registriert und bei dem Pro-Kopf-Zuteilungsschlüssel
kommunaler Gelder nicht berücksichtigt würden. Infolgedessen
könne weder im Wohnungs- noch Straßenbau, Abwasser- oder Stadtreinigungsbereich
der so angestiegenen Einwohnerzahl eine halbwegs entsprechende Infrastruktur
bereitgestellt werden. Zudem habe es von seiten wohlhabender oder reicher
Bürger wegen des Krieges einen regelrechten Exodus aus der Stadt
in den Westen der Türkei gegeben, und Investitionen seien kaum noch
erfolgt, so dass auf die Stadtverwaltung fast unlösbare Probleme
zukämen. Allerdings hätte sich in den vorangegangen zwei Jahren
der Friedensphase doch manches zu besser begonnen. Zudem habe man die
Hoffnung, dass die Regierung die Rückkehr der Flüchtlinge in
ihre Dörfer ermögliche, indem sie entsprechende Erlaubnisse
erteile und Gelder für den Wiederaufbau bereitstelle. Konkret sei
diesbezüglich allerdings noch nichts geschehen. Über die Universität
wäre ein Gutachten in Auftrag gegeben worden.
Bezüglich internationaler Beziehungen sagte der Bürgermeister
von Van, dass er keine Schwierigkeiten bekommen habe, mit dem deutschen
Entwicklungsministerium Kontakt aufzunehmen und demnächst wieder
nach Deutschland fliegen würde. Er sei zuversichtlich, dass sich
daraus Möglichkeiten für Hilfsprojekte ergeben würden,
für die er dann auch das Einverständnis des Vali (Gouverneur)
hoffte einholen zu können.
Am nächsten Morgen bewertete der regionale HADEP-Vorstand das Nationale
Programm, das gemäß den Kopenhagener Kriterien von allen EU-Beitrittskandidaten
als Rahmenrichtlinie vorgelegt hatte werden müssen mit dem Sprichwort,
dass der Berg gekreißt sei und eine Maus geboren habe. Mehr nicht.
Außerdem erfuhren wir, dass der Partei-Vorsitzende und weitere Vorstandsmitglieder,
seit über einem Monat im Gefängnis säßen.
Auf der Weiterfahrt nach Diyarbakir passierten wir eine Unzahl von Kontrollposten
sowohl von Polizei als auch Militär und Jandarma. Überall standen
Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Wir selber durften allerdings nach kurzen
Befragungen und flüchtigen Ausweiskontrollen passieren, da offensichtlich
alle Posten auf unser Kommen vorbereitet waren und Anweisung hatten, uns
keine Schwierigkeiten zu bereiten. Unterwegs begegneten uns mehrfach kleine
Militärkonvois.
In Diyarbakir beteiligten sich an der Newroz-Veranstaltung fast doppelt
so viele Menschen wie im Vorjahr: mindestens eine halbe Millionen, obwohl
die Veranstaltung nur ca. 10 km außerhalb von Diyarbakir auf einem
Messegelände durchgeführt werden durfte. Die Menschen strömten
auf den offenen Ladeflächen von Lkws und Traktoren sowie mit Bussen,
Kleinbussen und privaten Pkws aus Diyarbakir zum Veranstaltungsort. Aus
fast allen Autos flatterten HADEP-Fahnen und/oder grün-gelb-rote
Tücher.
Auf dem riesigen Veranstaltungsplatz versammelte sich eine unabsehbare
Menschenmenge, darunter auffallend viele Frauen aller Altersgruppen in
festlichen traditionellen Kleidern, aber genauso junge modebewusste mit
Plateauschuhen und Handy. Überall wurden HADEP-Wimpel und Fahnen
sowie Bänder in den verbotenen grün-gelb-roten Farben geschwenkt.
(Unser Kleinbus-Fahrer hatte übrigens seine Krawatte in eben diesen
Farben bei der Einreise ablegen müssen, da dies illegale Propaganda
sei.) Im Hintergrund traditionelle dunkelbraun gewebte kurdische Zelte,
in denen klassische Gewerke wie Bäckereiwesen und Teppichknüpfen,
aber auch Kunst und Kunstgewerbe praktisch vorgeführt wurden, daneben
wie auf einem gigantischen Basar Hunderte Kuchen- und Getränkekarren,
Holzkohlegrills und Stände mit Süßigkeiten, Musikkassetten
und Informationsmaterial.
Nach vorne zu den Bühnen mit ihren Lautsprechertürmen und HADEP-
und Newroz-Emblemen eine immer dichter werdende Menschenmenge, die - je
nachdem, ob auf der Bühne musikalische oder Redebeiträge dargeboten
wurden - mit zum Siegeszeichen emporgereckten Fingern Parolen riefen oder
tanzten. Tosender Applaus für den HADEP-Vorsitzenden Murat Bozlak,
der in seiner Rede die tiefe Friedenssehnsucht des kurdischen Volkes und
seinen Freiheitswillen unter dem Banner der Brüderlichkeit der Völker
herausstrich. Zwei in diesem Moment über die Menge hinwegdonnernde
Kampf-Jets der türkischen Armee zeigten, wie schwer dieser Weg noch
sein wird, aber das Volk beantwortete die Provokation mit Parolen, die
Abdullah Öcalan hochleben ließen und deutlich zeigten, wie
dicht und eng verbunden die Menschen hinter dem vor 2 Jahren in Imrali
eingeleiteten Friedensweg stehen.
Angesichts der gewaltigen Menschenmenge hielten sich das Militär
und die Polizeikräfte im Hintergrund - im Gegensatz zum Vorjahr,
wo noch eine angespannte und aggressive Stimmung geherrscht hatte.
Am kommenden Tag erfuhren wir im Menschenrechtsverein IHD von dessen Vorsitzenden
Rechtsanwalt Osman Baydemir, dass es im Anschluß an die Veranstaltung
doch noch zu ernsthaften Zwischenfällen gekommen war.
- 30 Festnahmen nach einer Schlägerei mit mehreren Verletzten zwischen
abreisenden Veranstaltungsteilnehmern und provozierenden Polizisten
- Und, was mit besonderer Sorge erfüllte, die Entführung von
3 Cousins durch eine Gruppe Bewaffneter, die keine offiziellen Polizeiwaffen
oder Uniformen trugen.
Überdies seien bereits im Vorfeld mehrfach Aktivisten des HADEP-Vorbereitungskomitees
festgenommen worden. Dasselbe Schicksal ereilte eine darüber recherchierende
IHD-Verantwortliche. Diese Personen seien inzwischen allerdings alle wieder
freigelassen worden.
Über die Situation in den Gefängnissen berichtete Osman Baydemir,
dass am Vortag einer der mehr als 130 im Todesfasten befindlichen Gefangenen
gestorben sei. Die Gefangenen befänden sich im 132. Tag ihres Hungerstreiks
und würden zwangsernährt. Einige hätten bereits irreparable
gesundheitliche Schäden und täglich müsse mit weiteren
Toten gerechnet werden. Die Hungerstreikenden seien ausnahmslos Angehörige
linker türkischer Gruppierungen.
Die groß verkündete Amnestie hätte die Zahl der politischen
Gefangenen in der Türkei lediglich von 12000. auf 10.000 reduziert.
Allein in Diyarbakir gebe es 1.000 politische Gefangene. 80% aller politischen
Gefangenen seien Kurdinnen und Kurden.
Am gleichen Tag besuchten 5 Mitglieder der Delegation die Gemeinde Carikli
in der Nähe von Diyarbakir. Bei offiziellen 2700 Einwohnern ( durch
Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen: 5025 Einwohner) beträgt
das Geld, dass der Gemeinde vom Staat zur Verfügung steht, 2200 Dollar
im Monat. Davon müssen aufgebracht werden: Löhne der Gemeindearbeiter,
Wasserversorgung, Abwasser, Müll, Straßenbau.. Die Schule in
Carikli ist keine Gemeindeangelegenheit, sondern unter Hoheit des türkischen
Staates. Dieser gibt den Schulen so gut wie nichts.
Wie schon im letzten Jahr stellte uns der Bürgermeister Sefik Türk
( er ist im März 1999 als einer der zahlreichen Bürgermeister
in Kurdistan/Türkei für die HADEP gewählt worden) stolz
die Verbesserungen der Lebenssituation der Gemeinde vor. Es ist mit einem
Abwassersystem angefangen worden, Wasserleitungen wurden gelegt, Wege
wurden befestigt, Müllcontainer sind angeschafft worden, es wurde
eine Teppich - Webwerkstatt eingerichtet, ein Park mit Teehaus wurde angelegt,
2 Schlachthäuser wurden angesiedelt, eine Krankenstation ist eingerichtet
worden mit dem Versuch Erstversorgung und vorbeugenden Gesundheitsschutz
zu gewährleisten.. Die Ausstattung ist aber sehr karg. Es fehlt z.
B. ein eigenes Ambulanzfahrzeug. Mehrere Mitglieder der Delegation haben
übernommen sich dafür einzusetzen, dass mit konkreter Hilfe
( wie z. B. mit Spenden) eine Verbesserung der Lage geschaffen werden
könnte.
Sefik Türk sagt zu der Entwicklung in den Orten, in denen die HADEP
die Mehrheit der Bürgermeister stellt, dass die Menschen sich das
erste Mal in ihrer Geschichte selbst verwalten können.
Insgesamt sind wir zu der Einschätzung gekommen, dass die überwältigende
Mehrheit der kurdischen Bevölkerung voll und ganz hinter dem vor
2 Jahren von der PKK eingeleiteten und von der HADEP vorangebrachten Friedens-
und Demokratisierungsprozess steht und trotz tiefer Enttäuschungen
bezüglich der oft nur minimalen Demokratisierungstendenzen seitens
des türkischen Staates ("der Berg hat gekreißt und eine
Maus geboren.") weiterhin daran festhalten möchte. Es gibt eine
große Besorgnis gegenüber jenen Kräften - vor allem im
Militär, aber auch innerhalb politischer Parteien wie den Regierungsparteinen
DSP und MHP sowie der oppositionellen DYP, die durch den Krieg Macht und
Geld verdienen konnten, dahingehend, dass sie den Friedensprozess durch
Provokationen zu beeinträchtigen oder gar zu zerstören versuchen
würden. Als Beispiele genannt wurden immer wieder die Ermordung des
(liberalen) Polizeipräsidenten von Diyarbakir angeblich durch die
Hisbollah, was aber keiner glaubt, vielmehr, dass es Leute aus seinem
eigenen Sicherheitsapparat waren, die auch von diesem gedeckt würden.
Sowie die Verschleppung von 2 HADEP-Funktionären in Silopi durch
"unbekannte Täter". Trotz allem war die einhellige Meinung
von HADEP-Funktionären sowie dem Volk auf der Straße, das -
wie die Wahlergebnisse oder die Newroz-Feierlichkeiten belegen - in seiner
großen Mehrheit hinter der HADEP steht, dass man Geduld haben müsse
und beharrlich weiter für die Friedenspolitik und die Demokratisierung
der gesamten Türkei gewaltlos aber machtvoll eintreten müsse.
Hierfür allerdings wurde vehement eine deutliche Unterstützung
aus Europa eingefordert, nicht nur im Hinblick auf den allgemein erwünschten
Beitritt der Türkei zur EU, sondern auch wegen der Verantwortung
der Weltöffentlichkeit die vor der kurdischen Frage nicht die Augen
verschließen dürfe.
Bericht
der Hamburg/Schleswig-Holsteiner Delegation Newroz 2001
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